FAST TRACKS Volume 61
Neue CDs, kurz vorgestelltDie Kombination von Klavier und Violine ist in der brasilianischen Volksmusik alles andere als populär. Es gibt nur wenige Duos in dieser Besetzung. Warum eigentlich, mag man sich fragen wenn man den aktuell in Köln lebenden, brasilianischen Pianisten Henrique Gomide im Duo mit der niederländischen Geigerin Daphne Oltheten hört. Beide spielen schon über ein Jahrzehnt als Duo zusammen und verzaubern auf ihrer neuen Platte mit kammermusikalischer Elegaz, gespeist aus dem großen Repertoire brasilianischer Musik. Sehr gefühlvoll, aber auch virtuos begegnen sich die beiden in Stücken von Egberto Gismonti, Baden Powell, Pixinguinha oder Chico Buarque, zwischendurch auch mal unterstützt von Gästen wie Sängerin Anna Serierse oder Schlagwerker Antoine Duijkers.
Sieben Songs aus eigener Feder, drei James Bond-Titel, ein paar Jazzstandards und den Siegersong von Conchita Wurst beim ESC vor genau zehn Jahren - die Bandbreite des neuen Albums von Jasmin Bayer ist schon groß. Und die Münchener Sängerin kann das alles auch wunderbar singen mit ihrer warmen, ausdruckstarken, mit vielen Nuancen arbeitenden Stimme. Und wird dabei immer bestens unterstützt von ihrer vorzüglichen Band um Pianist Davide Roberts. So ist ein über 74 Minuten langes Album entstanden, das Jazz mit Popappeal und gelungenen Arrangements verbindet. Wohlfühl-Musik in unterschiedlichsten Färbungen und Stimmungen, die vom ersten bis zum letzten Titel bestens unterhält.
Ein Debüt das sich hören lassen kann veröffentlicht Julia Kriegsmann mit „Dark Days & White Nights“. In der Besetzung Altsaxofon, Vibrafon (großartig der Essener Michael Knippschild) Bass und Schlagzeug sowie mit Gastsängerin Sara Decker bei zwei Stücken gibt es von der in Bonn geborenen Saxofonistin bis auf Jimmy van Heusens „Like Someone In Love“ ausschließlich Selbstkomponiertes zu hören. Und das ist wirklich gut, zeitgenössischen Jazz, der die Bandleaderin als fantasievolle, vielseitige Komponistin und virtuose Musikerin zeigt.
Benannt nach dem Pseudonym der französischen Schriftstellerin Anne Cécile Desclos, die in den 1950ern den weltberühmt gewordenen erotischen Roman „Geschichte der O“ schrieb, musiziert sich das Leipziger Quartett Pauline Réage auf „Gentle Destruction“ durch eine wilden, aufregenden Mix aus Noise, Metal, Indiepop, oder Jazz, beim dem die Verbindung von Lyrik und Text mit den Klängen die tragende Säule ist. Das Quartett ist das Projekt der Texterin und Sängerin Anne Munka, die hier zusammen mit Pianistin Olga Reznichenko, Bassist Robert Lucaciu und Schlagzeuger Maximilian Breu dramaturgisch aufgebaute, sehr expressiv gespielte, komplexe Musik zwischen notiertem Material und freien Improvisationen spielt, die dennoch poetisch wirkt. Schwer das ganz präzise in Worte zu fassen. Offene Hörer ohne Berührungsängste werden ihre wahre Freude an diesem Werk haben.
Man denkt schon ein wenig an Rio und ans berühmte „Girl from Ipanema“ wenn man das von einem Elektro-Bossa Nova-Beat angeschobene, superlässig vorgetragene „The Autumn Display“ hört, den einzig neuen Song auf einer Werkschau des Frankfurter Duos Jazzamor. Seit zwei Dekaden reisen Pianist und Soundingenieur Roland Grosch und Sängerin Bettina Steingass schon durch die Welten des Lounge Jazz und haben mit ihrem so eingängigen Mix zwischen Jazz, Bossa und Electro-Pop die Welt getourt. Zum Jubliäum gibt es jetzt neben dem einen neuen Stück elf weitere Nummern neu zu entdecken - unveröffentlichte Edits, Reworks und Remixe. Wer früher schon nichts mit dem zart-blassen, hingehauchten Gesang und den easy-schönen Klängen anfangen konnte, den werden auch diese „Reworks“ nicht abholen. Jazzamor-Fans aber dürfen sich auf die überarbeiteten Versionen alter Ohrwürmer freuen.
Im Alter von 13 Jahren wechselte er von der Geige an die akustische Gitarre und wurde dann als Interpret klassischer Msuk ausgebildet. Die Gitarre ist seitdem das Instrument von Wolfgang Muthspiel. Nun gibt es mit „Etudes/Quietudes“ ein Soloalbum auf der Akustikgitarre des österreichischen Musikers, live aufgenommen im ORF RadioKulturhaus in Wien. Mit schwerpunktmäßig Konzertetüden, die Muthspiel selbst komponiert hat. Hier lotet der Gitarrist die Klänge seiner Gitarre voll aus. Eine Sarabande von Bach, eine Hommage an Bill Evans oder ein Thema von Drummer Paul Motion runden ein ebenso virtuos wie gefühlvoll gespieltes Album ab, an dem wohl in erster Linie Gitarrenmusik-Fans großen Gefallen finden werden.
Der Mann hat es einfach drauf! Tolle Melodien zu schreiben oder Material anderer Komponisten großartig neu zu interpretieren. Beides macht Bassist Avishai Cohen auf seinem neuesten Werk „Brightlight“. Dazu hat sich der Israeli ein paar fantastische Musiker ins Studio geholt, etwa Landsmännin Roni Kaspi am Schlagzeug, den Pianisten Guy Moskovich oder Saxofonist Yuval Drabkin. Genau das richtige Line-Up um zweischen jüdischen Folkmelodien, Weltmusik, klassischen Anleihen und natürtlich Jazz gefühlvolle Musik zu interpretieren oder locker zu swingen. Da kann die Vorlage auch mal der „Liebestraum“ von Franz Lizst sein. Und „Summertime“ direkt im Anschluss als Ska-Version mit Avishai Cohen auch als Sänger – frischer hat man den Gershwin-Gassenhauer lange nicht gehört.
Zum Schluss noch ein Leckerbissen für alle Fans von Chet Baker, das der legendäre Trompeter nur ein paar Monate vor seinem tragischen Tod nach einem Fenstersturz aus einem Amsterdamer Hotel in Frankreich eingespielt hat. In einem Pariser Tonstudio traf sich der Amerikaner für zwei Tage mit Gitarrist Philip Catherine, Pianist Egil Kapstad und Bassist Terje Venaas und spielte die 16 Stücke ein, die nun unter dem Titel „Late Night Jazz“ erscheinen. In ruhigen, intimen Dialogen spielt sich das Quartett, aus dem nach den Aufnahmen eine Band entstehen sollte, was Bakers Tod leider verhinderte, durch ein Programm aus überwiegend bekannten Jazzstandards und verwöhnt dabei mit viel Sensitivität und großer Ausdruckskraft. Eine wunderschöne Erinnerung an eine Jazzlegende.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 60
Neue CDs, kurz vorgestelltWer bei diesem Albumtitel Folklore-Jazz erwartet, der wird genau den nicht zu hören bekommen. Aber belohnt werden mit einem Klaviertrio-Album allererster Güte. Denn der in Kleve am Niederrhein lebende Pianist Stefan Schöler und seine beiden mit der Kölner Jazzszene verbundenen Partner Lukas Keller am Kontrabass und Simon Bräumer am Schlagzeug spielen hier neben zwei Jazzstandards sechs Stücke von Schöler, die zum Träumen und entspannten Hören einladen. Was nicht heißt dass es auf dieser Einspielung nicht auch mal virtuos und hart swingend zugeht. Genießer von frischem Modern Jazz werden diese Platte mögen.
Diesen Song sanft fließend und von Streichern umhüllt zu hören, das hat was. Das neue Album von Christian Sands beginnt mit dem Jazzklassiker „Good Morning Heartache“. Sanft geht es auch weiter beim US-Pianisten, der sein Trio mit String-Section und Gästen wie Gitarrist Marvin Sewell oder Vibrafonist Warren Wolf immer wieder erweitert. Musik, um sein von der Liebe gebrochenes Herz ein wenig zu heilen, das war die Intention hinter den Kompositionen von Sands auf „Embracing Dawn“. Erfreulicherweise ergeht sich der Pianist hier aber nicht in seiner Trauer, sondern schafft durchaus auch energievolle Momente. Das Leben ist ja auch zu schön, trotz Liebskummer, der hier manches Mal förmlicjh weggefegt wird.
Was für eine Stimme! Claire Martin kann mit ihr alles machen. Swingen, aber in Balladen auch für Gänsehaut sorgen. Das neueste Album der britischen Jazzsängerin ist genau so eine Platte, wo sie all das zeigen kann. Wie sie die Tom Waits-Nummer „This One´s From The Heart“ im Duett mit dem ebenfalls charismatischen Gastsänger Charlie Wood singt: Großes Gefühlskino. Auch weil ein weiterer Gast, Karl-Martin Almqvist, gefühlvolle Saxofonsoli unter den Song legt. Und ihr schwedisches Trio auf dieser Einspielung um Pianist Martin Sjöstedt, seelenvoll begleitet und sanfte Streichersounds den Song umhüllen. Bei den den hier interpretierten Songs hat sich Claire Martin bei Elvis Costello, Carole King oder Rufus Wainwright bedient anstatt beim üblichen Jazzstandard-Repertoire. Noch so eine Facette dieser großartigen Platte, die durchaus ein Kandidat fürs Vokalalbum des Jahres sein könnte.
Geboren in São Paulo, lebt André de Cayres inzwischen in Köln. Und obwohl er schon auf eine lange Karriere zurückblicken kann, veröffentlicht der brasilianische Bassist erst jetzt mit „Família“ sein erstes eigenes Album mit ausschließlich eigenen Stücken und Arrangements. Musik, die die so vielfältigen Rhythmen seiner brasilianischen Heimat aufgreift und mit jazzigen Elementen verbindet. Zu seinem Septett zählen die in Bochum lebende Sängerin Mara Minjoli oder der in Essen beheimatete, brasilianische Gitarrist João Luis Nogueira. Dazu kommt eine dreiköpfige Bläsersection. Sie alle sorgen mit dafür dass hier ein wunderbares, luftig-leicht beschwingtes Brasil-Jazzalbum entstehen konnte.
Seine Eltern sind mit Earth, Wind & Fire, Stevie Wonder oder Diana Ross aufgetreten. Dass Michael Mayo auch irgendwann Musiker werden würde, lag da irgendwie auf der Hand. Nun ist der Anfangdreißiger aus Los Angeles ein begnadeter Sänger, ein echter Crooner geworden, wie sich auf seinem zweiten Album „Fly“ nachhören lässt. Und dafür braucht er nicht mal Instrumente um sich herum, auch wenn das Album schon mit einer exquisiten Band um Tastenmann Shai Maestro eingespielt wurde. Aber es gibt eben auch eine grandiose a-cappella-Version von „I Didn´t Know What Time It Was“, wo Mayo neben der Leadstimme auch alle Backing Vocals eingesungen hat. Elf Nummern lang interpretiert der Sänger Jazzstandards und Eigenkompositionen aufregend zwischen Jazz, Neo-Soul und R&B.
Der Namensgeber dieses Ensembles spielt selbst gar nicht mit. Aber der US-amerikanische Komponist, Arrangeur und Trompeter Mark Masters hat alle Stücke dieses Albums für Oktettbesetzung komponiert und arrangiert. Und es spielt ein anderer die Trompete, sein Landsmann Tim Hagans, den Masters schon seit seiner Jugend und Hagans´ Zeit in der Stan Kenton Band bewundert. Fünf Bläser, mit Tim Hagans im Rampenlicht, und ein Rhythmustrio um Pianist Jeff Colella spielen auf „Sui Generis“ eine entspannt swingende, orchestrale, poetische, manchmal gar romantische Jazzmusik mit Raum für Improvisationen und ausgiebigen Soli. Sicher nicht innovativ, was hier zu hören ist, aber einfach schön.
ALESSIO CAZETTA: „Love, Death & The Eternal Blues“ (Unit Records)
Seine Wurzeln würden teilweise im Heavy Metal liegen, sagt Alessio Cazetta, der in Basel lebende Gitarrist und Komponist mit italienischen und südafrikanischen Wurzeln. Hören tut man das seinem Album „Love, Death & The Eternal Blues“ aber eher selten an. Okay, die Nummer „Highway 58“ steigert sich im Verlaufe schon ordentlich und wird zu einem kleinen Wirbelsturm. Aber Metal geht anders. Egal, das neue, im Sextett mit illustren Kollegen wie dem Saxofonisten David Binney eingespielte Werk des Gitarristen ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert. Die teils komplexen Kompositionen Cazettas sind dennoch immer sehr gut hörbar, seine über den Rand des Jazz hinausschauende Musik bietet Klänge für viele Geschmäcker.Seit einem Vierteljahrhundert schon gibt es diese zehnköpfiger Mini-Bigband des Berliner Jazzpianisten und Komponisten Nicolai Thärichen. Und sein Thärichens Tentett zeigt zum Bandjubiläum auch auf der neuen Platte wieder einmal, wie außergewöhnlich diese Band ist. Weil sie das Thema Liebe und Gefühle, das hier dominiert, auch mal aus so ganz anderen Blickwinkeln und Perspektiven betrachtet. Dafür ist vor allem auch Nikolaus Leistle, einer der Texter der Stücke, der in der Band auch noch Baritonsaxofon und Bassklarinette spielt, mit verantwortlich. Und wer könnte diese und andere Texte besser singen als Michael Schiefel. Dazu die tollen Arrangements des Bandleaders und fertig ist ein weiteres außergewöhnlich gutes Tentett-Album.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 59
Neue CDs, kurz vorgestelltDer große Duke Ellington hat sich mal dazu bekannt, dass er seine Orchester-Kompositionen immer mit dem einzelnen Musiker im Sinn komponiert hat und nicht für ihre Instrumente. Genau andersherum geht nun Brian Landrus die Sache auf seiner musikalischen Hommage an Ellington und seinen häufigen Kompositionspartner Billy Strayhorn an. Denn der amerikanische Spezialist für die tief tönenden Holzblasinstrumente wie Bariton- und Basssaxofon, Bassflöte oder Bassklarinette nimmt eben genau diese und weitere Klarinetten und Flöten als Ausgangspunkt für seine interessanten Interpretationen von Ellington und Strayhorn-Nummern. Im Quartett mit Gitarrist Dave Stryker, Kontrabassist Jay Anderson und Drumer Billy Hart gewinnt er den zumeist sehr bekannten Melodien so neue Facetten ab und kreiert dabei immer wieder herrlich dunkle Färbungen. Durch Overdubbing der diversen Blasinstrumente scheinen hier zudem nicht nur vier Beteiligte zu spielen, sondern ein kleines Orchester. Tolle Idee, sehr fein umgesetzt.
„Clasicos a lo Cubano – Live in Havanna“ (Indris Pro AS)
Schon eine verrückte Idee, dieses Album. Sverre Indris Joner, ein norwegischer Pianist, reist mit seinen Jungs vom Hovedøen Social Club nach Kuba, um den Kubanern zu zeigen wie man Salsa spielt und Klassiker von Mozart, Beethoven, Tschaikowsky, Chopin oder Brahms in kubanische Musik überführt. Zusammen mit dem Cuban Opera Orchestra spielen sie Konzerte im National-Theater von Havanna. Die Aufnahmebänder liefen mit und so gibt es nun die „Clasicos a lo Cubano“ auf Tonträger verewigt. Und man muss sagen: Die Idee hat sehr gut funktioniert. Wie der Ungarische Tanz Nummer 5 von Johannes Brahms im Salsa-Rhythmus lässig tänzelt oder wie der erste Satz aus Beethovens 5. Sinfonie in ein feuriges Latin-Feuerwerk eingebettet mit viel Drama regelrecht hochgepusht wird, das klingt schon richtig klasse. Und den Kubanern gefällt dieser wilde Mix anscheinend auch bestens, wie der begeisterte Beifall dieser Live-Einspielung erahnen lässt.
Es ist nicht die erste Zusammenarbeit von Saxofonist Javon Jackson mit der Poetin Nikki Giovanni. Jetzt haben sich die beiden US-Amerikaner ein paar Standards aus dem Great American Songbook vorgeknöpft, von denen einst viele für Hollywood-Filme komponiert wurden. Aber auch Javon Jackson hat drei Stücke zu diesem Album beigefügt und eine Sonny Rollins-Nummer ist auch zu hören. Reizvoll ist hier die Verbindung der eher lakonisch vorgetragenen Gedichte von Nikki Giovanni im Verbund mit etwa Kurt Weills „Speak Low“ oder Javon Jacksons „Have You Heard“ zu erleben. Sängerin Nicole Zuraitis ist auch auf drei Nummern zu hören auf diesem abitioniertem Album.
Mit seinem Quartett ist Miguel Zenón schon seit vielen Jahren ein echter Meister zwischen Jazz und Latin. Mit „Golden Circle“ bringt der Altsaxofonist aus Puerto Rico nun ein Konzeptalbum für ein Nonett mit gleich drei Posaunisten heraus. Eine elfteilige Suite hat Zenón hier komponiert, die die demografische und politische Entwicklung der Stadt San Francisco beleuchtet. „Golden City“ ist ein musikalischer Tribut an die ganzen Einwanderer in San Francisco, Chinesen, Japaner, Mexikaner und andere. Wie immer bei Zenón ist die Musik rhythmisch und harmonisch spannend und bisweilen komplex und stilistisch flexibel und vielseitig. Ein starkes Statement!
Ein Quintett mit gleich zwei Altsaxofonisstinen – das ist das Quintett Alto For Two. Die Katalanin Irene Reig und die Niederländerin Kika Sprangers, die auch mal zum Sopran greift, ergänzen sich hier wunderbar, agieren mal zweistimmig, mal in auholenden Dialogen miteiander. Die Rhythmusgruppe um den fantastischen, spanischen Pianisten Xavi Torres liefert den passenden Unterbau für die beiden Damen, der mal zarte Klanggebilde entstehen lässt, aber auch Stücke voller Energie bereithält. Live im Bremer Sendesaal eingespielt, ist hier ein exzellentes Werk des zeitgenössischen, frisch klingenden Jazz entstanden.
Zwischen akustischen Strukturen und elektronischen Klängen schafft die Band Cinema Paradiso bisweilen cineastische Klangwelten. Saxofonist Kurt van Herck, Gitarrist Willem Heylen, Schlagwerker Eric Thielemans und Tastenmann Jozef Dumoulin lassen sich in ihren Stücken dabei viel Zeit und gegenseitig Räume. Und lassen so Musik entstehen, die (kraft-)voll tönt, rockig und von Improvisationen durchzogen daherkommt, aber auch verschlungene Wege geht und dann mit allerlei Sounds gefüttert den Zuhörer schon mal ein wenig fordert.
Alle Stimmen auf den Saxofonen, Klarinetten oder Flöten spielt er selbst ein. Dazu noch Keyboards und Perkussion, obwohl er mit dem kürzlich verstorbenen, lange erkrankten Briten Martin France und dem Norweger Helge Andreas Norbakken zwei echte und großartige Schlagwerker ins Tonstudio bat. Bruder Steve Argüelles mischt hier auch noch mit einigen Drum Loops. In erster Linie aber spielt der ehemalige Loose Tubes-Saxofonist Julian Argüelles eine in Teilen improvisierte, zumeist melodische Musik, die mittels Sampletechnik und Musiksoftware wächst und voluminös wird, obwohl sie in erster Linie nur von einer einzigen Person kreiert wird. Das Schöne an „DoubleSpeak“ ist dass mit den technischen Möglichkeiten behutsam und immer im Sinne der Musik umgegangen wird.
Mit US-Gitarrist Peter Bernstein hat er in seiner niederösterreichischen Heimat auf einem Jazzfestival mal gemeinsam gejammt. Auch den russischen Bassisten Boris Kozlov traf er dort das erste Mal. Und Drummer Bill Stewart spielt schon lange zusammen mit seinem Landsmann Bernstein. So hat sich nun ein Quartett gefunden, mit dem Saxofonist Bernhard Wiesinger sein zweites Album unter eigenem Namen eingespielt hat. Ergänzend ist auch noch die taiwanesische Vibrafonistin Chien Chien Lu auf drei der neun der überwiegend vom Bandlader komponierten Stücke zu hören. Das in New York aufgenommene „Enlightened“ klingt auch wie eine gut geölte US-Aufnahme, im positiven Sinne. Zu hören ist elegant swingnder, moderner Mainstream voller Energie und Spielfreude. Diese Platte macht durchweg viel Spaß.
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FAST TRACKS Volume 58
Neue CDs, kurz vorgestelltSchon zu seinem 80.Geburtstag vor knapp drei Jahren gab es vom Altmeister des europäischen Jazz ein Balladenalbum mit Streichern. Daran scheint Franco Ambrosetti noch immer mit Freude zu denken, legt der Schweizer Trompeter mit „Sweet Carees“ nun doch nach. Wieder hat Grammy-Preiträger und Pianist Alan Broadbent die Streicher, die hier mit Bläsern zum Orchester angewachsen sind, arrangiert und dirigiert. Bassist Scott Colley, Schlagzeuger Peter Erskine und Gitarrist John Scofield als Gast auf zwei Stücken wissen zudem, wie man mit wenig viel Atmosphäre schaffen kann. Über derart romantische Stimmungen kann da seelenruhig Ambrosettis Flügelhorn schweben. Musik zum Träumen, die längst vergangene Jahrzehnte wieder wachküsst.
Minimalistisch, feinsinnig, voller kleiner Klang- und Rhythmusdetails, das ist die Musik von Eloi Pascual. Der 29-jährige spanische Schlagzeuger mit Wohnsitz in Amsterdam hat mit „Amarea“ ein sehr gelungenes erstes Trioalbum hingelegt. Auch weil Pascuals Partner, die südkoreanischen Pianistin Chaerin Im und der belgische E-Bassisten Matteo Mazzù, das Konzept dieser Musik verstanden haben und teilen können. Denn alle drei spielen hier ganz offen mit ihren Ideen und fügen kleinste Teile perfekt zu einem sehr eigenen, spannenden Bandsound mit sehr kreativem Drumming zusammen.
Mit einem reinen, lyrischen Ton spielt Gitarrist Philip Weberndoerfer auf seiner Stromgitarre. Einen Sinn für schöne Melodien hat der Mann aus Bayern, der inzwischen in New York lebt, ebenfalls. Was man auf seinem gelungenen Album „Tides“ nachhören kann. Das hat er mit seinem Trio mit Bassist Richard Mikel und Schlagzeuger Peter Traunmueller und US-Saxofonist Dayna Stephens als Gast eingespielt. Sieben Eigenkompositionen des Gitarristen und zwei Jazzstandards sind zu hören, Songs, die eine wunderbare Gelassenheit und Eleganz ausstrahlen. Nicht nur was für Gitarrenjazz-Fans.
Noch einmal Gitarrenjazz. Saitenkünstler Christy Doran präsentiert sich mit dem Trio Morpheus Trance frisch und inspiriert. Das liegt auch an den beiden Kollegen des irisch-schweizrischen Saitenkünstlers, Bassist Wolfgang Zwiauer und Schgzeuger Lukas Mantel. Denn in diesem Trio gebe es keinen Chef, betont Doran. Zwar stammen fast alle Stücke von ihm, aber die beiden anderen dürfen und sollen ihre eigenen Ideen einbringen. Mit Hilfe von diversen Effektgeräten entstehen wunderbare jazzrockige, tranceartige und unkonventionelle Songs.
Ein neues Quartett hat Markus Harm für „Out In Space“ formiert. Der zwischen dem Frankenland und Wien pendelnde Saxofonist hat mit Pianist Andreas Feith, Bassist Martin Gjakonovski und Schlagzeuger Vladimir Kostadinovic die richtigen Partner für seinen sanglichen und gefühlvollen Modern Jazz gefunden. Dass er auch Songs mit Biss komponieren kann, hört man bei „Trane Station“, einer Hommage an Saxofonlegende John Coltrane.
Eine Grammy-nominierte erfahrene Jazz- und Bluessängerin trifft auf ein junges Piano-Talent, das ist die Formel für das Duo-Album „My Ideal“. Sängerin Catherine Russell, die schon und Pianist Sean Mason tauchen hier auf elf Songs in die Welt von Jazz und Blues ein, in Songs aus der Tin Pan Alley-Ära, dem Great American Songbook, aus Hollywod oder dem Broadway. Und sie interpretieren die hier ausgewählten, nicht unbedingt so bekannten Songs authentisch, zeitlos und doch mit eigenem Touch und mit viel Eleganz und großer Klasse.
Wieder einmal demonstriert Sängerin Maria João dass sie zu den außergewöhnlichsten Vokalistinnen der Musikwelt zählt. Die Portugiesin kann nämlich alles. Mit Kleinmädchenstimme singen, mit iher Stimme improvisieren, mühelos zwischen musikalischen Genres wechseln und dabei doch immer ganz unverwechselbar zu klingen. Mit dem brasilianischen Pianisten André Mehmari, der hier auch Synthesizer, Clavinet, Gitarre, Marimba oder Schlagwerk bedient, hat sie hier einen kongenialen Partner an ihrer Seite. Eigens für dieses Duo komponierte und getextete Stücke der beiden Protagonisten sowie Musik des brasilianischen Meistergitarristen Guinga liefern das Repertoire für zauberhafte musikalische Plaudereien der beiden.
NILS WÜLKER & ARNE JANSEN: „In Concert“ (Warner Music)
Noch ein Duo. Schon einige Jahre spielen der Trompeter Nils Wülker und der Gitarrist Arne Jansen im Duo zusammen. „In Concert“ beinhaltet Live-Mitschnitte von Auftritten vom Ende letzten und vom Frühjahr diesen Jahres. Fast alle der dreizehn Stücke sind Eigenkompositionen und beseelt vom lyrischen Spiel auf Trompete und Flügelhorn von Wülker und den dazu immer so perfekt passenden Sounds von der Akustik- oder E-Gitarre seines Partners Arne Jansen. Dezente Elektronik erweitern die klangliche Ausgestaltung der intimen, gleichberechtigten Dialoge dieser zwei großartigen Instrumentalisten._______________________________________________________________________________________
FAST TRACKS Volume 57
Neue CDs, kurz vorgestelltLeichtfüßigen Ethio-Soul serviert uns hier die zwischen Äthiopien und Berlin pendelnde Sängerin und Songschreiberin Feven Joseph. Äthiopische Melodien, Grooves der Tuareg aus Mali, ein Rhythmus aus dem Kongo, Anklänge an Afrobeat, aber auch jazzige Akkorde und viel Pop- und Soul-Feeling, das alles verbunden mit Fantasie und gespielt mit ihrer Band aus Berliner Musikern ergeben eine feine Mischung, die getragen von der sanften Gesangsstimme von Feven Joseph für einen entspannten Hörspaß sorgt.
Viel weniger unbeschwert und leicht klingt dagegen „Anima“ von Tamara Lukasheva. Ein Album, das die in Köln lebende ukrainische Sängerin mit dem International Symphony Orchester (INSO) aus Lviv und mit dem deutschen Trompeter Matthias Schriefl als Gast in der Philharmonie der westukrainischen Stadt Lviv im Oktober vergangenen Jahres aufgenommen hat. „Anima“ heißt Seele und voller Seele und Gefühle stecken auch die Songs, die überwiegend von Lukasheva selbst stammen. Es sind Lieder von Liebe und Schönheit, gesungen in mehreren Sprachen, die Trost geben sollen. Es ist toll orchestrierte Musik ohne jegliche Gedanken an Genre-Schubladen, die unter die Haut geht.
Bereits vor zwei Jahren schon hat Tigran Tatevosyan die Musik zu seinem Debütalbum aufgenommen, in der Osnabrücker Fattoria Musica. Jetzt erscheint das mit dem in Tiflis geborenen, aber schon lange in Deutschland lebenden Bassisten Giorgi Kiknadze und dem israelischen Drummer Ziv Ravitz eingespielte Album endlich, das den jungen Armenier als hochinteressanten Pianisten und Komponisten zeigt. Als Musiker, der die armenische Musiktradition verinnerlicht hat und sie wunderbar mit Jazz zu verquicken versteht. Das Trio agiert verspielt, elegant und klingt wunderschön, spielt mit viel Seele und stellt Virtuosität nie in den Vordergrund. Eine Entdeckung!
„Ábáse“ ist die Idee und das Projekt von Szabolcs Bognár. Der in Berlin lebende, ungarische Tastenmann und Produzent hat für „Awakening“ Musiker aus Ungarn, Deutschland, Ghana und Australien in die Berliner Brewery Studios geholt, um mit ihnen Afrobeat oder Yoruba-Rhythmen mit jazzigen Improvisationen zu paaren. Das Ergebnis klingt mitunter spirituell, aber immer wieder auch tanzbar. Cooler Stoff!
Japanische Musik mit Jazz zusammenzubringen, das ist die Idee vom „Kaiju Project“, einer Band, die hier auch Albumtitel ist, und die vom japanisch-österreichischen Pianisten Aseo Friesacher gegründet wurde. Mit dabei sind Bassist Johannes Fend und Schlagzeuger Joost Lijbaart sowie die beiden Japanerinnen Waka Otsu (Gesang) und Kana Fuefuki (Flöten). Stücke des Pianisten, aber auch Traditionelles aus Japan ist zu hören in einer Musik, die wunderbar westlichen Jazz mit fernöstlichen Melodien zusammenbringt. Zu einer gefühlvollen, mal fein groovenden, dann mitunter leicht meditativen Melange, die einen gelungenen Brückenschlag zweier unterschiedlicher (musikalischer) Kulturen offeriert.
Leider weilt der polnische Trompeter Tomasz Stanko seit nunmehr sechs Jahren schon im Jazzhimmel. Seit ehemaliges Begleittrio macht unter dem Namen des Pianisten aber weiterhin weiter und verwöhnt mit großartigen Alben und Konzerten. „September Night“ lässt alle vier zusmman noch einmal ganz hell scheinen. Die sieben Stücke dieser CD wurden 2004 bei einem Konzert des Quartetts in der Münchener Muffathalle mitgeschnitten. Und Tomasz Stanko, Pianist Marcin Wasilewski, Bassist Slawomir Kurikiewicz und Schlagzeuger Michal Miskiewicz spielen hier herrlich frei auf und doch auch wieder nicht, sie changieren zwischen Spannung und Entspannung, und das einzigartige, unverkennbare Spiel Stankos auf der Trompete mischt sich in einen immer wieder sprudelnden, so vielseitigen Klangkosmos. Was für Erinnerungsmomente an einen ganz großen Künstler.
Der große Gitarrenmeister präsentiert sich auf „MoonDial“ wieder einmal solo, aufgenommen ohne Overdubs und auf einer Baritongitarre. Dieses Nylonsaiten-Instrument wurde für Pat Metheny maßgefertigt von Linda Manzer, einer engen Mitarbeiterin des Gitarristen und einer der weltweit führenden Gitarrenbauerinnen. In Verbindung mit einer neuartigen, in Argentinien hergestellten Nylonsaite ermöglicht die Gitarre Metheny ein neuartiges Stimmsystem mit einem Tonumfang von Bass bis Sopran, was bisher nur mit Stahlsaiten möglich war. Das Programm des zarten, intimen, lyrischen Albums besteht aus eigenen Stücken, Jazzstandards oder dem Beatles-Song „Here, There And Everywhere“. Besselt gespielte Musik zum Entspannen und Runterkommen.
Global-Pop vom Feinsten, ein Mix aus Bossa Nova, Reggae, Forró, Frevo, Chanson, Brazil-Pop oder Raggamuffin, damit ist Flavia Coelho zu einer der wichtigsten Stimmen der brasilianischen Musik-Diaspora georden. Die Sängerin aus Rio de Janeiro, seit 2006 schon in Paris lebend, sorgt auch auf ihrem fünften Album „Ginga“ wieder für gute Laune, auch wenn sie ihren Energielevel hier ein wenig gedrosselt hat. Die Songs schaukeln schön gemächlich und sinnlich. Ein herrlich locker-luftiges Sommeralbum.
Im Jahre 1968 reiste Louis Armstrong nach London, nur wenige Wochen nachdem er die Beatles mit seinem zeitlebens größten Hit „What a Wonderful World“ von der Spitzenposition der britischen Charts vertrieben hatte. In den Studios der BBC spielte „Satchmo“ die Songs von „Louis in London“ ein. Diese Aufnahmen zählen sicherlich zu den inspiriertesten in Sachen Gesang und Trompetenspiel seiner ganzen Karriere und sind nun für alle, remastered, verfügbar geworden. Absolute Empfehlung!
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FAST TRACKS Volume 56
Neue CDs, kurz vorgestelltSein viertes Album unter eigenem Namen veröffentlicht der in Malaga geborene und im schweizerischen Basel lebende Flötist und Komponist Fernando Brox mit „From Within“. Mit den vier Bandmitgliedern seines Qintetts an Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug spielt der Spanier seinen auschließlich selbstkomponierten, folkloristisch gefärbten, melodiösen Jazz voller Leidenschaft, zumeist beschwingt und mit tänzelnden Grooves. Und mit Freiräumen, die die Musiker für beseelte Improvisationen und Soli bestens zu nutzen wissen.
Als frische und sehr erfrischende Stimme des Jazzgesangs präsentiert sich Germana Stella La Sorsa auf ihrem zweiten Studioalbum „Primary Colours“. Die in London lebende Italienerin phrasiert und koloriert wunderschön mit ihrer eindringlichen, aber nie aufdringlichen Stimme. Ihre Band mit Hammond Organist Sam Leak, Gitarrist Tom Ollendorff und Schlagzeuger Jay Davis und Harfenistin Tara Minton als Gast bei zwei der sieben Stücke ist zudem fantastisch. Die Musik, fast ausschließlich von der Sängerin selbst geschrieben und getextet, groovt fein. Contemporary Jazz mit Biss und Seele, der von der ersten bis zur letzten Note total viel Spaß macht!
Eine Hommage an die Zulu-Göttin uNomkhubulwnane ist das gleichnamige, elfte Studioalbum des südafrikanischen Pianisten, Komponisten dun ausgebildeten Heilers Nduduzo Makhathini. Es ist ein tiefgründiges Musikwerk geworden, das die tragische Geschichte der Unterdrückung Afrikas beleuchtet. Als Suite in drei Teilen konzipiert spielen Makhatini, Bassist Zwelakhe-Duma Bell Le Pere und Schlagzeuger Francisco Mela eine tief spirituelle Musik, einen dichten und von südafrikanischen und Zulu-Traditionen durchwobenen Jazz. Außergewöhnlich!
Bereits vor 14 Jahren hat die italienisch-äthiopische Sängerin und Schriftstellerin Gabriella Ghermandi das Atse Tewodros Project ins Leben gerufen um den Austausch zwischen italienischen und äthiopischen Musikern zu fördern. Und so finden sich auf dem Album „Maqeda“ auch Musiker aus beiden Länderin vereint. Traditionelle äthiopische Instrumente treffen auf westliches Instrumentarium in einer Musik, die ein interessanter Mix aus äthiopischen Traditionen und teils mündlich überlieferter Musik und zeitgenössischem Jazz ist. Mit Texten in mehreren Sprachen - immerhin gibt es in Äthiopien mehr als 80 Sprachen und 200 Dialekte.
Lässig steht er auf dem Cover seiner neuen CD an einer Bar gelehnt, schick im Anzug, links das Flügelhorn in der Hand, rechts ein Glas Whiskey. Und so klingt auch das Album von Thomas Siffling. Entspannt, lässig, elegant. Echte Wohlfühlmusik bietet der Mannheimer Trompeter in Quintettbesetzung. Smoothe, luftige Klänge mit seinem butterweichen Flügelhornspiel zu veredeln, das hört sich hier wirklich gut an. Und Siffling, der Tausendsassa, Jazzclub- und Label-Betreiber sowie Festivalkurator, hat auch kein Problem damit soche Musik zu spielen. Man fragt sich vielleicht nur warum so viele Jazztrompeter irgendwann auch anfangen zu singen. Siffling macht das hier zum ersten Mal und auch gar nicht einmal schlecht. Als Instrumentalabum aber wäre „Gentleman´s Choice“ keinen Deut weniger interessant.
Ziemlich spannend klingt das, was Gert Kapo auf seinem Solo-Debütalbum „Amanet“ aufgenommen hat. Der Pianist und Komponist stammt aus Albanien, was man dieser Einspielung glücklicherweise auch anhört. Denn albanische Volkslieder, aber auch ein syrisches Liebeslied und viel Selbstkomponiertes sind auf dieser Einspielung zu höen. Und auch dass Kapo Klassik, Rock, Fusion und brasilianische Musik liebt. Mit dem Gitarristen Nenad Gajin, Schlagwerker Rhani Krija oder Altsaxofonist Hayden Chisholm hat Kapo Super-Musiker um sich geschart um seinen immer wieder überraschend klingenden Jazz zu spielen. Eine echte Entdeckung, dieser Mann.
Optisch erinnert er mit seinem langen Bart irgendwie ein wenig an Jesus. Spirituell ist er auch, der Carlos Niño. Und auch die Musik des Perkussionisten, Musikproduzenten, Radiomanns, DJs und Poeten aus Kalifornien klingt immer ein wenig entrückt. Es wabert, pulsiert oder fließt immer irgendwas im Hintergrund seiner Songs die er selbst als spirituell, improvisiert und als Space-Collagen beschreibt. So ist „Placenta“, eingespielt mit einem ganzen Pool an Musikern, die zumeist in Los Angeles beheimatet sind, ein Album geworden, das wie im Moment entstanden klingt, wie ein 77-minütiger Jam. Ist das Jazz? Irgendwie ja, im weitesten Sinne. Es ist ein Album das sich um das Thema Geburt und den Geist der Familie dreht. Alles wirkt ein wenig esoterisch, aber nur wirklich ein wenig. Ansonsten wunderschön und so ganz anders.
Ebenfalls aus Kalifornien stammt ein neues Quintett das sich SML nennt, „Small Medium Large“. So heißt auch das Debütalbum von Bassistin Anna Butterss, Tastenmann Jeremiah Chiu, Saxofonist Josh Johnson, Drummer Booker Stardrum und Gitarrist Gregory Uhlmann. Alle fünf zählen zur den Cracks der
Jazz-, Improvisations- und Indie-Musikszene von Los Angeles und spielen hier eine Musik, die auf De- und Rekonstruktionen spontaner Kompositionen basiert. Mit Live Sampling, elektronischen Sounds und Synthesizern entstehen schräge, kleine Musikmomente mit vielen diversen Klängen. Aber die Band kann auch fette, packende Grooves. Sehr spannend diese Kombination.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 55
Neue CDs, kurz vorgestelltSeine Musik ist universal, opulent arrangiert, man hört die Wurzln, die bei Jazz-Heroen wie John Coltrane, Pharoah Sanders oder Sonny Rollins liegen. Nachdem seine Vorgängeralben jeweils um die 180 Minuten lang waren sind es dieses Mal „nur“ knapp 90, verteilt auf zwei CDs. Geblieben ist dieses einzigartige Amalgam aus Spiritual Jazz, Funk, Soul, Gospel oder HipHop, das Saxofonist Kamasi Washington auf „Fearless Movement“ mit einer ganzen Schar an Musikern und Sängern und Rappern seiner kalifonischen Westcoast-Gemeinde zu aufregenden, intensiven, brodelnder, teils episch langen Stücken zusammenrührt. Intellektuelle, aber doch auch sehr zugängliche Musik zum Eintauchen.
Deutlich leichtfüßiger klingt da die Wiesbadener Band Hotel Bosa Nova mit der charismatischen, portugiesisch-indischen Sängerin Liza da Costa. Die Mischung aus Bossa Nova und Jazz, die die Band selbst als „European Bossa Nova“ bezeichnet, kann auch auf „Trés Maneiras“, dem neuesten Album der Band mit dem ungewöhnlichen Akzent auf dem „e“ von „trés“, überzeugen. Denn die immer mit wunderbarer Leichtigkeit, aber dennoch auch mit viel Gefühl singende Liza da Costa schafft im Verbund mit den zwischendurch geschmacklvoll elektronisch angereicherten Sounds Sttücke Msuik zwischen Brasil, Jazz und Pop, die schwungvoll gute lauen machen, aber auch Fans von Balladen auf ihre Kosten kommen lässt.
Die junge Jazzrock-Band Sameka aus Mannheim wildert in 1970er Fusion-Jazz-Sounds, ohne dabei irgendwie altbacken zu klingen. Das muss man erst einmal so hinbekommen. Bassist Simon Zauels, Saxofonist Daniel Buch, Gitarrist Patrick Baumann, Tastenmann Antoine Spranger und Drummer Tobias Frohnhöfer haben das auf „Merlins Reise“ prima gemacht. Die Songs grooven, haben rockigen Biss und dennoch eine herrliche Leichtigkeit und viel Gefühl und machen einfach Spaß. Dass die fünf Jungs hier auch noch einen Oud-Spieler und ein Streichquartett mit an Bord geholt haben, zeigt, wie sehr diese vielversprechende Band voller Ideen steckt und im Hier und Jetzt musiziert.
Eine Novelle als Inspirationsquelle für ein Musikalbum. Der in London geborene und aufgewachsene Pianist Demian Dorelli hat „Flatland“ des britischen Autors Edwin A. Abbott als Ausgangspunlt für sein neues Album genommen - eine Satire auf die Struktur der Viktorianischen Gesellschaft im England des 19. Jahrhunderts als auch ein mathematisches Essay über die vierte Dimension. Zusammen mit der renommierten britischen Cellistin Caroline Dale und der italienischen French Horn-Spielerin Elisa Giovangrandi hat Dorelli ein feinfühliges, romantisches, sehr intimes Musikwerk zwischen Klassik und Jazz geschaffen, das sich auch wunderbar ohne den inhaltlichen Kontext hören lässt.
Fast 20 Jahre hat es gedauert bis die norwegische Sängerin und Pianistin Kristin Asbjørnsen erstmals ein Album mit eigenen norwegischsprachigen Songs herausbringt. Nun ist es soweit. „Hjemveier“ (Wege nach Hause) bietet wunderschöne melodiöse, poetische, intim-sakrale Songs im Gewand von zeitgenössischem nordischen Jazz, der durchzogen ist von nordischer Folklore oder westafrikanischen Rhythmen und Gesang. Für letzteres sorgt unter anderem Gast-Koraspieler und Sänger Suntou Susso aus Gambia, während der Norweger Eivind Aarset auf elektrischen Gitarren und mit Elektronik die Stücke auskleidet.
HANS LÜDEMANN / REINER WINTERSCHLADEN:
„Porgy´s Dream“ (Double Moon)
Der Zauber braucht nicht lange um zu wirken. Es geht eigentlich schon direkt mit den ersten Tönen dieser intimen Duo-Einspielung los. Denn „Porgy´s Dream“ ist ein so beseeltes Album geworden, dass man als Zuhörer nicht anders kann als sich von den Interpretationen von Material aus George Gershwins Oper „Porgy & Bess“ dieser beiden deutschen Klasse-Musiker gefangen nehmen zu lassen. Wie Hans Lüdemann am Piano und Reiner Winterschladen auf der Trompete und am Flügelhorn traumversunken miteinander die zeitlosen Themen Gershwins umspielen, luftig und leicht, aber auch sehnsuchtsvoll und mit viel Tiefgang, das ist schlichweg zauberhaft zu nennen.
BRAD MEHLDAU: „After Bach II“ (Nonesuch) WOLFGANG VALBRUN: „Flawed By Design“ (Jalapeno Records)
Zum Schluss noch ein heißer Tipp für alle Fans von guter, handgemachter Soulmusik. Für die sorgt Wolfgang Valbrun auf seinem Solo-Debütalbum „Flawed By Design“. Als Stimme der Londoner Soulband Ephemerals fiel der New Yorker mit Wohnsitz in Paris schon auf. Jetzt serviert der Sänger mit der so intensiven, durchdringenden Stimme Siebziger Jahre Psychedelic Soul mit einer Prise Deep Funk, Jazz, Gospel und gar Rock vom Allerfeinsten. Musik mit Tiefgang, die unweigerlich berührt, aber zugleich auch bestens unterhält.
Text: Christoph Giese
„Porgy´s Dream“ (Double Moon)
Der Zauber braucht nicht lange um zu wirken. Es geht eigentlich schon direkt mit den ersten Tönen dieser intimen Duo-Einspielung los. Denn „Porgy´s Dream“ ist ein so beseeltes Album geworden, dass man als Zuhörer nicht anders kann als sich von den Interpretationen von Material aus George Gershwins Oper „Porgy & Bess“ dieser beiden deutschen Klasse-Musiker gefangen nehmen zu lassen. Wie Hans Lüdemann am Piano und Reiner Winterschladen auf der Trompete und am Flügelhorn traumversunken miteinander die zeitlosen Themen Gershwins umspielen, luftig und leicht, aber auch sehnsuchtsvoll und mit viel Tiefgang, das ist schlichweg zauberhaft zu nennen.
Brad Mehldau liebt Bach. Auch deshalb beschäftigt sich der Ausnahme-Pianist erneut mit ihm. Bach sei ein Vorbild für ihn als Jazzmusiker, schreibt der US-Amerikaner in den Liner Notes. Und erläutert dass er in seinen improvisierten Soli melodische Phrasen mit harmonischen Implikationen bilden und Harmonie erzeugen möchte. Vier Präludien, eine Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier sowie die Allemande aus der vierten Partita stehen auf dem Programm von „After Bach II“. Dazu kommen noch eigene Kompositionen bzw. Improvisationen, inspiriert von den Goldberg-Variationen des Meister des Barock. Und Mehldau zeigt in den 66 Minuten Gesamtspielzeit dieser CD, wie genial er seine ganz eigenen Klangvorstellungen mit den Vorlagen zusammenbringen kann. Zeitlos schön das Ganze und mit dem einen oder anderen Überraschungsmoment gewürzt.
Zum Schluss noch ein heißer Tipp für alle Fans von guter, handgemachter Soulmusik. Für die sorgt Wolfgang Valbrun auf seinem Solo-Debütalbum „Flawed By Design“. Als Stimme der Londoner Soulband Ephemerals fiel der New Yorker mit Wohnsitz in Paris schon auf. Jetzt serviert der Sänger mit der so intensiven, durchdringenden Stimme Siebziger Jahre Psychedelic Soul mit einer Prise Deep Funk, Jazz, Gospel und gar Rock vom Allerfeinsten. Musik mit Tiefgang, die unweigerlich berührt, aber zugleich auch bestens unterhält.
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FAST TRACKS Volume 54
Neue CDs, kurz vorgestellt
Komplex ist ihre Musik, ungerade Metren liebt sie, auch den Wechsel von krummen Takten innerhalb eines Stückes. So ist der Albumtitel ihrer zweiten Platte mit ihrem Trio mit Bassist Lorenz Heigenhuber und Schlagzeuer Maximilan Stadtfeld entsprechend gewählt. Die gebürtige Russin, nun aber schon länger in Leipzig lebende Pianistin und Komponistin Olga Reznichenko schreibt und spielt eine intensive, soghafte Musik voller verschlungener Ideen und in die komponierten Strukturen eingeflochtenen Improvisationen. Höchst spannend!
Der Albumtitel und das Album markieren einen Wechsel für die Schweizer Sängerin und Komponistin Gabriela Martina. Über zehn Jahre hat sie in den USA gelebt, ist nun aber wieder in Europa. „States“ beleuchtet diese Periode, aber blickt auch allgemein auf die Gesellschaft und auf Emotionen beim Blick auf die Welt. Das alles verpackt die Schweizerin mit ihrer erstklassigen Band, zu der US-Akkordeonist Ben Rosenblum und der finnische Gitarrist Jussi Reijonen gehören, in packende Jazzsongs, teils mit Popfaktor, die zwischendurch auch wunderbar ihre alpinen Wurzeln durchschimmern lassen.
Der in Stockholm lebende Pianist Adam Forkelid kann bereits auf zwei Jahrzehnte Karriere zurückblicken. Mit „Turning Point“ präsentiert der Schwede nun ein feines, im Quartett eingespieltes Album. Zusammen mit Gitarrist Carl Mörner Ringström, Bassist Niklas Fernqvist und Schlagzeuger Daniel Fredriksson zelebriert der hierzulande nicht so bekannte Pianist einen melodieverliebten, nuancenreichen, eleganten New Nordic Jazz, mit melancholischen, aber auch sanft schwingenden und zupackenden, rockigen Momenten.
Eigentlich sollte dieses Album eien Studioaufnahme werden. Alle Stücke waren eingespielt. Doch dann gab das Quartett des Saxofonisten Fabian Dudek ein Konzert in Köln, das solch eine Energie entwickelte, dass man beschloss diesen Gig anstelle der Studioaufnahmen als CD zu veröffentlichen. Was Dudek, Pianist Felix Hauptmann, Bassist David Helm und Schlagzeuger Fabian Arends hier gemeinsam hinlegen, ist atemberaubende Musik mit krummern Metren, gegen traditionelle Normen gespielt, zwar mit klaren harmonischen Strukturen ausgestattet, aber mit offenen Freiräumen versehen, die zu wilden Ausbrüchen und Improvisationen geradezu einladen. Das Ergebnis ist ein expressiver, dichter, beinahe unlimitierter, zeitgenössischer Jazz der Extraklasse.
EVITA POLIDORO: „Nerovivo“ (Tŭk Music)
In Italien ist Francesco Ponticelli einer der angesehendsten Kontrabassisten. Mit einer Besetzung mit Gesang, Harpe, Gitarre, einem Streichquartett und Electronics und einem Mix aus notiertem und improvisiertem Material kreiert der Italiener auf „Megapascal“ eine eigenwillige, eiegnständige, melodisch schwebende, bildhafte Jazzmusik. Ebenfalls aus Italien stammt die Schlagzeugerin und Vokalistin Evita Polidoro, die schon bei Dee Dee Bridgewater oder Enrico Rava getrommelt hat. „Nerovivo“ ist ihr Debüt als Bandleaderin. Ein Debüt im Trio mit zwei Gitarristen, aber auch zwei weiteren Musikern, die mit Samplern und Synthesizern schillernde Klangfarben hinzufügen zu Polidoro´s gefühlvollem Post-Rock-Ambient-Jazz
KOPPEL / BLADE / KOPPEL: „Time Again“ (Cowbell Music)
Mit gleich zwei neuen Alben ist der Altsaxofonist Benjamin Koppel am Start. Die absurde Realität von Krieg und Zerstörung im Zentrum des menschlichen Handelns hat der Däne anhand von Texten des französischen Dichters Apollinaire und zwei aktuellen dänischen Dichtern auf „Story Of Mankind – A Requiem“ in Töne gesetzt. In eindringliche Jazzmusik, die Koppel in Septettbesetzung mit dem US-Trompeter Randy Brecker oder der dänischen Sängerin Frederikke Vedel spielt. Eine gefühlvolle, emotionale musikalische Totenmesse, die unter die Haut geht. „Time Again“ hat der Däne zusammen mit seinem Vater Anders Koppel an der Hammond B3 und US-Schlagzeuger Brian Blade aufgenommen. Die Stücke stammen bis auf eine Ausnahme von Koppel senior und junior. Es geht groovig und mit viel Intensität zur Sache, aber auch mal hochemotional mit gedämpftem Schwung. Wer Orgeltrios mag, wird seine helle Freude an dieser großartigen, beseelten Einspielung haben.
„Rosalie´s Dream“ (Double Moon)
66 Jahre an vorderster Jazzfront, 88 Lebensjahre – Joe Haider kann bereits auf ein langes (Musiker-)Leben zurückblicken. Und präsentiert sich auf „Rosalie´s Dream“ dennoch taufrisch. Mit seinem Trio mit Bassist Lorenz Beyeler und Drummer Tobias Friedli sowie dem Amigern String Quartet hat der deutsche Pianist und Komponist aus der Schweiz ein feines Album eingespielt, mit eigenen Stücken und zwei Nummern von Duke Ellington, darunter der Opener „Caravan“, das in diesem Arrangement von Joe Haider wunderbar swingenden Jazz mit der Eleganz eines Streichquartett perfekt kombiniert. So elegant und swingy, und auch mal verträumt, geht die Einspielung auch weiter, mit sieben Musikern die nahtlos miteinander zu agieren verstehen.
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FAST TRACKS Volume 53
Neue CDs, kurz vorgestellt„Stéphane Galland The Rhythm Hunters“ (Challenge)
„Rhythmusjäger“ nennt der belgische Drummer Stéphane Galland seine Band. Und ja, Rhythmen haben es seinem internationalen Sextett angetan. Solche aus Afrika, Indien oder dem Balkan, immer hübsch eingebettet in einen aufregenden Jazzkontext. Mit drei Bläsern, Klavier und E-Bass hat Galland mächtig Dampf an seiner Seite und erschafft gemeinsam mit seinen Mitstreitern Stücke, die harmonisch ebenfalls einiges zu bieten haben und auch melodisch gefallen.
Jazziger Funk, wie er besser kaum geht – das liefert das Musikerkollektiv Ghost-Note rund um die beiden Snarky Puppy-Schlagwerker Robert Sput Searight und Nate Werth zuverlässig ab. Auch auf ihrem neuen Album. Mit von der Partie sind hier etwa noch Bassmann MonoNeon und illustre Gäste wie E-Bass-König Marcus Miller, Keyboarder Bernard Wright, Karl Denson an der Flöte oder der kürzlich viel zu früh verstorbene Saxofonist Casey Benjamin. Messerscharfe Bläser, ein permanenter Groove und eine gelegentliche String Section sorgen hier durchgängig für viel Spielfreude.
Hinter dem Bandnamen Mega Mass stecken der Schweizer Gitarrist Théo Duboule, der französische Schlagzeuger Quentin Cholet und der deutsche Saxofonist Fabian Willmann. Alle drei noch jungen Musiker leben in Berlin-Neukölln und spielen auf ihrem Debütalbum „Murmurs and Wails“ eigene, bis auf eine Ausnahme selbst geschriebene Musik, die sich um Genregrenzen nicht kümmert, mit gängiger Ästhetik arbeitet, diese aber immer wieder spannend aufbricht um sich ohne Scheu frei zwischen komponierten Strukturen und freien Improvisationen zu bewegen. Absolut hörenswert!
Gegründet hat dieses Ensemble Andreas Weiser, der viel in Brasilien unterwegs war. Mit Conexão Berlin hat der Berliner Perkussionist seiner Liebe für die brasilianische und südamerikanische Musik, aber auch für den Jazz eine Plattform geschaffen, die viel Spaß macht. Denn mit dem Pianisten Tino Derado oder dem schwedischen Trompeter Christian Magnusson hat Weiser Leute an seiner Seite, die genau zwischen diesen musikalischen Welten zu agieren verstehen. Alles klingt hier wie selbstverständlich. Und wie das um den Gast-Saxofonisten Max Hacker erweiterte Quintett seine emotional geprägte Musik zwischen Südamerika und Jazz spielt ist einfach wunderbar.
Welche Sensibiltät, wieviel Gefühl und welche Wahnsinnsstimmung kreiert dieses Trio nur in „Autumn Rhythm“! Dieses Stück ist eine von 15 Eigenkompositionen von Bassist Lennart Ginman, Schlagzeuger Thomas Blachman und Pianist Carsten Dahl auf ihrem neuen Album. Und die drei renommierten Dänen zeigen in dieser Nummer, dass mit wenig gespielten Noten perfektes Herbstfeeling nachgezeichnet werden kann. Und zwar so, dass man sich auf so einen Herbst freut. Als Trio GinmanBlachmanDahl zelebrieren die Dänen auf „What´s To Come“ ihr auch klanglich zauberhaftes Triospiel, huldigen ihren Jazzhelden, um aber immer mit persönlicher Note zu musizieren. Mal in sich gekehrt und minimalistisch, mal freudig swingend.
„Aldebaran“ ist bereits ihr füntes Album als Bandleaderin, aber das erste in dieser Sextett-Besetzung. Neben zwei Saxofonisten und Trompeter Tomasz Dabrowski hat die dänische Pianistin, Komponistin und Arrangeurin Kathrine Windfeld hier noch ein Rhythmusduo mit Bass und Schlagzeug am Start. Und spielt auf dem nach dem hellsten Stern im Sternbild Taurus benannten Album eine Musik, der man schon anhört, dass Windfeld viel mit Bigbands gearbeitet hat. Aber die kleinere Sextett-Besetzung bietet ihr hier persönlich als Pianistin mehr Raum sich als feine Klangmalerin und Improviatorin zu zeigen.
(Elemental Music)
MAL WALDRON & STEVE LACY: „The Mighty Warriors – Live In Antwerp“ (Elemental Music)
SONNY ROLLINS: „Freedom Weaver: The 1959 European Tour Recordings“ (Resonance Records)
Zum Schluss noch ein paar Legenden mit bislang unveröffentlichten Aufnahmen. Klangvolle Namen des Jazz, die mit Ausnahme des 93-Jährigen Sonny Rollins, der krankheitsbedingt im Ruhestand ist, allesamt schon im Jazzhimmel weilen, hier aber noch einmal zeigen welch prägende und ganz eigen klingende Musiker sie doch waren. Wie der Flötist und Saxofonist Yusef Lateef, hier 1972 im Quartett mit Pianist Kenny Barron, der gerade erst als „Künstler des Jahres International“ mit dem deutschen Jazzpreis ausgezeichnet wurde, im französischen Avignon zu hören. Auch das sparsame, eindringliche, repetivite und perkussive Klavierspiel von Mal Waldron, hier im Quartett mit Saxofonist Steve Lacy 1995 in Antwerpen, noch einmal erleben zu können – wunderbar. Und der Saxofonkoloss Sonny Rollins mit den ältesten Aufnahmen, aufgenommen auf seiner Europatournee 1959, zeigt hier auf gleich 3CDs, welch kraftvoller, melodischer und einfallsreicher Musiker und Improvisator er doch war.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 52
Neue CDs, kurz vorgestellt
OLIVIER LE GOAS: „Sunland“ (Double Moon)
Ziemlich raffinierten Klaviertrio-Jazz serviert uns hier der französische Schlagzeug-Veteran Olivier Le Goas mit seinem neuen Trio, das er zusammen mit dem estnischen Pianisten Kristjan Randalu und dem jungen Schweizer Bassisten Lukas Traxel betreibt. Schon im ziemlich vertrackten Opener von „Sunland“, dem Stück „Good To Be Back“, das vom ersten Satz von Vivaldis „Konzert für zwei Violinen in a-moll“ inspiriert ist, kann Le Goas seine Liebe zu diversen komplexen Metren voll ausleben. Und raffinierte Rhythmuskonzepte, aber auch poetische Momente, prägen das weitere Album. Dieses Trio musiziert mit viel Schwung und Finesse in den zwölf Songs von le Goas, in denen es viel zu entdecken gibt.
MARIA MAZZOTTA: „Onde“ (Zero Nove Nove)
Aus Apulien stammt die Sängerin Maria Mazzotta. Eine kleine Frau mit starker Stimme. Auf ihrer neuen Platte „Onde“ interpretiert die Italienerin traditionelle süditalienische Folklore-Songs ihrer Heimat, eingebettet in zeitgenössischen Klangbildern und mit der Kraft eines Rock-Trios. Zusammen mit Schlagwerker Cristiano Della Monica und Ernesto Nobili auf E- und Bariton-Gitarre sowie ein wenig Elektronik und zwei Gästen auf zwei Songs klingen diese Songs total frisch, auch weil hier viele unterschiedliche musikalische Einflüsse in die Songs eingewebt sind. Ihre Sanftheit beim Singen hat sich Maria Mazzotta aber nach wie vor bewahrt. So ist „Onde“ eine eindrucksvolle Werkschau ihres Könnens geworden.
MARKUS STOCKHAUSEN GROUP: „Celebration“ (o-tone music)
Nach zwei Aben mit jeweils drei CDs legt Markus Stockhausen nun mit „Celebration“ mit einem Doppelalbum nach. Somit gibt es immer noch jede Menge frische Musik von dem Trompeter zu hören. Seine feste Band mit Tastenmann Jeroen van Vliet, Cellist Jörg Brinkmann und Schlagwerker Christian Thomé wird hier durch sechs Gäste verstärkt. Mit Levan Andria gibt es einen zweiten Cellisten, Bodek Janke spielt unter anderem auch Tablas, Tamara Lukasheva und Rabih Lahoud leihen ihre Stimmen. Und auch Gitarrist Nguyên Lê ist hier gewohnt jazzrockig zu hören in Stockhausens vielfach lyrischer und atmosphärisch dichter Jazzwelt, die stilistisch bunt leuchtet, viele Klangfarben parat hält und zwischendurch richtig kraftvoll nach vorne geht.
AKI TAKASE & DANIEL ERDMANN: „Ellington“ (enja yellowbird)
Ellington einmal anders. Stücke des großen Duke und welcher aus anderer Feder, aber aus seinem Repertoire, haben sich der deutsche Saxofonist Daniel Erdmann und die japanische Pianistin Aki Takase für ihr intimes Duoalbum vorgenommen. Beide kennen sich schon seit den 1990ern und arbeiten seit ein paar Jahren immer wieder mal als Duo zusammen. Freier, eigener Ausdruck und viel Gespür und eine große Liebe zur Jazztradition – zwischen diesen Polen musiziert der kongeniale Zweier hier, webt bekannte Themen geschickt in wildes klangliches Terrain ein, berührt aber auch mit seelenvollen Momenten. Eine durchgängioge Entdeckugsreise.
JOOST ZOETEMAN – PAULUS SCHÄFER: „Fratellanza“ (Challenge)
Zwei Gitarreros, die sich im Gypsy Jazz wohlfühlen, aber auch Italiens oder Brasiliens Klangwelt mögen. Ihren Wes Montgomery sowieso. Und so lassen es Joost Zoeteman und Paulus Schaefer hier auch ordentlich swingen und geben dabei immer „100%“ – so der Titel des feurigen Openers von „Fratellanza“. Der Albumtitel bedeutet auf Deutsch übrigens „Brüderlichkeit“. Und so agieren die beiden Gitarrenfreunde hier auch, als echte Brüder im Geiste und ohne jegliche Ambitionen, den jeweils anderen übertreffen zu wollen. Jasper Somsen am Kontrabass und Schlagzeuger Wim De Vries komplettieren den holländischen Vierer und sorgen entscheidend mit dafür, dass das Ganze hier richtig viel beim Zuhören macht.
SHABAKA: „Perceive Its Beauty, Acknowledge Its Grace“ (Impulse!)
Seine Saxofone hat er für unbestimmte Zeit beiseite gelegt (fast, denn einmal spielt er hier doch ein wenig Saxofon), seine Bands wie Comet Is Coming oder Sons Of Kemet lässt er erst einmal ruhen. Der Brite Shabaka Hutchings, der jetzt lediglich unter seinem Vornamen Shabaka sein neues Album eingespielt hat, liefert mit „Perceive Its Beauty, Acknowledge Its Grace“, ein kontemplatives Werk ab, auf dem er diverse Flöten und Klarinette spielt. Begleitet von Gästen wie dem Pianisten Jason Moran, Drummer Nasheet Waits, Bassistin Esperanza Spalding, den Harfenisten Charles Overton und Brandee Younger oder diversen Vokalisten, kreiert Shabaka hier ungewöhnliche, eindringliche, meditative Klangbilder.
Text: Christoph Giese
JONAS TIMM: „Narcis“ (Double Moon)
Fein was der Leipziger Pianist Jonas Timm hier mit seinem vorzüglichen Septett auf „Narcis“ eingespielt hat, nämlich ein Latin Jazz-Album allererster Güte. Eines, das moderne, jazzige Latinarrangements in den fast ausschließlich vom Bandleader komponierten Stücke mit ungezwungener Lässigkeit verbindet, auch wenn die Stücke selbst schon auch komplizierte Strukturen aufweisen. Aber dennoch gelingt es dem Ensemble, zu dem etwa Posaunist Johannes Lauer, Akkordeonist Tino Derado oder die beiden fantastischen Perkussionisten Robby Geerken und Diego Piñera gehören, packende Songdramturgien mit Leichtigkeit zu verquicken.Ziemlich raffinierten Klaviertrio-Jazz serviert uns hier der französische Schlagzeug-Veteran Olivier Le Goas mit seinem neuen Trio, das er zusammen mit dem estnischen Pianisten Kristjan Randalu und dem jungen Schweizer Bassisten Lukas Traxel betreibt. Schon im ziemlich vertrackten Opener von „Sunland“, dem Stück „Good To Be Back“, das vom ersten Satz von Vivaldis „Konzert für zwei Violinen in a-moll“ inspiriert ist, kann Le Goas seine Liebe zu diversen komplexen Metren voll ausleben. Und raffinierte Rhythmuskonzepte, aber auch poetische Momente, prägen das weitere Album. Dieses Trio musiziert mit viel Schwung und Finesse in den zwölf Songs von le Goas, in denen es viel zu entdecken gibt.
Aus Apulien stammt die Sängerin Maria Mazzotta. Eine kleine Frau mit starker Stimme. Auf ihrer neuen Platte „Onde“ interpretiert die Italienerin traditionelle süditalienische Folklore-Songs ihrer Heimat, eingebettet in zeitgenössischen Klangbildern und mit der Kraft eines Rock-Trios. Zusammen mit Schlagwerker Cristiano Della Monica und Ernesto Nobili auf E- und Bariton-Gitarre sowie ein wenig Elektronik und zwei Gästen auf zwei Songs klingen diese Songs total frisch, auch weil hier viele unterschiedliche musikalische Einflüsse in die Songs eingewebt sind. Ihre Sanftheit beim Singen hat sich Maria Mazzotta aber nach wie vor bewahrt. So ist „Onde“ eine eindrucksvolle Werkschau ihres Könnens geworden.
Nach zwei Aben mit jeweils drei CDs legt Markus Stockhausen nun mit „Celebration“ mit einem Doppelalbum nach. Somit gibt es immer noch jede Menge frische Musik von dem Trompeter zu hören. Seine feste Band mit Tastenmann Jeroen van Vliet, Cellist Jörg Brinkmann und Schlagwerker Christian Thomé wird hier durch sechs Gäste verstärkt. Mit Levan Andria gibt es einen zweiten Cellisten, Bodek Janke spielt unter anderem auch Tablas, Tamara Lukasheva und Rabih Lahoud leihen ihre Stimmen. Und auch Gitarrist Nguyên Lê ist hier gewohnt jazzrockig zu hören in Stockhausens vielfach lyrischer und atmosphärisch dichter Jazzwelt, die stilistisch bunt leuchtet, viele Klangfarben parat hält und zwischendurch richtig kraftvoll nach vorne geht.
Ellington einmal anders. Stücke des großen Duke und welcher aus anderer Feder, aber aus seinem Repertoire, haben sich der deutsche Saxofonist Daniel Erdmann und die japanische Pianistin Aki Takase für ihr intimes Duoalbum vorgenommen. Beide kennen sich schon seit den 1990ern und arbeiten seit ein paar Jahren immer wieder mal als Duo zusammen. Freier, eigener Ausdruck und viel Gespür und eine große Liebe zur Jazztradition – zwischen diesen Polen musiziert der kongeniale Zweier hier, webt bekannte Themen geschickt in wildes klangliches Terrain ein, berührt aber auch mit seelenvollen Momenten. Eine durchgängioge Entdeckugsreise.
Zwei Gitarreros, die sich im Gypsy Jazz wohlfühlen, aber auch Italiens oder Brasiliens Klangwelt mögen. Ihren Wes Montgomery sowieso. Und so lassen es Joost Zoeteman und Paulus Schaefer hier auch ordentlich swingen und geben dabei immer „100%“ – so der Titel des feurigen Openers von „Fratellanza“. Der Albumtitel bedeutet auf Deutsch übrigens „Brüderlichkeit“. Und so agieren die beiden Gitarrenfreunde hier auch, als echte Brüder im Geiste und ohne jegliche Ambitionen, den jeweils anderen übertreffen zu wollen. Jasper Somsen am Kontrabass und Schlagzeuger Wim De Vries komplettieren den holländischen Vierer und sorgen entscheidend mit dafür, dass das Ganze hier richtig viel beim Zuhören macht.
Seine Saxofone hat er für unbestimmte Zeit beiseite gelegt (fast, denn einmal spielt er hier doch ein wenig Saxofon), seine Bands wie Comet Is Coming oder Sons Of Kemet lässt er erst einmal ruhen. Der Brite Shabaka Hutchings, der jetzt lediglich unter seinem Vornamen Shabaka sein neues Album eingespielt hat, liefert mit „Perceive Its Beauty, Acknowledge Its Grace“, ein kontemplatives Werk ab, auf dem er diverse Flöten und Klarinette spielt. Begleitet von Gästen wie dem Pianisten Jason Moran, Drummer Nasheet Waits, Bassistin Esperanza Spalding, den Harfenisten Charles Overton und Brandee Younger oder diversen Vokalisten, kreiert Shabaka hier ungewöhnliche, eindringliche, meditative Klangbilder.
BENNY TROSCHEL: „Folksmusik“ (Berthold)
Was für eine Idee! Mit seinem New York Quintet neu arrangierte deutsche Volkslieder einzuspielen und mit seinem Cologne Septet US-amerikanischen Folk Songs neues Leben einzuhauchen. Benny Troschel hat genau das gemacht und zwar auf einem einzigen Album. Der junge deutsche Trompeter hat in Deutschland und New York studiert, fühlt sich in beiden Ländern wohl. Und seine Arrangements beweisen neben viel Kreativität auch seinen Blick in die moderne Musikwelt. Etwa mit seiner hiphoppigen, coolen Version des afroamerikanischen Spirituals „Ezekiel Saw The Whel“. Und das bekannte deutsche Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ als superentspannten, jazzigen Bossa Nova zu spielen – einfach hinreißend!_____________________________________________________________________________________________
Rezession:
Der italienische Komponist Pianist Alessandro Sgobbio mit seiner neuen CD „PIANO MUSIC 2“
Schon da erstaunten mich seine Kompositionen die voller raffinierter Ideen und von unglaublicher Sensibilität und Kraft waren.
Nun ist seine neue CD „PIANO MUSIC 2“ erschienen und überrascht damit, das sie ein ziemlich völliger Gegensatz zu seiner ersten Solo CD „PIANO MUSIC“ ist.
An Bord ist nun auch viel Elektronik und hier zeigt sich seine große Begabung Beides zu einem Ganzen zu verquicken.
Hier ein Zitat von Alessandro Sgobbio:
"Ich empfinde es als eine so extrem kraftvolle Erfahrung, am Klavier zu sitzen, die Augen zu schließen und ein Lied zu spielen, das einer geliebten Person, einem Ort oder einem Thema gewidmet ist. Jedes Stück ist wie ein offenes Reisetagebuch, in dem der Komponist, der Zuhörer und die Person, der Ort oder das Thema, dem die Musik gewidmet ist, zusammenkommen, meditieren, heilen, sein können."
Alle Kompositionen sind sehr persönlich und zum größten Teil mit Menschen, Orten oder Namen verbunden die ihm sehr nahe stehen. Das ist nur möglich indem man mit diesen Menschen, Orten und Namen eine spirituelle Verbundenheit hat.
Wir erleben und hören hier Klangmelodien und Klangsequenzen die zur Meditation einladen und uns in andere Räume schweben lassen.
Seine Melodien gehen direkt ins Innere, aus seinem Inneren in das Innere des Zuhörers und man schwebt augenblicklich in eine andere Welt des Hörens.
Diese Einspielung ist ein Muss für jeden der sich für Momente aus unserer verzweifelten Welt, in Momente eines seelischen Ausgleichs versetzten möchte.
Mein Favorit: „Tula“
Text: Kurt Rade, Photos: Jeff Sales
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FAST TRACKS Volume 51
Neue CDs, kurz vorgestellt
Die Stimme: unverkennbar. Und auf „Psychedelic Rio“ bleibt sich der Sänger, Gitarrist und Komponist Vinicius Cantuaria auch sonst treu, verpasst der Brasilianer der Musik seiner Heimat einmal mehr einen frischen Anstrich. Dieses Mal mit den beiden Italienern Paolo Andriolo am E-Bass und Roberto Rossi am Schlagzeug. Hier musiziert ein Powertrio mit elektrischer Fender-Gitarre in intensiv-kraftvoller Manier, das in der von Cantuaria komponierten lakonischen Ballade „Berlin“ oder dem Brasil-Klassiker „Insensatez“ aber auch mal zart klingen kann.
Musikalisch auf den Spuren einer Cesária Évora hat Nancy Vieira dennoch ihren eigenen Weg gefunden. Auf poetische Art und Weise singt die kapverdische Sängeri, die schon als Teenager nach Lissabon zog, Lieder voller Sehnsucht, Schmerz, Enttäuschung und Heimweh. Mit sanfter, klarer Stimme nehmen Nancy Vieira und ihre Klassemusiker den Zuhörer mit ihren Mornas, Coladeiras oder Funanás auf Reisen durch die kapverdische Musik, die sich ja aus vielen lusophonen Ländern speist. Mal melancholisch, mal beschwingt und mit viel Seele ist „Gente“ ein zauberhaftes Album geworden.
Auch wenn sie in diesem Jahr bereits ihren 40. Geburtstag feiert, erschien erst vor vier Jahren ihr Debütalbum, das prompt für den Portuguese Music Award als bestes Fado-Album nominiert wurde. Jetzt ist mit „Desassossego“ der Nachfolger da. Und die im Alentejo aufgewachsene Sängerin und hier auch Songschreiberin Matilde Cid interpretiert den Fado sehr facettenreich, auch wenn der Link zur Tradition des Genres spürbar ist. Aber Cid ergeht sich auf diesem Album nicht im Weltschmerz und hat neben wunderschönen melancholischen Momenten auch kraftvolle Beschwingtheit in ihrem repertoire. Starke Stimme, starke Songs, hörenswertes Album.
Ein Genfer Gitarrist mit honduranischen Wurzeln, das ist Louis Matute, der hier mit einer insgesamt dreizehnköpfigen Mannschaft ein zauberhaftes, luftig-leicht klingendes Album eingespielt hat, das auf seine Wurzeln in Honduras blickt, aber sich ebenso begeistert zeigt von den Klängen Brasiliens. Jazz, Folk, Pop und Latin, hier finden diese Genres total organisch zueinander. Klischees werden erfreulicherweise vermieden, denn alles klingt total frisch, eigenständig und frabenfroh und zudem kompositorisch spannend und ausgefeilt. Großartig!
Jede Menge Musik hält Moisés P. Sánchez bereit auf seinem neuen Album, satte 70 Minuten, verteilt auf neun Songs. Der spanische Pianist und Komponist und seine Band haben einfach viel zu erzählen in seinen sorgfältig komponierten Stücken Jazzmusik, die vielfältige, ganz unterschiedliche musikalische Landschaften entstehen lassen. Schließlich ist Sánchez ja auch vielseitigst interessiert, hat in den letzten Jahren etwa Strawinksy neu interpretiert, als Produzent unter anderem für Shakira gearbeitet und ist Fan von Chick Corea, der ja ebenfalls sehr neugierig und offen war.
Sein Debütalbum als Bandleader hat der Saxofonist Moritz Stahl im Quintett mit gefragten Musikern der jungen deutschen Jazzszene wie dem Drummer Leif Berger oder dem Pianisten Julius Windisch eingespielt. Musikalisch zeigen sich Stahl und seine Mitstreiter auf „Traumsequenz“ sehr vielschichtig und vielseitig interessiert. Die fünf Musiker versuchen sich daran die Grenzen von Harmonik und Polyrhythmik neu auszuloten und auch sich gegenseitig Raum zu geben und sich Zeit zu lassen. Mit offenen Improvisationen und mit offenem Visier, mit vielen Sound- und Rhythmusideen, aber dabei doch immer auch eine gewisse Eingängigkeit der Musik nicht außer Acht zu lassen.
Lässig, swingy, auch mal tanzbar, aber immer gute Laune verbreitend, das sind De-Phazz, das langjährige Projekt des Heidelberger Klangtüftlers und Collagenkünstlers Pit Baumgärtner. Warum dieses Projekt schon so viele Jahre so gut funktioniert, zeigen einmal mehr die „Pit Sounds“. Baumgärtner hat einfach ein Händchen dafür alte Sounds, Beats und Stimmen zusammenzuschnüren, wo man das genau so nicht unbedingt erwartet. Musiker wie der Trompeter Joo Kraus ergänzen im Studio die Klangideen des Meisters. Die nächste Cocktail-Party kann kommen, den Soundtrack dazu liefern De-Phazz.
Diese Frau ist eine Entdeckung! Denn was Louise Jallu zusammem mit ihrem sechsköpfigen Ensemble auf ihrem dritten Album „Jeu“ zu Gehör bringt, ist abenteuerlich, unerwartet und einfach wunderbar. Denn die französische Bandoneonspielerin lässt sich hier von so unterschiedlichen Musikgrößen wie George Brassens, Ravel oder Bach inspirieren um daraus ihre ganz eigene, sinnlich- lebhafte und kunterbunte (Jazz-)Musik zu kreieren. Natürlich immer mit dem Bandoneon im Fokus. Aber auch ihre Mitstreiter, fantastisch der Geiger Mathias Lévy und Gitarrist Karsten Hochapfel, bekommen ihre Räume. Und eine Milonga mit Blues zu paaren, wie Jallu das hier macht, auf diese Idee muss man erst einmal kommen.
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FAST TRACKS Volume 50
Neue CDs, kurz vorgestelltJoris Dudli weiß wie man swingt. Der Schweizer Schlagzeuger hat Swing und Bop einfach drauf, wie man auf „Boundaries Expanded“ hören kann. Ein Album mit Eigenkompositionen und Jazzstandards, auf dem sich jede Menge bekannte Jazzer tummeln, wie man schon auf dem CD-Cver nicht übersehen kann, auf dem man Namen wie Wallace Roney, Eric Alexander, Vincent Herring, Peter Bernstein oder Dave Kikoski liest. Alles Top US-Jazzer, die Dudli während seines Aufenthaltes in New York in den 1980er und 1990er kennengelernt hat.. Auf seinem zweiten eigenen Album steht der Schweizer aber nicht nur als versierter Drummer im Fokus. Denn ein paar Mal legt er die Drumsticks zur Seite, lässt dann andere wie Joe Farnsworth trommeln, während er selbst dann singt. Etwas was Dudli schon immer machen wollte, aber vielleicht doch lieber nur für den Privatgebrauch gelassen hätte. Denn mit seiner eher dünnen und limitierten Stimme kann er nicht wirklich überzeugen und den Songs einen eigenen Stempel aufdrücken.
Skandinavischer Jazz trifft auf New Orleans – die beiden Finnen Timo Lassy, Tenorsaxofon, und Jukka Eskola, Trompete, reisten gemeinsam nach New Orleans und nahmen dort „Nordic Stew“ auf, mit Musikern der dortigen Jazzszene wie Pianist David Torkanowsky, Tubaspieler Kirk Joseph oder Posaunist Delfeayo Marsalis. In einer dreitägigen Studio-Session wurden die zehn von dem finnischen Duo komponierten Stücke aufgenommen. New Orleans-Grooves, Afrobeat, nordischer Jazz und sogar eine Samba vermischen sich zu einem spannenden, quicklebendigen, lebensfrohen Sound, der an jeder Stelle dieses Albums viel Spaß beim Zuhören bereitet.
Im Untertitel heißt dieses Album „Songs Of Human-Animal Encounters“, auf dem Cover nimmt ein kleines Mädchen einen Riesen-Elefanten in den Arm, soweit das möglich ist. Alle acht Songs auf „Antropomorfi“ hat Knut Reiersrud der Persönlichkeit eines Tieres gewidmet, das mit dem Menschen in Kontakt gekommen ist, was nicht immer zum Vorteil für das Tier wurde. Bis auf eine Ausnahme geschieht das rein instrumental. Der norwegische Gitarrist und seine erstklassig besetzte Band schaffen hier auch ohne Worte starke Klangbilder, bei denen man vielleicht nicht unbedingt erkennt, welches Tier gerade musikalisch porträtiert wird. Aber die gitarrenlastige Musik zwischen funkigem Jazz, Rock oder R&B ist auch so einfach klasse.
Ätherisch schwebende Klänge, zarte elektronische Sounds und Samples – der in Schweden lebende, türkische Duduk-Spieler Canberk Ulaş nimmt den Zuhörer mit auf magische Klangreisen auf seinem Solo-Duduk-Album, auf dem er gelegentlich Unterstützung erhält von den Norwegern Arve Henriksen, Eivind Aarset, Jan Bang, Bugge Wesseltoft oder der Sängerin Benedikte Kløw Askedalen. Alte türkische, anatolische, armenische und osmanische Musik verweben auf „Echoes Of Becoming“ mit experimentellen Mitteln zu einer transzendenten, betörenden Musikmischung, die schon allein durch die eindringlichen Klänge des Holzblasinstrumentes Duduk tief berühren.
Geboren und aufgewachsen als Kind nigerianischer Eltern in Italien, Studium in Wales und der Schweiz, wo sie jetzt lebt – die Sängerin, Pianistin und Komponistin Afra Kane macht genau so Musik, über Grenzen hinweg. Mit einer hörbar klassischen Klavierausbildung im Gepäck interessiert sich die junge Künstlerin auch für Jazz, Soul, R&B oder auch den Ibo-Gospel Nigerias. Und all das hört man in den zwölf allesamt selbstgeschriebenen, lässigen Stücken von „Could We Be Whole“. Afra Kane, ein Neo-Soul-Jazztalent mit samtener Stimme, von der man noch viel hören wird.
Auch das Pariser Sextett Principles Of Joy feiern den Soul. Ihr Mix aus Northern Soul der 1960er Jahre, Blaxploitation, Funk, Midtempo oder Dance Soul klingt zwar schon irgendwie retro, aber dennoch auch ganz aktuell. Der warme, organische Sound, die Klasse-Songs und Arrangements, mit tollen Bläserlinien, aus der Feder von Tastenmann Ludovic Bors im Verbund mit den starken Songtexten von Labelchefin Christelle Amoussou, dazu die charismatische Stimme von Sängerin Rachel Yarabou – fertig ist ein zeitlos schönes Soulalbum allererster Güte.
Beschwingt, ja einfach sehr positiv klingt das neue Album von Fabio Gouvea. Der brasilianische Gitarrist und auch Flötist mit Wohnsitz Basel setzt in den neun Kompositionen auf „Desvio“, die er zusammen mit Vibrafonist Jorge Rossy, Saxofonist und Klarinettist Charley Rose, Bassist Thiago Alves und Perkussionist Paulo Almeida eingespielt hat, völlig ohne Umleitung (was „Desvio“ auf Deutsch bedeutet) und ganz natürlich auf die vielfältigen Rhythmen seiner Heimat, die er geschickt mit Jazz verwebt. Mit tänzelnden, luftigen Melodien, mit gefühlvollem Zusammenspiel, einfach mit einer Leichtigkeit und dennoch viel Raffinesse.
Siebzehn Musiker sind beteiligt. Bläser, Streicher, Rhythmusgruppe, Gitarre, Gesang, aber kein Klavier. Der inzwischen in der Schweiz heimisch gewordene deutsche Holzbläser und Komponist Niko Seibold hat mit „Grow With The Flow“ ein gefühlvoll orchestriertes Album voller farbenreicher, auch folkloristischer Momente geschaffen. Aber es ist und bleibt eine Jazzproduktion, die den Hörer sanft mitnehmt auf schillernde Klangreisen.
Seit vier Jahren ist die viel zu früh verstorbene Gitarristin und Komponistin Susan Weinert nun schon tot. Ihr Ehemann und langjähriger muskalischer Partner, der Bassist Martin Weinert, hat jetzt acht ihrer Kompositionen, die die Saarländerin größtenteils in den Wochen vor ihrem Tod geschrieben hat, in Quartettbesetzung eingespielt. Im Fokus steht dabei die französische Violinistin Héloïse Lefebvre mit ihrem berührenden Spiel, dabei sind neben Martin Weinert auch noch Schlagwerker Daniel Weber und Pianist Sebastian Voltz. Der Ton der Musik ist häufig andächtig und melancholisch, das Booklet der CD ist aufwendig gestaltet. Eine schöne Erinnerung an eine tolle Künstlerin.
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FAST TRACKS Volume 49
Neue CDs, kurz vorgestellt
Ein Album volles Blues und Balladen – Vibrafonist Joel Ross überrascht einmal mehr seine Zuhörer. Und liefert mit „Nublues“ eine super Platte ab mit eigenen Kompositionen und insgesamt drei Stücken von Monk und Coltrane. Mit Saxofonist Immanuel Wilkins, Pianist Jeremy Corren, Bassistin Kanoa Mendenhall, Drummer Jeremy Dutton und Gastflötistin Gabrielle Garo offeriert der US-Amerikaner ein spirituelles Werk, das mal meditativ daherkommt, aber auch aufwühlend klingen und auch schön swingen kann. Immer aber transportiert die Musik Seele und Eindringlichkeit und hört sich erfrischend eigenständig an.
Einer der Musiker, den Susanne Alt verehrt hat, war der US-Trompeter Roy Hargrove, der 2018 im Alter von nur 49 Jahren viel zu früh verstarb. Mehrfach spielte die gebürtige Würzburgerin mit Wohnsitz Amsterdam sogar mit Hargrove zusammen, etwa auf den legendären Jam Sessions beim North Sea Jazz Festival. Nun hat die Saxofonistin dem Amerikaner eine Platte gewidmet, die sie gleich mit einer Komposition Hargroves, dem so lässig groovenden „Roy Allan“, beginnt. Wie Hargrove ist auch Alt eine famose Balladen-Interpretin, was sie hier gleich mehrfach zeigt. Und sie kann swingen, boppen oder funky sein – und das alles immer mit viel Soul im Ausdruck. Mit Tastenmann James Hurt, Bassist Gerald Cannon und Drummer Willie Jones II hat die Bandleaderin zudem ein Dream-Team an ihrer Seite.
Wer Orgeltrios mag, ist mit dieser Platte genau richtig. Der Weilheimer Tenorsaxofonist Johannes Enders, der italoslowenische Organist Renato Chicco und der spanische Drummer Jorge Rossy zeigen auf der Anfang 2022 live im österreichischen Graz eingespielten gemeinsamen Platte, wie großartig so ein Trio klingen kann. Wie man jederzeit spannende Musik mit Energie würzt, wie man elegant und doch vorwärtsdrängend swingen kann, wie man geschmeidig groovt, ohne dass es auch nur eine Sekunde lang aufdringlich wird. Hier sind drei absolute Meister am Werk, die feurig, frisch und erfrischend aufspielen und miteinander kommunizieren, aber auch gnadenlos gut Ballade können. Und wie sie ganz am Ende Monks Klassiker „Trinkle Tinkle“ Beine machen – Hut ab!
Hinter der französischen Band Lehmanns Brothers stecken Sänger und Keyboarder Julien Anglade, Sänger, Keyboarder, Bassist und Gitarrist Alvin Amaïzo und Schlagwerker Dorris Biayenda, drei Freunde und Groove-Brüder aus dem westfranzösischen Angoulême. Das Trio steht auf afroamerikanische Rhythmen, auf Jazz, Funk, HipHop und NuSoul. Und strickt aus genau diesen Zutaten seine Klasse-Songs. Zusammen mit zwei Gastmusikern ist „Playground“ eine lässig funkige, luftig-leichte, groovende Spielwiese dieser klug zusammengerührten Musikstile geworden. Macht viel Spaß!
Seit 25 Jahren gibt es nun schon die Band Print des französischen Tenorsaxofonisten Sylvain Cathala, die er zusammen mit Altsaxofonist Stéphane Payen, Pianist Benjamin Moussay, Bassist Jean-Philippe Morel und Schlagzeuger Franck Vaillant betreibt. Eine Band, die hier auf „Secrets For You“ wunderbar zwischen komponiertem Material und ausgiebigen Improvisationen musiziert. Manchmal poetisch und fast intim, dann voller Energie und Drang, über krumme Metren, verwoben mit Klängen vom modularen Piano, bietet das Quintett viele überraschende Momente, eine sehr offene Ästhetik mit Klängen und freien Rhythmen, die aneinander reiben, um dann dennoch einem Fluss zusammengebündelt zu werden. Sehr spannend größtenteils.
Eine neue Stimme am Schlagzeughimmel. Die schwedische Trommlerin und Komponistin Cornelia Nilsson präsentiert nun mit „Where Do You Go?“ ihr ziemlich gelungenes Debütalbum. Und die Anfangdreißigerin hat dafür zwei unterschiedliche Trioformationen gewählt. Die Konstante in beiden Trios ist der schwedische Bassist Daniel Franck. Sechs der neun Stücke des Albums spielen die beiden mit US-Pianist Aaron Parks, die anderen drei mit dem ungarischen Saxofonisten Gabor Bolla. In einem Mix aus Eigenkompositionen und Stücken von Monk, Bud Powell oder Ornette Coleman zeigt die junge Schwedin an den Drums, was sie so alles kann: klasse Songs schreiben, supersensibel mit den Besen agieren und polyrhythmische Akzente setzen und dabei boppige oder lässig swingende Nummern akzentuiert, aber nie zu muskulös vorantreiben.
EVELYN KRYGER: „III“ (Hey!blau)
Fusion, Crossover, Musik ohne Scheuklappen – alles trifft auf Evelyn Kryger zu, diese Hannoveraner Band, die scheinbar mühelos verschiedenste musikalische Zutaten zu einfach großartigen Songs zusammenzurühren versteht – auch auf „III“, dem dritten Studioalbum des Quartetts, das sich fürs neue Werk einige hörenswerte Gäste ins Tonstudio geholt hat. Etwa die brasilianische Rapperin Laíz, die geschmeidig auf Portugiesisch rappend die zwei lässig-jazzige Kopfnicker-Nummern veredelt. Oder den Saxofonisten Richard Häckel, der im groovig-treibenden Song „Spirit“ prima mit Evelyn Kryger-Saxofonist Christoph „Cito“ Kaling harmoniert. Und der Isländer Ómar Guðjónsson bringt mit seiner E-Gitarre rockigen Biss in die Auftaktnummer des Albums. Trompeter Tom Trabandt, US-Geiger Roland Satterwhite oder der venezolanische Perkussionist Nené Vásquez sind weitere Mitgestalter bei den vielschichtigen Sounds zwischen Jazz, Progrock, Klassik-Momenten, Popattitüde oder rasanten, tanzbaren, folkloristischen Einsprengseln dieser so ideenreichen Band.
Fusion, Crossover, Musik ohne Scheuklappen – alles trifft auf Evelyn Kryger zu, diese Hannoveraner Band, die scheinbar mühelos verschiedenste musikalische Zutaten zu einfach großartigen Songs zusammenzurühren versteht – auch auf „III“, dem dritten Studioalbum des Quartetts, das sich fürs neue Werk einige hörenswerte Gäste ins Tonstudio geholt hat. Etwa die brasilianische Rapperin Laíz, die geschmeidig auf Portugiesisch rappend die zwei lässig-jazzige Kopfnicker-Nummern veredelt. Oder den Saxofonisten Richard Häckel, der im groovig-treibenden Song „Spirit“ prima mit Evelyn Kryger-Saxofonist Christoph „Cito“ Kaling harmoniert. Und der Isländer Ómar Guðjónsson bringt mit seiner E-Gitarre rockigen Biss in die Auftaktnummer des Albums. Trompeter Tom Trabandt, US-Geiger Roland Satterwhite oder der venezolanische Perkussionist Nené Vásquez sind weitere Mitgestalter bei den vielschichtigen Sounds zwischen Jazz, Progrock, Klassik-Momenten, Popattitüde oder rasanten, tanzbaren, folkloristischen Einsprengseln dieser so ideenreichen Band.
PETER EHWALD DOUBLE TROUBLE: „Dumont Dancer“ (Jazzwerkstatt)
Ein Livealbum als Abschluss einer über zehnjährigen Bandkarriere – das im Oktober 2021 im Aachener Club Dumont eingespielte „Dumont Dancer“ wird das letzte Ausrufezeichen von Peter Ehwalds Band Double Trouble sein, weil einer der beiden Bassisten, Robert Landfermann, sich entschlossen hat nicht mehr in dem Quartett weiterspielen zu wollen. Und eine Umbesetzung der Band war und ist für Peter Ehwald kein Thema. So kann man hier noch einmal diese geniale Viererbande in Höchstform erleben. Ehwald auf dem Tenorsaxofon und dem Tarogato, Landfermann und Andreas Lang an den Kontrabässen und Jonas Burgwinkel am Schlagzeug. In sechs Kompositionen Ehwalds lotet das Quartett fließende Übergänge zwischen komponierten Vorgaben und Gruppenimprovisationen spannend aus. So entsteht eine jederzeit offene, vertrackte Musik, die direkt und ohne große Verzierungen gespielt auf den Hörer trifft. Mit einer Vitalität und Leidenschaft, die ansteckend ist.
WERNER PUSCH QUINTETT: „My Destination“ (uniSono-Records)
Zum Schluss noch ein Tipp für Schnellentschlossene. Ein Schätzchen, aufgenommen bereits 1980 in den Bauer Studios in Ludwigsburg, kommt jetzt zunächst in streng limitierter Auflage von nur 50 Stück und nur als Vinyl zur Veröffentlichung. Trompeter Werner Pusch und sein Quintett mit dem Pianisten Peter Kosch und dem uruguayischen Saxofonisten Wilson De Oliveira spielen auf „My Destination“ fünf Themen aus der Feder von Pusch oder Kosch. Zu hören ist zeitlose, fein swingende Jazzmusik, voller Eleganz und Frische.__________________________________________________________________________________________
FAST TRACKS Volume 48
Neue CDs, kurz vorgestelltDAVID ENCHO / MARC PERRENOUD: „Chet“ (NOME)
Zwei Mal ein Duo aus Trompete und Klavier: Der norwegische Trompeter Arve Henriksen hat längst einen unverkennbaren Ton und reichert sein Spiel auch gerne mal mit zart eingewebter Elektronik an. Hier tut er das in seinem Duo-Debütalbum „Touch Of Time“, das er gemeinsam mit dem holländischen Pianisten Harmen Fraanje eingespielt hat. Und beide spielen eine emotional sogleich berührende, die Seele streichelnde Musik, feinfühlig, lyrisch, bittersüß-melancholisch, mit Raum zum Atmen, zwischen frei improvisierten Momenten und thematischen Strukturen. Vom ersten bis zum letzten Ton traumhaft schön. Vieles trifft auch auf den in Paris geborenen Trompeter David Encho und den Schweizer Pianisten Marc Perrenoud zu, die sich auf „Chet“ von der Magie des Sounds des großen Chet Baker haben inspirieren lassen. Songs aus dessen Repertoire interpretieren die beiden hier, aber frisch und mit eigenen Ideen versehen. Da klingt das sonst balladeske „My Funny Valentine“ schon fast wie eine Uptempo-Nummer. Intim, seelenvoll, auch diese Platte bietet viel fürs Herz.
Auch Youn Sun Nah setzt für ihr neues Album auf die intime Duo-Besetzung, auch wenn bei „Elles“ neben dem Keyboarder Jon Cowherd, der hier auf akustischen Pianos, Fender Rhodes und Wurlitzer zu hören ist, gelegentlich auch noch der Produzent dieser Platte, Tomek Miernowski, mit präpariertem Klavier, Synthesizer oder Gitarre die Musik ergänzt. Auf „Elles“ präsentieren die südkoreanische Sängerin und ihre beiden Begleiter zehn Lieder, die durch Sängerinnen wie Björk, Nina Simone, Maria João, Grace Slick oder Édith Piaf Berühmtheit erlangten. Und lassen diese weltberühmten Songs mit einem interessanten, eigenen Anstrich und großer Eindringlichkeit neu funkeln.
Ganz neue Klangerlebnisse eröffnet dem Hörer die in Süddeutschland lebende, polnische Vibrafonistin Izabella Effenberg auf ihrem Doppelalbum „Impressions In Colours“. Auf dem spielt sie nämlich auch noch Glasharfe, Marimba, Steeldrum, Sundrum, Array Mbira und allerhand mehr. Und sorgt schon alleine dadurch für eine enorme Klangvielfalt. Inspiriert vom Impressionismus entstehen improvisierte und komponierte Momente voller Schönheit, für die auch die polnisch-japanische Sänger Yumi Ito aus Basel wesentlich mitverantwortlich ist. Weitere Musiker an Klavier, Harfe, Flöte, Schlagwerk und Bassklarinette sind ebenfalls beteiligt.
Neun Kompositionen aus der Feder des unvergleichlichen, eigenwilligen US-amerikanischen Pianisten Thelonious Monk bilden die Basis von „Oneness“. Der Berner Christoph Grab und seine mit Trompete, Posaune, Bass und Schlagzeug ohne Harmonieinstrument besetzte Band Reflections schaffen aus dem Ausgangsmaterial frische, neue Musik, die sich in herrliche Konversationen innerhalb der Band begibt, die tänzelnd bluesig erklingt, mit Freiheiten für die individuelle Improvisationslust durchsetzt ist und die Liebe zur Tradition mit einem modernen Blickwinkel ziemlich gelungen miteinander kombiniert .
Eine melodische, eine groovende, eine moderne und zeitgemäße Reise ist Tom Berkmann mit seinem neuen Album „Journey“ gelungen. Zusammen mit dem Tenorsaxofonisten Ben Kraef, dem Gitarristen Carl Morgan, Pianist Simon Seidl und Schlagzeuger Fabian Rösch klingen die alle vom Bad Tölzer Bassisten komponierten Stücke rund, melodisch, einfach schön. Ja, es ist eine Musik ohne große Ecken und Kanten. Aber: „Es ist einfach die Musik, die sich für mich natürlich anfühlte, als ich sie schrieb“, sagt Berkmann zu seiner Platte.
„Blíđur“ (Bandcamp/MusicHub)
Zu zweit sind die beiden in der Kölner Jazzszene aktiven Halbisländer Stefan Karl Schmid und Lars Duppler im Februar 2023 nach Island gereist um dort im Studio der Band Sígur Rós ihr neues Duoalbum aufzunehmen, auf sie noch von dem isländischen Gitarristen Hilmar Jensson unterstützt werden. Eingespielt wurden dreizehn speziell für diese Aufnahmen komponierten Stücke, die die Atmosphäre des isländischen Winters widerspiegeln sollen. Stücke Musik, die Raum lassen zum Atmen für die vielen Feinheiten in den gehaltvollen Unterhaltungen des Saxofonisten und Klarinettisten Schmid mit dem Klavier von Duppler, garniert mit den auch mal bissigen Gitarrensounds von Hilmar Jensson.
THOMAS KLEIN: „PST ! – Breaking News“ (Timezone Records)
Drei Jungs aus dem Ruhrgebiet stecken hinter diesem Projekt. Der Bochumer Tastenmann Thomas Klein, der Recklinghäuser Bassist Stefan Werni und der in Essen sehr aktive Schlagzeuger Patrick Hengst. Vor drei Jahren haben sie sich als Trio zusammengetan um eine in Teilen improvisierte, elektronische Musik zu spielen, die mit Soundexperimenten arbeitet und mit 70er Jahre-Grooves, aber auch durch starke melodische Themen den Zuhörer in den Bann zieht. Das gelingt in den sechs langen Stücken auf „PST ! – Breaking News“ vielleicht nicht in jedem Augenblick, denn manchmal ist das Soundkreieren schon ziemlich abgefahren, doch dieses Trio bietet viel Packendes. ________________________________________________________________________________________________
„Windy City“ Ein Juwel der Gitarrenmusik von Andreas Heuser und Jan Bierther
Hier treffen sich zwei Musiker die in der Jazz und Weltmusik Szene zu Hause sind. Beide haben einen unglaublichen Schatz an Erfahrung was das Komponieren und Live-Konzerte angeht.
Wer sie live erleben kann, wie engagiert und konzentriert sie ihre Mitspieler*innen in den zu spielenden Kompositionen einbindet wird schnell bewusst das hier absolute Qualität hörbar ist.
„Black Cat“ man hört sofort die auf leisen Sohlen anschleichende Katze aus dem Thema heraus. Neugierig alles betrachtend und konzentriert alles wahrzunehmen. Das Zusammenspiel beider wie aus einem Guss. Die Übergänge sind schlafwandelnd fließend und der Dialog der Gitarren, wie eine Unterhaltung mit reichhaltigen Spannungsbögen und emphatisch Virtuos.
Das Stück „Endlich 7“ ein vor Spielfreude strotzendes Stück das Lebensfreude nur so versprüht und man sich mehrmals hintereinander anhören kann.
Andreas Heuser setzt hier seine verschiedenen akustischen Gitarren ein, und Jan Bierther seine Gibson. Eine tolle Raffinesse, aus dem linken Kanal hört man Andreas Heuser und aus dem rechten Kanal Jan Bierther.
Alle Kompositionen befinden sich auf einer Ebene die einen Zeitlosen Hörgenuss bieten, die Solis explodieren nie, dafür aber sind sie unglaublich bunt, warmherzig, facettenreich und von Spielkunst begleitet.
Eine Einspielung die in der Plattensammlung nicht fehlen sollte, ein echtes Juwel an Gitarrenmusik.
Text: Kurt Rade
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FAST TRACKS Volume 47
Neue CDs, kurz vorgestelltWer Jan Bang in erster Linie als genialen Soundtüftler und Livesampling-Künstler bei vielen Projekten kennt, wird mit dieser Einspielung überrascht. Denn hier tritt der vielseitige Norweger in erster Linie als Sänger in Erscheinung. „Reading The Air“ ist sein erstes gesangbasiertes Soloalbum seit 25 Jahren, denn als junger Mann sang Bang vermehrt. Die zehn selbstkomponierten, lyrischen Stücke über Verlust und Vergänglichkeit von „Reading The Air“ fließen sanft dahin, eingebettet in zarte Elektronik und begleitet von Mitstreitern wie Trompeter Arve Henriksen, Gitarrist Eivind Aarset oder Langzeit-Partner und Sound-Artist Erik Honoré, der auch fast alle Songtexte schrieb. Stimmliche Unterstützung bei diesem seelenvollen Album kommt etwa von Sängerin Simin Tander.
Die Portugiesin Lina zählt zu den spannenden neuen Stimmen des Fado, sucht sie doch immer nach frischen Ausdrucksmöglichkeiten für dieses Genre. Das war schon bei ihrem so erfolgreichen Duo-Projekt mit dem spanischen Produzenten und Musiker Raül Refree so, und das gilt auch für ihr neues Soloalbum. Auf dem vertont Lina die Lyrik von Portugals berühmtem historischen Dichter, Luís de Camões. Und sie tut das nicht nur mit viel Leidenschaft, Emotion und ihrer ausdrucksstarken Stimme, sondern sie bettet die Texte in für den Fado ungewöhnliche, aber ziemlich spannende Klangbilder aus Fender Rhodes, Klavier, Moog Bass, Perkussion, Drumcomputer, Gitarre oder portugiesischer Gitarre.
CHRISTOF SÄNGER TRIO: „At Iruma Jazzclub“ (Laika Records)
Schon vor 20 Jahren reiste Christof Sänger nach Japan um dort seine erste Tournee zu spielen. Im vergangenen Jahr ging es für den hessischen Pianisten dorthin zurück um in acht Städten aufzutreten. Im Iruma Jazzclub in Iruma, nicht sehr weit entfernt von Tokio, liefen die Aufnahmebänder mit. Glücklicherweise, muss man sagen, denn die acht Stücke dieser Aufnahme, überwiegend Jazzstandards, aber auch Musik aus der Feder des Pianisten, sind mehr als hörenswert. Zusammen mit dem Bassisten Shimichi Kato und der jungen Schlagzeugerin Rena Toshimitsu lässt es Sänger hier herrlich und elegant swingen und wartet mit verspielt intensiven Klavierlinien auf. Mainstream Jazz at ist best!80 Jahre alt wird er im kommenden März, der US-amerikanische Vibrafonist David Friedman, der hier mit seinem Generations Trio, zu dem Bassist Oliver Potratz und Schlagwerker Tilo Weber zählen, ein sehr frisch klingendes Album mit fast ausschließlich eigenen Stücken auf seinem eigenen Label veröffentlicht. Nur mit Vibrafon, Kontrabass und Schlagzeug – und es fehlt nichts. Nicht der Groove, nicht die feine, vielschichtige Rhythmik, nicht die Melodiösität der Mallets und auch nicht der Einfallsreichtum der drei Musiker. Ein feines Album mit tollem Zusammenspiel, schönen Klängen und Farben. Ab Februar auf der „80th Anniversary Tour“ auch live zu hören, unter anderem in Kleve, Köln oder Wuppertal.
Fließend zwischen Orient und Okzident musiziert Mehmet Ergin. Der in Istanbul geborene Gitarrist veröffentlicht mit „The Levent Diary“ ein feinfühliges Werk instrumentaler Gitarrenmusik, inspiriert von seiner Kindheit in dem Istanbuler Stadtteil Levent. Begleitet nur von Kontrabassist Martin Gjakonovski und auf der Hälfte der ein Dutzend von Ergin selbstkomponierten Stücke von Nora Thiele und/oder Axel Meier an Handtrommeln und Perkussion entsteht eine kammermusikalische, zarte Musik voller verführerischer, schöner Melodien.
Auch das Quartett Antigua schaut gerne über Genregrenzen hinweg. Die so vielseitige Sängerin und Musikerin Elsa Johanna Mohr, Frank Brempel an Geige und Synthesizer, José Diaz de León an Gitarre und Gesang, Bassist Stefan Berger sowie drei Gäste verbinden auf „Trovador“ sehr geschickt und frisch klingend europäischen Gypsy Jazz mit lateinamerikanischer Musik. Gesungen wird auf Deutsch, Portugiesisch, Spanisch und Englisch, die Songs sind vielfach tanzbar und gehen ins Ohr. Eine leichtfüßige musikalische Mischung, die viel Freude macht beim Hören.
ARON & THE JERI JERI BAND: „Dama Bëgga Ñibi“ (Urban Trout Records)
Zwei Mal Afrika-Sounds: Der in Lyon beheimate Musiker und Produzent David Kiledjian hat bereits mit so unterschiedlichen Künstlern wie dem US-Rapper Talib Kweli oder dem armenischen Jazzpianisten Tigran Hamasyan zusammengearbeitet und bringt nun sein erstes Album unter eigenem Namen heraus. „The Otium Mixtape“ vereint Jazz, HipHop, Soul und traditionelle Sounds aus Afrika mit hippen, modernen Beats zu coolen Songs, die er von mehreren starken Stimmen aus mehreren Ländern singen lässt. Eine coole Mischung. Das gilt auch für Aaron & The Jeri Jeri Band und ihr ebenfalls Debütwerk „Dama Bëgga Ñibi“. Der Pianist Aron Ottignon ist ein in Berlin lebender Neuseeländer und sein Projekt mit dem senegalesischen Perkussionisten, Griot und Bandgründer Bakane Seck ist ein verführerischer Mix aus Afrobeat, Afrofunk, Jazz und Elektronik.
Und Pianist Christoph Spendel liefert mit seiner Band mit „Spirits From The South“ ein luftig-leichtes Latin & Jazz-Fusionalbum ab. Mit überwiegend sommerlichen, Gute Laune machenden, eingängigen Songs, aber auch einer eher Traurigkeit ausdrückenden Hommage an den verstorbenen Kollegen und langjährigen Pat Metheny-Pianisten Lyle Mays.
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FAST TRACKS Volume 46
Neue CDs, kurz vorgestelltMICHEL REIS: „For A Better Tomorrow“ (Cam Jazz)
Zwei mal Solopiano, aber mit ganz eigenen Ansätzen. Die gebürtige Istanbulerin Büşra Kayιkçι ist auch studierte Innenarchitektin und „gestaltet“ ihre Musik indem sie Farben, Formen und Stimmungen miteinander kombiniert, ausprobiert, was gut zusammenpasst. Eine Grundidee reicht da oft um ein ganzes Stück gefühlvoller Musik zu schaffen, das dann an manchen Stellen auch noch mit elektronischen Effekten und industriellen Sounddesigns erweitert wird. Sehr interessant dieser Ansatz und das Ergebnis. Auch der Luxemburger Pianist Michel Reis präsentiert sich auf „For A Better Tomorrow“ als gefühlvoller Tastendrücker, der sich in den elf sehr klassisch anmutenden Stücken des Albums viel Zeit nimmt um seine Ideen in Ruhe klingen zu lassen – und dabei so manche traumhafte Melodie und auch Stimmung kreiert.
„Maximum Swing: The Unissued 1965 Half Note Recordings“ (Resonance)
Man hört Stimmengemurmel und andere Geräusche im Hintergrund, der Sound ist auch nicht so brillant, wie man ihn heute so gewohnt ist. Egal, dieses Album, aufgenommen im New Yorker Jazzclub Half Note mit dem Wynton Kelly Trio und unterschiedlichen Bassisten wie Ron Carter oder Paul Chambers, das für Pat Metheny das beste Jazzgitarrenalbum überhaupt ist, lohnt sich. Denn Gitarrist Wes Montgomery war 1965, drei Jahre vor seinem plötzlichen Tod, auf dem Höhepunkt, spielt hier eine weiche, warme, seelenvolle, swingende Jazzgitarre wie kein Zweiter. Schön von einem der einflussreichsten Jazzgitarristen nun so eine wundervolle Doppel-CD hören zu können, bestehend aus Eigenkompositionen und Jazzstandards.
„The Space Between Us“ (Natango Music), JAKOB HELLING CONCERT BIG BAND feat. FAY CLAASSEN:
„Nerds & Sweeties“ (QUinton Records)
Bigband mit Pop-Faktor – die Jazz Bigband Graz unter der Leitung des österreichischen Trompeters, Sängers, Komponisten und Produzenten Horst-Michael Schaffer serviert genau das auf „The Space Between Us“. Fünf Stücke von Schaffer sind auf dem Album, vier davon über zehn Minuten lang. Und die Grazer Bigband und ihre beiden Gäste Ben Arogundade (Spoken Word) und Yasmo (Rap) servieren einen leichtfüßigen Mix aus schönen Bläsermomenten, erstklassigen (Break-)Beats, einem fein groovenden Untergrund, und das alles eingebettet in einen jazzpoppigen Kontext, der jedoch Raum lässt für spannende Improvisationen. Eine interessante Bigband-Scheibe der etwas anderen Art. Interessant klingt auch die Jakob Helling Concert Big Band, und das auch, aber nicht nur wegen Gastsängerin Fay Claassen. Die Holländerin zählt zu den großen europäischen Jazzstimmen und das zeigt sie hier. Wie sie phrasiert, wie sie ideenreich und elegant scattet. Aber auch der Bandleader zeigt hier was er kann. Der Bielefelder Trompeter, Komponist und Arrangeur Jakob Helling hat hier einen schönen Mix aus Standards und Eigenkompositionen immer spannend arrangiert. So macht großorchestraler Jazz abseits gängiger Klischees viel Spaß.
Ein New Yorker Bassist der sich in Finnland und der finnischen Musikszene wohlfühlt, das ist Nathan Francis, der hier gemeinsam mit dem russisch-finnischen Pianisten Vladimir Shafranov, dem slowenischen Trompeter Vid Šketa, sowie Saxofonist Manuel Dunkel, Schlagzeuger Aleksi Heinola und Marimbaspieler Mikko Antila als Gast auf einem Stück ein wunderbares Jazzalbum eingespielt hat, das dem verstorbenen US-Vibrafonisten Bobby Hutcherson gewidmet ist, durchaus dessen Idee von Jazzmusik atmet, dennoch als eigenständige Fusion diverser Jazzstile viel Spaß beim Hören macht.
Viel zu früh vestorben ist der Pianist Eugen Cicero. Seinem Sohn, Sänger Roger Cicero, ereilte das Schicksal des frühen Todes sogar noch früher. Aber beide bleiben unvergessen. Papa Eugen, weil er seit seinem Album „Rokoko-Jazz“, das er 1965 herausbrachte und das sich weltweit über eine Million Mal verkaufte, als rasanter Swing-Pianist richtig Karriere machte. „Lullabies“, eingespielt mit dem Bassisten Decebal Badila und Schlagzeuger Ringo Hirth, wurde 1995, zwei Jahre vor Ciceros Tod, im Studio des Südwestfunks in Mainz aufgenommen. Zwölf Wiegenlieder wurden eingespielt, darunter das berühmte „Lullaby Of Birdland“ von George Shearing, aber auch „Guten Abend, gut´ Nacht“ von Johannes Brahms und weitere bekannte Lieder wie „Schlaf, Kindlein, schlaf“ und „Heidschi Bumbeidschi“. Auch ein eigenes Stück von Eugen Cicero an die eigene Tochter ist dabei. Und das Trio bringt das Material zum eleganten Swingen. Kaum einer konnte das so gut wie dieser Eugen Cicero.
Die Weihnachtszeit ist ja auch immer die Zeit für Weihnachtslieder. Deshalb zum Schluss dieses Schnelldurchlaufs ein Tipp in Sachen Weihnachts-CD. Leder nur kappe 25 Minuten dauert der Weihnachtsmusik-Ausflug von Samara Joy. Die stimmstarke US-amerikanische Sängerin liefert aber sechs starke Weihnachtssongs im jazzigen Gewand ab. Dezent interpretiert ohne Kitsch, ohne Gefühlsduselei, dafür tiefemotional und gesungen mit wundervollen Kolorierungen. Da hört man sich Lieder wie den „Christmas Song“ oder „Have Yourself A Merry Little Christmas“ nur zu gerne an. Und „O Holy Night“, begleitet nur von einer Hammondorgel und fünf weiteren Stimmen – zauberhaft!
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FAST TRACKS Volume 45
Neue CDs, kurz vorgestelltEine Reise zu einem kleinen Bergdorf in den Abruzzen, dort wo ihr Vater geboren wurde, ein Trip in die Geschichte ihrer eigenen Herkunft, daraus ist das neue Album von Melanie De Biasio entstanden. Denn die Belgierin mit italienischen Wurzeln nahm in Italien viele kleine Skizzen und Momente auf und schuf mit „Il Viaggio“ ein Ambient-Album auf zwei CDs und in zwei Teilen, das wie ein melancholischer, minimalistischer Filmscore klingt. Eine sinnliche, ganz eigenwillige Musikreise, stellenweise getragen von der sanften Stimme De Biasios, dann aber auch wieder von den Sounds und gesampelten Klängen.
Weihnachtliches aus der Ukraine, dafür haben sich Viktoria Leléka und ihre gleichnamige Band Leléka Verstärkung von dem ukrainischen Flötisten Maksym Berezhniuk geholt, der hier auf insgesamt elf unterschiedlichen traditionellen Holzblasinstrumenten zu hören ist. Das Songmaterial auf „Rizdvo“ ist tief in der ukrainischen Kultur verankert und reicht teilweise bis in vorchristliche Zeiten zurück. Und Leléka und ihr Gast machen daraus zart-jazzige, folkloristisch tönende Weihnachtslieder.
THE CUBAN ORQUESTRA: „Renacimiento“ (59music)
Vom Balkan bis hin nach Kuba reicht die Palette der Musik von Branko Arnsek. Der Jazzbassist slowenischer Abstammung kleidet mit seinem um die kubanische Sängerin Johana Jo Jones erweitertes, vorzügliches Sextett diese Einflüsse in ein modernes, zeitgenössisches Jazzgewand in den neun Kompositionen seines Debütalbums „Move Closer!“. Musik ohne Klischees, dafür mit viel frischem Wind.
Klassischer geht es beim Cuban Orquestra zu, das hier eine Reise durch das vorrevolutionäre Kuba serviert. Dieses authentische kubanische Salonorchester weiß die alten kubanischen Klassiker vorzüglich zu interpretieren.
Die finnische Band VIRTA überzeugt mit ihrem ganz eigenen elektroakustischen Sound. Aus dunkel klingendem Jazz, Post-Rock und Ambient Electronica bastelt das Trio auf seinem dritten Album „Horros“ Antti Hevosmaa, Heikki Selamo und Erik Fräki interessante ätherische Klanglandschaften, die so viele kleine unterschiedliche Dinge zum Vorschein kommen lassen. Schwer genau zu beschreiben. Man muss diese Band einfach hören.
Hinter El Trio stecken US-Keyboarder John Beasley und die beiden Kubaner José Gola (E-Bass) und Horacio „El Negro“ Hernandéz (Schlagwerk). Ein Traum-Trio, sind doch alle drei Virtuosen und echte musikalische Persönlichkeiten. Und das zeigen sie hier auf diesem Album, das bei Live-Konzerten in Italien aufgenommen wurde. Applaus hört man hier keinen, der wurde weggeschnitten. So liegt der volle Fokus auf der Musik. Auf die fetten Synthie-Flächen von Beasley, über die der sechssaitige E-Bass summt und singt und dann auch tierisch groovt, während das Schlagzeug das ganze Geschehen polyrhythmisch nach vorne trommelt. Auch wenn Fusionjazz eigentlich ein alter Hut ist, diese Latin-Fusion reißt mit.
Feinstes Solopiano vom in Köln lebenden, brasilianischen Pianisten Henrique Gomide bietet sein Album „Portais“. Darauf zu hören sind Stücke von berühmten Landsleuten wie Egberto Gismonti, Baden Powell, Edu Lobo & Chico Buarque, aber auch eigene Songs und kurze Miniaturen. Sensibel drückt Gomide in die schwarz-weißen Klaviertasten, ausdrucksstark sind seine Interpretationen, die er auch noch fantasievoll auszuschmücken versteht. Eine elegante, beseelte Aufnahme zum Genießen!
Noch einmal Solopiano. Der französische Pianist und Komponist Sofiane Pamart verwöhnt auf seinem dritten Soloalbum „Noche“ mit schönen Melodien, die den Tiefen der Nacht gewidmet sind. Düster klingen die 15 Songs aber nicht, manches Mal aber schon auf eine sehr schöne Weise melancholisch. Poetisch und romantisch ist Pamarts Klavierspiel, emotional und immer eingängig sein Sound, der sich als Soundtrack für viele Filme eignen würde. Das alles steht im Kontrast zum Albumcover wo der Franzose wie einer Rapper seinen goldenen Zahnschmuck der Kamera präsentiert.
Nachdem der mittlerweile in Luxemburg lebende Saxofonist und Komponist Shauli Einav bislang eher akustisch unterwegs war, wendet er sich mit seinem neuen Album „Living Organs“ mehr elektrischen und grooveorientierten Klängen zu. Im organischen Zusammenspiel mit Keyboarder und Organist Laurent Coulondre, Gitarrist und Bassist Eran Har Even und Schlagzeuger Paul Wiltgen kreiert der gebürtige Israeli in seinen neun Eigenkompositionen frische, zeitlos moderne Jazzmusik, die die Liebe des Bandleaders zur Rockmusik nicht verbergt.
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Einspielbesprechung:
Das legendäre Konzert vom Miles Davis Quartett im Olympia in Paris von 1957 ist nun endlich komplett auf Cd und Vinyl erhältlich.
Die Zeit als Miles Davis in Paris zu Gast war, kann man wohl als einer seiner erfolgreichsten und produktivsten seiner frühen Ära bezeichnen.
Dazu gehört als Ergebnis das Live Konzert im Olympia 1957 in Paris.
Seine Besetzung:
Miles Davis – Trumpet
Barney Wilen – Tenor Sax
Rene Urtreger – Piano
Pierre Michelot – Bass
Kenny Clarke – Drums
Miles Davis – Trumpet
Barney Wilen – Tenor Sax
Rene Urtreger – Piano
Pierre Michelot – Bass
Kenny Clarke – Drums
Miles Davis führte in Paris ein entspanntes Leben und hatte sich nicht nur in die Stadt mehr als verliebt. Das wirkte sich natürlich auch auf seine Kompositionen aus, selten hörte man Miles so locker und entspannt mit so wunderbaren Melodien wie in diesem Konzert.
Lange Zeit, also 60 Jahre war die Gesamtaufnahme nicht zugänglich, denn sie gehörte dem Jazz-Promoter Marcel Romano. Erst ein Neffe Romanos gab die Bänder frei und wurden von Fresh Sound Records wunderbar und in einer hervorragenden Klangqualität restauriert.
Der Journalist André Hodeir schrieb zu der Aufnahme im Jazz Hot: „Dieses Konzert von Miles Davis war eines der schönsten Jazzkonzerte, die wir je in Paris gehört haben. Mit der brillanten Unterstützung von Kenny Clarke, René Urtreger, Pierre Michelot und Barney Wilen gab der große Trompeter eines seiner besten Konzerte überhaupt.
Das Konzert war damals natürlich komplett ausverkauft. Miles trieb damals seine Musikerkollegen über ihre Grenzen hinaus zu unglaublicher Kreativität und Inspiration und der Stil von Miles Davis prägte das ganze Konzert. Das Konzert hinterließ bei den Zuhörern einen nie zu vergessenen Eindruck und Hörerlebnis.
Total time: 72:36 min.
01. Solar (Miles Davis) 7:24
02. Four (Miles Davis) 6:27
03. Whats New? (Haggart-Burke) 3:29
04. No Moe (Sonny Rollins) 8:08
05. Lady Bird (Tadd Dameron) 7:25
06. Tune Up (Miles Davis) 4:40
07. I'll Remember April (De Paul-Raye-Johnson) 6:24
08. Bag's Groove (Milt Jackson) 7:29
09. 'Round Midnight (Thelonious Monk) 5:11
10. Now's The Time (Charlie Parker) 6:18
11. Walkin' (Richard Carpenter) 7:15
12. The Theme (Miles Davis) 2:20
02. Four (Miles Davis) 6:27
03. Whats New? (Haggart-Burke) 3:29
04. No Moe (Sonny Rollins) 8:08
05. Lady Bird (Tadd Dameron) 7:25
06. Tune Up (Miles Davis) 4:40
07. I'll Remember April (De Paul-Raye-Johnson) 6:24
08. Bag's Groove (Milt Jackson) 7:29
09. 'Round Midnight (Thelonious Monk) 5:11
10. Now's The Time (Charlie Parker) 6:18
11. Walkin' (Richard Carpenter) 7:15
12. The Theme (Miles Davis) 2:20
Herausgegeben wird die Einspielung von „Fresh Sound Records“
Text: Kurt Rade
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FAST TRACKS Volume 44
Neue CDs, kurz vorgestelltEin Trio mit elektronischen Zutaten, das sind ARBRE aus der Schweiz. Tastenfrau Mélusine Chappuis, Flügelhornist und Sänger Paul Butscher sowie Schlagwerker Xavier Almeida zeigen auch mit ihrem zweiten Album wieder ihre ganze Kreativität, mit Synthesizer, Keyboards, aber auch akustischem Instrumentarium, einen atmosphärischen Electro-Jazz kreieren, der seine Power auch aus der Alternative Music zieht.
Soundtracks für imaginäre Filme und Fernsehserien zu schreiben, das war die Idee hinter dem neuen Album des brasilianischen Sängers, Musikers und Songschreibers Ed Motta. Dabei ist der „Koloss aus Rio“ seiner Vorliebe für leichtfüßige Soulmusik, die er mit seiner sanften Stimme so großartig gesanglich zu veredeln weiß, treu geblieben. Mit einem ganzen Schwung erstklassiger Musiker wurden die elf selbstgeschriebenen Songs eingespielt und verwöhnen durchweg mit ihrer Mischung aus süffigem Soul, Jazz und sanftem Funk.
SOPHIE TASSIGNON: „Khyal“ (W.E.R.F. Records)
Eine deutsche Jazzsängerin mit belgischen Wurzeln, die ein Album aufnimmt, auf dem sie auf Arabisch singt, das ist die Geschichte von Sophie Tassignon und „Khyal“. Als die Sängerin 2015 in einem Auffanglager in Berlin mithalf sich um syrische Flüchtlinge zu kümmern beschloss sie Arabisch zu lernen um die Geschichten der Menschen besser zu verstehen und um Brücken bauen zu können. „Khyal“ jedenfalls verbindet die Kulturen, schlägt Brücken. Poetische, arabische Texte, von Tassignon selbst getextet, treffen auf europäisch und US-amerikanisch gefärbten Jazz und ergeben eine gefühlvolle Mischung, die Herzen unweigerlich erwärmt.
Wunderbar beseelt ist das Trompetenspiel von Itamar Borochov, selbst dann noch, wenn es ein wenig forscher zur Sache geht. Aber gefühlvolle Musik ist das Ding des in New York lebenden, israelischen Musikers und Komponisten. Die Musik des Nahen Ostens und Nordafrikas klingen in seinen Jazzphrasierungen immer durch, mit seiner Viertelton-Trompete mit vier Ventilen schafft er seinen ganz speziellen Sound. Hymnische Melodien, ein untrügliches Gespür für Stimmungen, spirituelle, intensive Momente und ein Bandleader, der neben seinem fantastischen Trompetenspiel auch noch eindringlich singt – „Arba“ ist großes Hörkino.
Es gibt ja so viele Klaviertrios. Und Dock in Absolute ist ebenfalls eines in der Besetzung Klavier-Bass-Schlagzeug. Die Schwierigkeit dieser Kombination: seinen eigenen Sound finden, irgendwie anders klingen als die vielen anderen Kollegen mit der gleichen Instrumentierung. Trifft das auf das Luxemburger Trio zu? Nun, das Rad des Klaviertrio-Jazz erfinden Tastenmann Jean-Philippe Koch, E-Bassist Arne Wiegand und Schlagwerker Victor Kraus sicher nicht neu, auch nicht auf dem neuen Album. Aber die drei wissen wie man Songs schreibt und spielt, so dass sie sich gleich in den Gehörgang einnisten mit ihren melodischen Soundarrangements. Dazu die flirrende Fingerfertigkeit des Pianisten, der wohlig brummende, nie aufdringliche Bass, die rhythmischen Raffinessen vom Schlagzeug, eine Affinität zu Popmusik, aber auch Einflüsse aus der Klassik – daraus entstehen bei Dock in Absolute elf Songperlen, die schon frisch klingen und die man sich deshalb auch ziemlich gerne anhört.
MoonMot sind ein britisch-schweizerisches Sextett, das sich 2017 bei der Jazzwerkstatt Bern kennengelernt und erstmals zusammengespielt hat. Die vier Briten Dee Byrne (Altsaxofon, Effekte), Cath Roberts (Baritonsaxofon), Seth Bennett (Bass) und Johnny Hunter (Schlagzeug) trafen auf die beiden Berner Musiker Simon Petermann (Posaune, Effekte) und Oli Kuster (Fender Rhodes, Effekte) und stellten fest dass man als Band ohne echten Leader sehr gut funktioniert. Was man auch auf ihrem zweiten Album hört, dessen Titel eine Anspielung ist auf die 350 Millionen Pfund, die Boris Johnson während des Brexit- Wahlkampfs der britischen Wählerschaft versprochen hatte. Jeder des Sextetts hat ein Stück für „350 Million Herring“ geschrieben. Es sind Stücke mit punkiger Attitüde und krummen Metren, immer gibt es viel improvisatorischen Freiraum, der kreativ genutzt wird, jedes Bandmitglied bringt eigene Ideen in die Musik ein. Und dadurch gibt es in jeder Nummer etwas anderes zu entdecken.
War sein Debütalbum in zehnköpfiger Besetzung noch ganz dem Bass-Großmeister Charles Mingus gewidmet, hat Bassist Ethan Philion nun für den Nachfolger „Gnosis“ eine Quartettbesetzung gewählt. Und mit „What Love“ nur noch eine Mingus-Komposition im Programm. Die anderen fünf Titel stammen vom Chicagoer Bassmann selbst. Und zeigen eindrucksvoll seine Fähigkeiten als Komponist wie auch als Instrumentalist. Drummer Dana Hall und Trompeter Ross Johnson waren schon Teil des Tentetts, Altsaxofonist Greg Ward ist hier neu dabei. So musiziert hier ein tighter Vierer voller Ideen, in einem frei swingenden Kontext zwischen komponierten Strukturen und freien Feldern. Der stets sehr präsente, aber nie zu dominante Kontrabass des Bandleaders klingt dabei ungemein agil und vibrierend. In zwei Nummern greift Philion zudem zum Bogen. In einem vogelwilden Improvisationsgewitter und im abschließenden Titelstück der CD, das choral- und hymnenartig startet, dann aber lebhaft swingend weiterläuft und alle vier Musiker noch einmal zu rasanter Form auflaufen lässt.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 43
Neue CDs, kurz vorgestelltEr ist einer der ganz Großen der brasilianischen Musik, der Komponist, Pianist und Sänger Ivan Lins. Seine weiche, warme Stimme verwöhnt weltweit schon mehr als ein halbes Jahrhundert. 1970 erschien sein erstes Album, Lieder aus seiner Feder wie „Começar De Novo“ oder „Madalena“ kennt jeder, der sich für brasilianische Musik interessiert. Nun hat der Endsiebziger aus Rio ein wunderschönes, seelenvolles Album mit seinen Kompositionen gemeinsam mit dem 91-köpfigen Sinfonieorchester von Tiflis, Georgien eingespielt. Gaststars wie die Sängerinnen Dianne Reeves und Jane Monheit oder Trompeter Randy Brecker wirken punktuell mit in dieser zeitlosen und bezaubernden Werkschau eines wahren Meisters.
Die samisch-norwegische Sängerin und der norwegische Tastenmann begegnen sich hier im Duo auf einem intimen, unter die Haut gehenden Werk. Mit Songs die auf Texten von zeitgenössischen Sami-Dichtern basieren und von Liebe oder Träumen handeln, die leise und ruhig empfindsame Geschichten zu reduzierten Klavier-Melodien erzählen. Zart und zerbrechlich klingt das. Und trotz aller Reduktion trägt dieses Konzept eine fast einstündige Albumlänge.
Fünf Jazzmusiker, dazu die klassische Flötistin Pauline Turrillo – schon die Idee der Formation La Campagne des in Köln lebenden Saxofonisten und Komponisten Fabian Dudek ist spannend. Die Musik auf den zwei Tonträgern dieses Doppelabums ist es auch. Weil hier innerhalb der teils sehr langen Stücke immer wieder neue Spannungsbögen entstehen und man als Zuhörer durch ganz unterschiedliche Klanglandschaften geführt wird, alle Beteiligten zudem ganz undogmatisch musizieren. Ein erfrischendes Hörabenteuer!
Eigentlich ist es ein Duoabum. Auch wenn mit den Stimmen von Erik Leuthäuser und Viviane de Farias oder Perkussionist Mario Maradei gelegentliche Gäste auf diesem intimen Werk mitwirken. Aber die deutsch-brasilianische Sängerin Juliana Blumenschein und Gitarrist Florin Küppers verzaubern hier in erster Linie zu zweit in einem fein zusammengestellten Programm aus Jazzstandards und brasilianischen Tunes. Mit einer schönen Mischung, die Lebensfreude ausstrahlt, aber auch nachdenkliche Momente funkeln lässt, wie beim zauberhaften Duett der beiden Sängerinnen in dem traurigschönen Liebeslied „É Preciso Perdoar“.
Wenn ein Debütalbum so klingt wie dieses hier, dann kann man künftig noch so einiges von der Protagonistin erwarten. Elke Bartholomäus zeigt sich auf „To Speak“ als facettenreiche Sängerin und auch Komponistin, stammen sechs der acht Stücke des Albums doch von ihr. Es sind Stücke Musik, die anders klingen als gewöhnliche Jazznummern. Denn die Kölnerin singt anders, paart textlichen Gesang mit fantasievollen Vokalimprovisationen. So gewinnt sie auch dem Miles Davis-Klassiker „Blue In Green“ und dem Traditional „Amazing Grace“ neue, spannende Seiten ab.
Dieser Mann ist was Besonderes. Auf der einen Seite ein sehr guter Jazzsaxofonist, auf der anderen singt Antonio Lizana mit heiser-betörender Stimme auch noch wahnsinnig gut Flamenco. Beide Genres bringt der Spanier aus dem südspanischen Cádiz in seiner Musik auf aufregende Weise unter einen Hut. So auch auf seinem neuesten, fast ausschließlich selbstkomponierten Album „Vishuddah“, benannt nach dem fünften Haupt-Chakra im Tantra, dem Chakra der Reinheit. Orientalisch angehauchte Jazzklänge, der so intensive, emotionale Gesang Lizanas, die hier durch einige Gäste verstärkte Klasse-Band ergeben einen packenden Flamenco-Jazz.
SMOOVE & TURRELL: „Red Ellen“ (Jalapeno Records)
Zum Schluss dieses Schnelldurchlaufs noch zwei Tipps in Sachen Tanzmusik. Das Hannoveraner Elektronik-Projekt Mo´Horizons von Mark „Foh“ Wetzler und Ralf Droesemeyer, gegründet vor einem Vierteljahrhundert!, liefert mit „Mango“ einmal mehr tanzbare Sounds ab, die oft nach Südamerika rüberschielen, aber auch andere Regionen der Welt im Blick haben. So wirkt etwa auch Highlife-Legende Gyedu-Blay Ambolley aus Ghana hier mit. Groovig starten Smoove & Turrell in ihr neues Werk „Red Ellen“, das sie nach der ehemaligen britischen Labour-Politikerin Ellen Wilkinson benannt haben, die federführend war beim „Jarrow March“, einem Protestmarsch gegen Arbeitslosigkeit und Armut im Jahre 1936. Aus Funk, Soul und elektronischen Zutaten zaubert die Band aus Gateshead bei Newcastle einen coolen, tanzbaren Sound der mit seinen sozial bewussten Texten aber auch zum Nachdenken anregt.
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FAST TRACKS Volume 42
Neue CDs, kurz vorgestelltGetrommelt hat er für für viele bekannte Jazzer, wie Roy Hargrove, Johua Redman, Dianne Reeves oder Betty Carter. Der heute in Rom lebende Schlagzeuger Gregory Hutchinson hat in New York, wo er geboren wurde und aufwuchs, früher aber auch viel R&B oder Soul gehört. All die Musik, die ihn beeinflusst hat, hat er in sein ungemein vielschichtiges, eigenes Album „Da Bang“ gepackt, das in seinen 15 Kompositionen eine Vielzahl an Musikstars diverser Genres vereint. Ziemlich hip und gelungen, das Ganze.
„A Swing Of Its Own“ (Ozella)
Hier ist der Swing Programm! Live aufgenommen im Jazzclub Nasjonal Jazzscene – Victoria in Oslo lassen es die norwegische Sängerin, Songschreiberin und Cabaret-Künstlerin Hilde Louise Asbjørnsen und das Kaba Orchestra hier richtig krachen. Mit wilder Tanzmusik aus den 1920ern, fulminantem Swing, Chanson und Blues. Dabei ist die Musik fast ausnahmslos selbst komponiert, auch wenn sie ein herrliches Vintage-Feeling verströmt. Facettenreich singt die Norwegerin die Lieder mit ihrer markanten Stimme, mal kokett, mal verrucht, dann auch mal verträumt. Und das 12-köpfige Swing-Orchester liefert dazu den immer passenden Swing.
Irgendwie schwebend klingt die Musik dieses Trios, aber dann doch auch erdverbunden. Die japanische Pianistin und Komponistin Makiko Hirabayashi hat sich zu „Meteora“ von einer Kette griechisch-byzantsicher Klöster in Thessalien inspirieren lassen, von denen sie auf einer Konzertreise nach Athen erfuhr. Zusammen mit Bassist Klavs Howman und Schlagwerkerin Marilyn Mazur gibt es einige kleine Miniaturen sowie längere Stücke zu hören, die manchmal nur von einer minimalistischen Pianofigur gestartet sich zu schillernder Musik entwickeln. Viele kleine Einzelteile, die sich langsam zusammenfügen dürfen, verdichten sich zu wunderschönen, entdeckenswerten Klanggemälden.
„The Bill Evans Village Vanguard Sessions“ (JHM Publishing)
Dieses Doppelalbum ist eine Hommage an einen der ganz großen Pianisten der Jazzgeschichte, den bereits 1980 verstorbenen Bill Evans. Auf gleich zwei CDs spielt das Joe Haider Trio nun Stücke aus dem Repertoire des US-Amerikaners, darunter auch Stücke von Evans selbst, wie den „Waltz For Debby“, aber auch Kompositionen von George Gershwin, Cole Porter, Miles Davis oder Horace Silver. Und so wie der Darmstädter Pianist Joe Haider zusammen mit Bassist Lorenz Beyeler und Drummer Tobias Friedli die berühmten Themen neu interpretiert, ganz im Geiste von Bill Evans, mit ähnlicher lyrischer Sensibilität, nehmen diese Aufnahmen den Zuhörer mit zurück in die Ära einer der stilbildenden Jazzpianisten seiner Zeit.
„Urschall – Repercussions“ (rent a dog)
Das nagelneue Werk ist bereits das fünfte Album von Sebastian Gramss und der hier 12-köpfigen Formation STATES OF PLAY. Der Kölner Bassist und seine Mitstreiter spielen auf „Urschall – Repercussions“ mit kosmischen Assoziationsfeldern auf einer imaginären Klangreise in einen ganz eigenen und eigenwilligen Musik-Orbit. Zwischen Jazz und Neuer Musik tauchen beim Hören einer mehrteiligen Suite unterschiedlichste, cinematische Klangbilder auf, die aufregend anders tönen.
Hier kommt neuer Stoff vom norwegisch-schwedischen Supertrio RYMDEN. Und Tastenmann Bugge Wesseltoft, Bassist Dan Berglund und Schlagzeuger Magnus Öström klingen auf „Valleys & Mountains“ gereifter und entspannter denn je. Auch wenn es natürlich auch hier wieder flirrende Momente voller Intensität gibt im bandeigenen Kosmos zwischen akustischen und elektronischen Klängen, zwischen Jazzimpro, Groove, Fusion Jazz und Prog Rock. Erstmals hat das kongeniale Trio übrigens einen Feature-Gast eingeladen - das Eröffnungsstück „The Hike“ veredelt US-Gitarrist John Scofield mit seiner Stromgitarre.
Neues gibt es auch von Nils Petter Molvær zu hören, der mit „Certainty Of Tides“ wieder einmal neue Wege geht, hat der norwegische Trompetenstar doch sechs seiner wegweisenden Kompositionen neu arrangieren lassen und neu eingespielt, dieses Mal zusammen mit dem Norwegischen Rundfunkorchester. Nicht nur, dass die großorchestralen Fassungen den Stücken eine frische und andere Farbe und Intensität verpassen, sie haben Sample-Künstler Jan Bang auch dazu veranlasst, diese ursprünglich im Studio aufgenommenen Neubearbeitungen noch einmal mit 76 auf der Bühne des famosen Kilden Konzerthauses in Kristiansand positionierten Lautsprechern noch einmal neu aufzunehmen. Das Resultat ist ein fantastischer Raumklang der Musik.
Und wer Afrobeat mag, sollte auf jeden Fall in die sechste, von DJ Floro zusammengestellte Ausgabe von Republicafrobeat reinhören. Dieses Mal geht die Reise ins Baskenland, nach Galizien, Asturien, Katalonien, Madrid, Aragonien, Extremadura, Andalusien und Portugal. Und es gibt in den insgesamt 17 Songs jede Menge coole Sounds und Bands zu entdecken, wie etwa das Tentett Macheta SupahSound aus Galizien mit ihrem treibenden Stück „Mongo Blanco“.
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FAST TRACKS Volume 41
Neue CDs, kurz vorgestellt
Es ist ein ruhiges Album das der holländische Saxofonist und Komponist Yuri Honing mit seinem Acoustic Quartet hier aufgenommen hat. Eine Platte die ruhig atmet und ohne jegliche Hektik ihre musikalischen Geschichten erzählt. Honing und seine Mitstreiter, Tastenmann Wolfert Brederode, Bassist Gulli Gudmundsson und Schlagzeuger Joost Lijbaart, spielen in den neun Stücken aus der Feder des Bandleaders einen gefühlsbetonten, zeitlosen Akustik-Jazz, der vor allem auch durch Honing´s Saxofonspiel ungemein emotional klingt.
Hinter Forsonics stecken Trompeter und Flügelhornist Chris Fischer, Gitarrist Thomas Nordhausen, Keyboarder Carsten Strüwe und Schlagzeuger Andy Gillmann. „Open Water“ ist das dritte Album des Quartetts, das auch für die meisten Kompositionen der Scheibe verantwortlich zeigt. Für Songs, die man schon in die Kategorie lyrischen Jazz verorten kann, ohne dass sich der Vierer stilistisch all zu sehr fest verankern möchte. Hier machen vier erstklassige Musiker einfach eine positiv wirkende Musik mit schönen Melodien, feinen Grooves und gelungenem Interplay. Und wissen zwischendurch auch zu überraschen – mit ihren durchaus interessanten Instrumentalversionen von Herbert Grönemeyers „Männer“ und „Can´t Buy Me Love“ von den Beatles.
Nein, eine Fadosängerin möchte die Theaterschauspielerin und Sängerin Marta Miranda nicht sein. Auch wenn sie auf ihrem Soloalbum auch Fados singt. Die ehemalige Frontfrau der gefeierten portugiesischen Band OrqueStrada macht jetzt nach einer Auszeit solo weiter und legt mit „Uma Mulher Na Cidade“ ein starkes Album vor. Weil hier keine (Fado-)Klischees erklingen, sondern Lieder nicht nur aus Portugal, sondern auch aus Brasilien, den Kapverden oder Frankreich, und das auch mal auf Kreolisch und Französisch. Optimistisch klingend und großartig gesungen von einer charismatischen Stimme.
Sänger Kurt Elling und Gitarrist Charlie Hunter haben wieder gemeinsame Sache gemacht. Und starten ihr neues Album gleich mit einem Highlight. Denn ihre Version von Joni Mitchell´s „Black Crow“ ist einfach spitze. Der Song groovt herrlich leicht und funky und wie Kurt Elling ihn singt und am Ende textlos noch ein wenig mit seiner Wahnsinns-Stimme improvisiert – großartig. Die beiden Bandleader, die von Keyboarder DJ Harrison und Drummer Corey Fonville sowie gelegentlich von einer Horn-Section unterstützt werden, liefern hier ein lässig groovendes Werk ab. Mit Songs von Don Was, Bob Dorough oder Ron Sexsmith, aber auch mit eigener Musik und Texten. Bei „Only The Lonely Woman“ diente Ornette Coleman´s Instrumentalnummer „Lonely Woman“ aus dem Jahre 1959 als Vorlage. Und wird mit Lyrics und hibbeligen Breakbeats versehen mal eben ganz locker ins Jetzt und Heute katapultiert.
Sie hat Swing in der Stimme, sie weiß wie man wahnsinnig gut scattet, und das zeigt sie hier auf ihrem neuen, mit dem eigenen Namen betitelten Album auch. Und wie. Gleich den Album-Opener „I Am What I Am“ dehnt Veronica Swift im Mittelteil mal ganz kurz um eine gescattete Bachfuge aus. Die Vokalsensation agiert hier kraftvoll und selbstbewusst. Dabei will die 29-Jährige US-Amerikanerin überhaupt nicht nur als Jazzsängerin wahrgenommen werden. Und so sind hier neben Songs aus dem Jazzrepertoire auch Songs von Queen, Titel aus französischen und italienischen Opern, Rock oder Musik aus Brasilien zu hören. Und fast alles kann diese Frau überzeugend interpretieren.
Hinter dem Akku Quintet steckt die Band des Schweizer Schlagzeugers und Komponisten Manuel Pasquinelli. Die Musik des Fünfers ist eine intensive und minimalistische, schon verwurzelt im Jazz, aber dennoch losgelöst von jeglicher starren Kategorisierung. Denn die vier (bis auf eine Ausnahme) sehr langen Stücke des neuen Albums arbeiten mit groovebasierten Repetitionen, eröffnen dabei elektronisch angetriebene Sphären und versuchen den Zuhörer mit der hypnotischen Wirkung der Klänge mitzunehmen auf eine Reise. Man muss diese Art von einer von Wiederholungen geprägten Minimal-Musik aber schon mögen und sich darauf richtig einlassen können um den Reiz dieser Band zu spüren.
Als spielender Musiker ist Christian Muthspiel schon eine Weile nicht mehr zu hören. Der 61-Jährige Österreicher hat seine Posaune beiseite gelegt, ist aber als Komponist und Dirigent weiter aktiv. Mit seinem 2019 gegründeten, 17-köpfigen Jazzorchester Orjazztra Vienna hat Muthspiel jetzt im Auftrag des Festivals „La Stada Graz“ Musik inspiriert von Filmen von Federico Fellini komponiert und auf die Bühne des Grazer Opernhauses gebracht. Der Live-Mitschnitt auf einer Doppel-CD strahlt viel emotionale Kraft aus und erzählt Geschichten, zu denen man im Kopf seine eigenen Filme drehen kann. Hier erklingt Musik mit Klangpracht, mit mediterraner Leichtigkeit, mit ungemein mitreißenden, aber auch schwelgerischen Momenten. Ein ganz groß(orchestral)er Wurf!
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FAST TRACKS Volume 40
Neue CDs, kurz vorgestelltHinter ROWK stecken die vier Kreativgeister Ronny Graupe (Gitarre & E-Bass), Oliver Steidle (Schlagwerk), Wanja Slavin (Altsaxofon) und Kalle Kalima (Gitarre). Das Credo der Band: Alle Musikstile können als Ausgangspunkt für Improvisationen dienen. Entsprechend vielseitig, frisch und aufregegend klingt das Album dieses Quartetts. Immer wieder rockig und drängend, immer wieder von herrlich stolpernden Rhythmen durchsetzt. Und immer mit vielen Räumen, die improvisatorisch ausgiebig genutzt werden. Wie dieser Vierer wohl live auf einer Konzertbühne klingen mag?
Songs ihres berühmten Vaters hat sie bislang eigentlich nie gecovert. Auf „João“ aber interpretiert die brasilianische Sängerin Bebel Gilberto nun elf Stücke, die ihr berühmter, 2019 verstorbener Vater, einem der Pioniere der Bossa Nova, João Gilberto, einst geschrieben oder gespielt hat – darunter Klassiker wie „Ela É Carioca“ oder „Desafinado“, aber auch weniger bekannte, speziell für seine Tochter geschriebene Kompositionen. Mit sanfter Stimme erzeugt Bebel mitunter beinahe hypnotische Stimmungen. Sehr atmosphärisch produziert von Thomas Bartlett ist diese Hommage an eine Legende der brasilianischen Musik ein zeitloser musikalischer Leckerbissen.
Mit GEORGE präsentiert US-Schlagzeuger John Hollenbeck eine neue Band, die er während der Corona-Pandemie gegründet hatte. Auch wenn die anderen drei Bandmitglieder sich zuvor meist nicht kannten war Hollenbeck sicher dass diese gemeinsam funktionieren würden. Und das tun sie, wenn man sich das Debütalbum „Letters To George“ anhört. Sängerin und Saxofonistin Aurora Nealand, Keyboarderin Chiquita Magic und Saxofonistin und Flötistin Anna Webber verschmelzen mit dem Schlagzeuger zu einer echten Band, die eine ganz eigenwilligen Sound kreiert, mit Ambient-Synthesizersounds, experimentellem Jazz, rockiger Attitüde oder Kammermusik.
Sie malt Töne mit ihrer Stimme. Einen Text braucht Céline Rudolph dafür nicht zwingend. Die in Berlin lebende Sängerin und Songschreiberin verzaubert auch wortlos. Aber sie kann es natürlich auch mit poetischen Worten. All ihre Facetten zeigt Rudolph auf ihrem neuen Album „Soniqs“, wo sie zusammen mit Trompeter und Pianist Sebastian Studnitzky, Tastenmann und Elektroniker Sebastian Merk und Flötist und Saxofonist Regis Molinas zumeist entspannte, bisweilen entrückte, sanfte Klanglandschaften kreiert, an denen man sich nicht satthören kann.
Seine Wahlheimat ist seit ein paar Jahren Miami und sein neuestes Album „Coral Way“ soll den Sound verkörpern, wie ihn Alfredo Rodríguez in der Stadt erlebt. Latin Pop, Timba, Salsa, Bachata, Tango, Reggaeton und Bolero kennzeichnen die große Latin-Gemeinde in der US-Metropole. Diese Einflüsse verknüpft der kubanische Pianist geschickt mit Jazz und schafft so durchweg spannende Stücke Musik mit großem Entdeckungspotenzial.
Merem: „Merem“ (https://merem1.bandcamp.com)
Jazz mit griechischem Flavour hat die in Rotterdam beheimatete Band Merem im Gepäck. Hinter diesem Ensemble stecken fünf junge Griechen, die Sängerin Vanessa Kourtesi, Pianist Yiorgos Bereris, Oud-Spielerin Dimitra Metzaki, Bassist Yiannis Vagianos und Schlagzeuger Ektoras Remsak. Alle fünf haben am Konservatorium in Rotterdam studiert und kombinieren auf ihrem sehr überzeugenden Debütalbum wunderbar eine jazzorientierte Rhythmusabteilung mit mediterranen Klängen, griechischem Gesang und den Sounds der arabischen Oud. Eine verführerische Melange, die erfrischend anders und sehr interessant klingt.Kennengelernt haben sich der südafrikanische Bassist und der Gitarrist aus dem westafrikanischen Benin einst am Berklee College Of Music in Boston. Beide zogen danach nach New York und spielten wöchentlich gemeinsam in Brooklyn. Dann trennten sich ihre Wege, Yosef Gutman verabschiedete sich sogar für einige Jahre aus der Musikwelt. Jetzt lässt er seinen Bass wieder schwingen und singen und verzaubert zusammen mit Lionel Loueke, Pianist Omri Mor und Schlagzeuger Ofri Nehemya auf einem gemeinsamen Album, das ganz dem Albumtitel folgend Musik mit viel Seele zu bieten hat. Zu hören sind akustische, leichtfüßige Songs, viele aus der Feder von Levitt, die mehr als nur einen Hauch Südafrika in sich tragen, aber auch mehrere Nigun-Adaptionen, Melodien aus der chassidischen jüdischen Tradition. Und während Levitt mehr die Begleiterrolle beim Spielen einnimmt, ist Loueke der wunderbare Melodiengestalter. Eine Aufteilung, die hier im Quartettverbund sehr schön funktioniert und für herzerwärmende Stimmungen sorgt.
Johannes Fries: „Plucky Proof“ (Rodenstein Records)
Bei Johannes Fries stimmt der Groove! Der Schlagzeuger und Perkussionist legt mit „Plucky Proof“ ein vorzügliches Doppelalbum zwischen Fusion, Funk und afrikanischen Rhythmen vor. Das klingt dann mal treibend und sehr groovig, dann wiederum superentspannt. Immer aber hat Fries das Songmaterial sehr interessant arrangiert. Und immer mit von der Partie ist Saxofonist und Labelchef Olaf Schönborn. Klanglich gibt es auch nichts zu meckern. Ein echter Hörtipp!
Bei Johannes Fries stimmt der Groove! Der Schlagzeuger und Perkussionist legt mit „Plucky Proof“ ein vorzügliches Doppelalbum zwischen Fusion, Funk und afrikanischen Rhythmen vor. Das klingt dann mal treibend und sehr groovig, dann wiederum superentspannt. Immer aber hat Fries das Songmaterial sehr interessant arrangiert. Und immer mit von der Partie ist Saxofonist und Labelchef Olaf Schönborn. Klanglich gibt es auch nichts zu meckern. Ein echter Hörtipp!
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 39
Neue CDs, kurz vorgestelltVor zehn Jahren schon haben der dänische Saxofonist Benjamin Koppel und die beiden US-Amerikaner Scott Colley (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug) ihr All Star-Trio gegründet. Jetzt haben sie mit Perspective ein neues Album eingespielt. Und das kann sich hören lassen! Balladeske Töne wechseln sich ab mit rockigen, energievollem Interplay. Das lyrische Saxofonspiel des Dänen und die so vielschichtigen Rhythmen und Farbschattierungen seiner beiden Kollegen verbinden sich zu spannenden Songs, allesamt aus eigener Feder. Hier musiziert ein Jazztrio voller Reibungspunkte und kreativer, gemeinsamer Improvisationslust.
Ebenfalls aus Dänemark kommt Schlagzeug-Ikone Alex Riel. Der inzwischen schon 82-Jährige hat in seiner Karriere mit zahllosen Jazzstars zusammengespielt. Das nun veröffentlichte Doppelalbum In New York blickt zurück auf Aufnahmen Riels in New York in den späten 1990ern. Zwei zuvor schon veröffentlichte Sessions, Unriel! und Relatin´, finden hier erneut den Weg zum Zuhörer. Eingespielt mit einer Traumband mit lauter Cracks wie den Saxofonisten Michael Brecker und Jerry Bergonzi, Gitarrist Mike Stern, den Pianisten Niels Lan Doky und Kenny Werner sowie den Bassisten Eddie Gomez und Chris Minh Doky zeigt Alex Riel seine ganze Klasse am Drumkit und alle Beteiligten mit wie viel Facettenrecihtum sie packenden Jazz spielen können.
Eigentlich heißt er Joshua Karpeh, sein Künstlername aber ist Cautious Clay. Und sein Album Karpeh eine dreiteilige Auseinandersetzung mit seiner Familiengeschichte. Der in New York lebende Sänger, Songwriter, Produzent und Multiinstrumentalist aus Ohio, Cleveland erkundet musikalisch und mit seinen Texten die Vergangenheit und Gegenwart und blickt auch schon mal nach vorne. Das Ganze machen er und eine Riege von illustren Gastmusikern mit poetischen Songs, die von Clay´s gefühlvollem Gesang geprägt sind. Aus R&B, Hip Hop, Indie-Klängen und Jazz bastelt sich der Amerikaner hier einen ganz persönlichen Soundtrack seines Lebens.
Ihre Liebe zu der Lyrik des französischen Dichters Charles Baudelaire hat die norwegische Sängerin und Musikerin Susanna Wallumrød alias Susanna schon in mehreren Aufnahmen ausgelebt. Jetzt hat sie das bereits bearbeitete Matrial erstmals zusammen mit dem Norwegischen Radio Orchester unter der Leitung von Christian Eggen neu eingespielt. Die Musik stammt überwiegend von ihr; drei Nummern sind von der Avantgarde-Künstlerin Stina Stjern, die hier auch mit Stimme und schrägen Tape-Beiträgen beteiligt ist. Diese experimentellen Momente gepaart mit wunderschönen Melodien, dem engelsgleichen Gesang von Susanna und der Poesie Baudelaires sind durchweg sehr reizvoll anzuhören. Mal sehen, ob die Norwegerin nach dieser Platte weiterhin auf die Texte des Franzosen setzt.
Einfach gehaltene Songs, immer mit der Melodie im Vordergrund, das war die Idee zu den Aufnahmen des Soloalbums des Pianisten Arthur Possing. Dreizehn Stücke hat der Luxemburger für ID:entity eingespielt, neun davon (drei davon sind kurze Interludes) sind Eigenkompositionen. Und in denen zeigt sich Possing als variabler Tastendrücker, der romantisch schwelgen, aber auch kräftig zupacken kann. Stings „Field Of Gold“ spielt er samtig weich und „Beatriz“, einen Klassiker der brasilianischen Popmusik, mit so viel Herz und Seele, das man sich Possings Version besser nicht bei Liebeskummer anhören sollte.
Das großorchestrale Balimaya Project ist das Baby des Komponisten und Djembe-Spielers Yahael Camara Onono aus London. Und die Band hat sich inzwischen zu einem der aufregendsten und zukunftsorientiertesten Ensembles in Großbritannien gemausert. Auch weil hier in Großbritannien beheimatete schwarze Musiker ihr westafrikanisches Musikerbe einbringen können als Teil einer schwarzen britischen Kultur. Traditionelle afrikanische Rhythmen und Melodien treffen auf europäisch gefärbten Jazz und Pop. Eine Verbindung, die hier in zehn wunderschöne Songs mit einem frischen, innovativen Sound mündet.
Sie wurde nur 39 Jahre alt. Gestorben ist Jamie Branch vor ziemlich genau einem Jahr. Woran, wurde bis heute nicht öffentlich erklärt. Aber die US-Trompeterin, Komponistin und auch Sängerin war viele Jahre drogenabhängig. In ihrer viel zu kurzen Karriere aber hat sie Eindruck hinterlassen. Ihr kurz vor ihrem Tod fertig gestelltes letztes Album erscheint nun. Und zeigt noch einmal eine visionäre Musikerin mit kraftvollen Statements in einer furchtlosen und auch kompromisslosen Musik, die Schmerz, Empörung und Wildheit widerspiegelt. Aber auch lässig und cool klingen kann und mit Klängen überrascht, die mit Jazz gar nicht so viel zu tn haben.
Zwischen Folk und Jazz hat sie ihre ganz eigene Nische gefunden, die Singer/Songwriterin Joanna Wallfisch aus London. Interessant klingen die neun selbstkomponierten Songs der Enkelin einer der letzten bekannten Holocaust-Überlebenden, der Cellistin Anita Lasker-Wallfisch, auf ihrem sechsten Album. Die Bandleaderin (Gesang, Gitarre und Charango) und dazu ein Quintett mit Harfe, Geige, Klavier, Orgel & Mellotron, Bass und Schlagzeug schaffen sanfte, atmosphärische Stimmungen, die der ideale Unterbau sind für die poetischen, nachdenklichen Texte. All in Time ist ein Album zum puren Genießen.
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FAST TRACKS Volume 38
Neue CDs, kurz vorgestellt
Laura Llorens & The Shadows Of Love: No Love No Peace (Q-Sounds)
No Love No Peace, kaum ein Slogan trifft den Nerv der Zeit mit den unsäglichen Kriegen weltweit wohl besser. Das zweite Album der Sängerin und Songschreiberin Laura Llorens aus Wisconsin, die inzwischen aber längst in Frankreich lebt, und ihrer Band The Shadows Of Love behandelt zwar auch politische Themen, verströmt aber zugleich mit ihrer Musik viel positive Energie. Ihr 70s Soul, mit dem Duft von Psychedelic und Blaxploitation versehen, geht mächtig nach vorne, macht Spaß, einfach weil er gut und funky ist.Schon früher hat sich der in Köln lebende deutsch-isländische Saxofonist, Klarinettist und Komponist Stefan Karl Schmid mit isländischer Musik auseinandergesetzt. Nun hat er sein erstes Bigband-Album produziert und komponiert, für seine langjährige Working-Bigband, dem Kölner Subway Jazz Orchestra. Dafür ist Schmid für mehrere Wochen ganz in den Norden Islands gereist um die dortige Stimmung und Natur auf sich wirken zu lassen. Herausgekommen ist eine fünfteilige Suite mit Prolog, kleinen kammermusikalischen Zwischenspielen und einem Epilog. Mit Klangwelten, die angereichert mit analogen und digitalen Effekten ein spannendes Hörerlebnis abseits von Bigband-Klischees versprechen.
Kompromisslos geht es hier zur Sache. Zwischen Punk, Jazz, Alternative Rock und einem Hauch Pop musiziert das Trio Ceramic Dog mit gelegentlichen Special Guests munter drauflos. Immer mit Attitüde und einer Aussage, frech und auch immer überraschend. Gitarrist und Sänger Marc Ribot, Multiinstrumentalist Shahzad Ismaily am Bass, Electronics und Vocals sowie Schlagwerker Ches Smith lassen es krachen ohne den politischen Untergrund zu verlassen. Auch wenn manche getextete Botschaft ein wenig surreal klingt. Die starke Musik macht das locker wett. Und Nummern wie das textlose, lässig groovende Order Of Protection gegen Ende des Albums lässt sich beim Zuhören auch einfach mal nur fasziniert genießen, bevor Crumbia als Rausschmeißer gar auf die Tanzfläche lockt.
Dieses Mal ist Musiker und Produzent Adrian Younge ohne seinen sonstigen Partner Ali Shaheed Muhammad am Start bei der nächsten Ausgabe der gemeinsamen Album-Reihe Jazz Is Dead. Und zum ersten Mal gibt es eine posthume Veröffentlichung, ist der legendäre Schlagzeuger und Afrobeat-Mitbegründer Tony Allen doch schon 2020 verstorben. Die hier nun veröffentlichten Aufnahmen entstanden im Sommer 2018 und zeigen den Nigerianer noch einmal als den einmaligen Rhythmusgeber, der er war. Die acht funkigen und herrlich groovenden Tracks, von einer üppiger Bläsersection und psychedelischen Keyboards angefeuert, erinnern an die alten Aufnahmen Tony Allens. Ein wunderbares Vermächtnis.
Das ungarische Plattenlabel BMC Records ist bekannt für spannende Musik, für modernen Jazz mit Ecken und Kanten, für Kollaborationen von ungarischen mit europäischen Jazzern. Hier aber spielt ein rein ungarisches Klaviertrio. Und das auch noch total melodiös. Pianist Áron Tálas, Kontrabassist István Tóth und Schlagzeuger Lászlo Csízi versuchen auch erst gar nicht irgendwie besonders hip und zeitgeistig zu klingen. Sie präsentieren sich auf ihrem zweiten Trioalbum in den allesamt vom Mann an den Tasten verfassten elf Stücken einfach als unheimlich geschmackvolles Dreiergespann, das elegant swingt und groovt, tolle Melodien parat hat und schon durchscheinen lässt wo die musikalischen Inspirationsquellen liegen. Etwa beim US-Trompeter Roy Hargrove, dem hier mit dem Stück Hargrove ein total treffendes Tribut gezollt wird.
In einer fünfteiligen Album-Serie möchte die spanische Sängerin Mara Aranda die sephardische Kultur sowohl auf iberischem Boden als auch in verschiedenen Regionen der Diaspora wiederentdecken. Und ist mit Serafad nun bei Album Nummer drei angekommen. Schwerpunkt hier ist Griechenland. Aranda hat Kreta bereist und dort gelebt und in Thessaloniki, dem „Jerusalem des Balkans“ für die Sepharden, Folklore und traditionellen Gesang studiert. Und so blickt sie mit ihrem Ensemble auf die alte sephardische Kultur, auf traditionelle Texte, Melodien und Balladen, viele davon nicht so bekannt. Eine gefühlvolle, faszinierende Musikreise, der man sich als Hörer gerne anschließt.
Sie ist auf dem Bauernhof Grämlis mit Jodeln aufgewachsen. Und schon immer wollte sie Sängerin werden. Das hat die Schweizerin Gabriela Martina, die nach vielen Jahren in den USA aktuell in den Niederlanden lebt, längst geschafft. Mit Homage To Grämlis erzählt sie nun mit Musik und Texten die Geschichte ihrer Familie auf dem Bauernhof. Und ebenso hört man die Jahre in Amerika in ihrer Musik, denn verpackt ist das alles natürlich in amerikanisch gefärbtem Jazz. Auch wenn zwischendurch mal gejodelt oder auf Schwyzerdütsch gesungen wird, wenn eine Melodie einen volkstümlichen Anstrich erhält. Wie die ausdrucksstarke Gabriela Martina alle ihre Einflüsse zusammenbringt, klingt hier ziemlich interessant.
Zwischen Jazz, Rock, Folk und Improvisation hat sich dieses italienische Trio eine Nische eingerichtet und verzückt auf dem zweiten gemeinsamen Album Gulliver mit einem knappen Dutzend Songperlen, die neben Eigenkompositionen vielfach auf traditionellen Liedern basieren, aus so unterschiedlichen Ländern wie Irland, Äthopien, Norwegen, China, Kurdistan, aber auch Italien. Gitarrist Maurizio Brunod, Bassist Danilo Gallo und Schlagwerker Massimo Barbiero schaffen hier zumeist ruhig fließende, seelenvolle Stücke Musik, von der man sich nur zu gerne betören lässt.
Zum Schluss noch ein Leckerbissen für alle John Coltrane-Fans. Die hier zu hörenden fünf langen Stücke, darunter „My Favorite Things“, „Impressions“, „Greensleeves“ oder „Africa“, wurden im Augut 1961 im legendären New Yorker Nachtclub The Village Gate, der 1958 eröffnete und bis 1993 bestand, live eingespielt. Neben John Coltrane spielt hier Eric Dolphy an Flöte, Bassklarinette und Altsaxofon, natürlich McCoy Tyner am Piano und Elvin Jones am Schlagzeug. Den Job am Bass teilen sich Art Davis und Reggie Workman. Der Sound der Aufnahmen ist relativ gut, die Energie in den Songs beeindruckend. Und das üppige Booklet zur CD enthält zudem seltene Fotos und fünf Essays, etwa von Reggie Workman, Branford Marsalis oder Ashley Khan.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 37
Neue CDs, kurz vorgestelltMusik aus Nigeria: Das 14-köpfige Kollektiv Bantu um den Leader und Sänger Ade Bantu arbeitet auf What Is Your Breaking Point? sehr geschickt mit nigerianischen Sounds. Bantu steht für „Brotherhood Alliance Navigating Towards Unity“ und die 1996 in Deutschland gegründete Band sieht sich als Sprachrohr für soziale und politische Themen. Entsprechend bissig sind die Songtexte. Die Musik zwischen Afrobeat, Afrofunk, Jazzpop, Jazz, Soul und Rapeinlagen macht mit ihren Bigband-Arrangements dennoch viel Spaß.
Bereits zum dritten Mal nach 2012 und 2016 trifft der sardische Trompeter Paolo Fresu auf den kubanischen Pianisten Omar Sosa. Dieses Mal bietet das Thema Essen die thematische Klammer. Im Laufe eines Jahres wurden Geräusche und Stimmen von Restaurants und Weingütern aufgenommen und drumherum Musikstücke gestrickt. Mit Hilfe von Gästen wie der südafrikanischen Sängerin Indwe, US-Rapper Kokayi oder dem brasilianischen Cellisten Jaques Morelenbaum schafft das Duo Fresu/Sosa auf Food interessante und beseelte Soundcollagen und Songs.
Ein Werk für Kirchenorgel (bedient von Kit Downes), Holz- und Blechblasinstrumente, Stimme Bass und Schlagzeug hat der holländische Saxofonist Ben van Gelder für Manifold komponiert. Und so mannigfaltig wie es der Albumtitel vermuten lässt, ist das Werk auch. Spannend zu hören, wie gut das Monstrum Kirchenorgel in den Jazz passt. Neben herrlich beruhigenden, fließenden Momenten geht es hier auch mal wild zur Sache. Zwischen Jazz und klassischen Einflüssen zeigt die Musik Kraft und majestätische Schönheit.
Auch Gitarristen werden vergesslich. Vor allem wenn sie so busy sind wie Pat Metheny. Im letzten Jahr hat er an die 160 Auftritte weltweit gehabt. So gab es dann aber auch mal Zeit auf den ganzen Reisen in alte Computer-Ordner zu schauen. Und diese neun bereits aufgenommenen Solostücke für diverse E-Gitarren wiederzuentdecken, darunter sechs eigene Nummern. Allesamt Balladen, so dass Dream Box ein sehr passender Titel für dieses Album ist, bietet es durchweg Sologitarren-Klänge und Melodien zum Träumen.
Sein echter Vorname ist Rovanio, doch er mochte den Klang des Namens nicht, als er jung war. So lebt er bis heute mit seinem Spitznamen Nanny. Doch da das aktuelle Album des Sängers und Musikers aus Salvador de Bahia, der längst schon in den USA lebt, ein sehr persönliches geworden ist, hat Nanny Assis der Platte seinen Namen als Titel gegeben. Bis auf eine Ausnahme sind alle Stücke kompositorische Kollaborationen mit den zahlreichen hier beteiligten Künstlern wie Bassist Ron Carter, Pianist Fred Hersch oder Gitarrist Chico Pinheiro. Samba- und Bossa Nova Sounds, Jazz, westafrikanisches Feeling und gelegentliche Streicher eines Studioorchesters verbinden sich hier zu einem wunderbaren, lerichtfüßigen Brasil-Sound.
Die schweizerische Band Katom ist besonders. Erst einmal kommt kein Mitglied aus dem Alpenland. Trompeter James McClure ist Südafrikaner, Gitarrist Martín Theurillat Chilene, Bassist Nadav Ehrlich Israeli, Drummer Jordi Pallarés Spanier und die Frau am Gesang und Synthesizer Francesca Gaza ist Deutsch-Italienerin mit rumänischen Wurzeln. Und dann die Musik. „Imaginärer Future Folk“ heißt es im Pressetext zum Album. Es ist eine sehr auf atmosphärische Texturen ausgerichtete Musik, stilistisch vielfältig, irgendwo zwischen Jazz und folkgeschwängertem Pop, auf jeden Fall betörend anders. Unbedingt reinhören.
Stilistisch fest verorten lässt sich Ladislav Pazdera auf seinem Solodebüt nicht. Der Mittdreißiger aus Tschechien, der seit knapp einem Jahrzehnt aber schon in Dresden lebt, zeigt sich auf Chiaroscuro als feinsinniger Meister auf diversen Akustikgitarren. Dabei ist er ein Griffbrett-Wizzard, sondern versucht mit Tiefe und viel Gefühl seine unterschiedlichen musikalischen Geschichten zu erzählen. Ob folkig, poppig, jazzig, zum Flamenco oder zur Neo-Klassik blickend. Zurückgenommen, aber auch mal temperamentvoll. Mit der richtigen Balance schafft es Pazdera immer wieder den Zuhörer zu fesseln. Weniger kann manchmal so viel mehr sein.
Eigene Songs, albanische und kosovarische Traditionals, Stephen Sondheim´s „Send In The Clowns“ oder Charlie Hadens „First Song“ – die Bandbreite auf dem neuen Album von Elina Duni ist beachtlich. Mit ihrer so großartigen, immer leicht melancholisch daherkommenden Stimme kann die albanisch-schweizerische Sängerin vieles wunderbar interpretieren. Und tut das auf A Time To Remember, unterstützt von Gitarrist Rob Luft, Fred Thomas an Piano und Schlagzeug und Matthieu Michel am Flügelhorn. Eine luftig-leichte Besetzung, die so gut passt zu ihrem gefühlvollen, vor allem bei den Volksliedern verzaubernden Gesang.
Auch Simone Helle ist eine Stimme, der es lohnt zuzuhören. Kann die in Deutschland aufgewachsene Sängerin mit persischen Wurzeln doch nicht nur als Komponistin von ein wenig mehr als der Hälfte der Songs auf My Starry Eyes überzeugen, sondern auch als ausdrucksstarke, fantasievolle Interpretin ihrer eigenen Songs und Klassikern wie Billie Holiday´s „God Bless The Child“ oder Irving Berlin´s „Let´s Face The Music And Dance“. In unterschiedlichen Besetzungsgrößen von intim bis hin zum orchestralen Format nimmt Helle den Zuhörer mit auf ihrer entdeckungsreichen Reise durch ihre moderne Mainstream-Jazzwelt.
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FAST TRACKS Volume 36
Neue CDs, kurz vorgestelltEntstanden aus dem gleichnamigen audiovisuellen Projekt Em Cantos De Òrìşà beleuchtet das Album der Sängerin Irma Ferreira die Schönheit des Gesangs der afro-brasilianischen Religion des Candomblé. Wie die Brasilianerin hier unterschiedliche Gottheiten besingt und auch mal anbetet, ganz spärlich begleitet nur durch eine Gitarre oder schleppender Perkussion, einem Bass, einer Klarinette oder einem Chor, das ist faszinierend und sehr spirituell. Ein ungewöhnliches, beseeltes Musikwerk.
Sie hat einen vielseitigen musikalischen Geschmack, die US-Sängerin Robin McKelle. Und hat bisher nicht nur Jazz gesungen. Aber jetzt tut sie das wieder mit einem Tribut an die große Ella Fitzgerald, deren Musik sie einst zum Jazz gebracht hat. Auf Impressions Of Ella hat sie elf Stücke rausgesucht, bei denen sie ihrem eigenen Vibe treu bleiben kann. Zusammen mit einem Trio um Pianist Kenny Barron ist ihr das vorzüglich gelungen. Auch wenn man sich natürlich fragen kann ob die Welt solch ein Tribut-Album braucht. Tut sie natürlich nicht, aber McKelle zeigt hier eindrucksvoll, was für eine ausdrucksstarke Stimme des aktuellen Vokal Jazz sie sein kann.
Was hat sie nicht schon alles gesungen, die Ute Lemper. Chansons von Piaf oder Lieder von Kurt Weill. Anfang der 2000er Jahre schrieb sie ihre ersten eigenen Songs, die aber im Keller verschwanden und 2021 im Keller ihrer Schwiegereltern zufällig wieder auftauchten. Drei dieser Songs haben jetzt den Weg auf Time Traveler gefunden – in nur leicht nachbearbeiteten Originalversionen. Dazu hat die schon lange in New lebende Münsteranerin neue Stücke komponiert und getextet. Die über zwei Jahrzehnte zwischen alten und neuen Liedern nimmt man aber gar nicht wahr, ist Ute Lemper ohnehin ein völlig zeitloses Album zwischen Jazz und Pop gelungen.
Chet Remembered (Challenge Records)
Die Stücke auf diesem Tribut an eine unvergessliche Stimme des internationalen Jazz stammen alle aus der Feder des Pianisten Enrico Pieranunzi. Der Römer hat Chet Baker 1979 das erste Mal getroffen. Viele jahre spielte der Italiener danach zusammen mit dem US-Trompetenstar und komponierte auch Stücke für ihn. Von denen finden sich einige auf diesem Album, bei dem auch der belgische Trompeter Bert Joris eine wichtige Rolle spielt, finden sich in dessen Spiel doch Spuren von Chet Bakers Stil. Eingespielt mit der Frankfurt Radio Big Band ist aus Chet Remembered eine würdige und sehr schöne Hommage an eine Legende geworden.
Wuchtig startet dieses symphonische Projekt mit der Musik von Chick Corea. Der hat ja gerne mal Flamenco- und Latinelemente in seine Stücke eingebaut. Die vorliegende Platte vereint ein Jazztrios und Solisten wie den Klarinettisten Paquito D´Rivera mit 80-köpfigem Sinfonieorchester. Live eingespielt während des FIJAZZ-Festivals im spanischen Alicante, reißt das Album aber nur selten so richtig mit. Sicher, ein Corea-Klassiker wie „Spain“ knallt hier schon ordentlich, überrascht in seinem Arrangement aber nicht sonderlich. Gilt auch für andere Songs. Lediglich eine Vokal-Version von „Crystal Silence“ geht durch den emotionalen Gesang und das Saxofonspiel von Antonio Lizana unter die Haut.
Hier kommt eine neue Band mit frischer Musik, gegründet von einem alten Hasen, dem österreichischen Schlagzeuger Karlheinz Micklin jr. Der hat viele Jahre die Trommeln gerührt bei seinem berühmten Vater, dem 2019 verstorbenen Saxofonisten Karlheinz Miklin. Nun seine eigene Band, mit dem jungen österreichischen Trompeter Gerhard Ornig, dem aus São Paulo stammenden Gitarristen Emiliano Sampaio und dem kroatischen Bassisten Hrovje Kralj. Live aufgenommen bei drei Konzerten in einem Grazer Club, liefert das Quartett Musik zwischen Post Bop, Funk und Rock auf sehr erfrischende Art und Weise, durchsetzt mit spannenden Soli durchsetzt und manches Mal mit beeindruckender Lässigkeit gespielt.
Einen ganzen Schwung namhafter Musiker hat Meshell Ndegeocello um sich geschart für ihr erstes Album beim legendären Plattenlabel Blue Note. Zu hören sind auf The Omnichord Real Book zahlreiche Cracks wie Saxofonist und Sänger (und Produzent dieser Platte) Josh Johnson, die Gitarristen Chris Bruce und Jeff Parker, Vibrafonist Joel Ross, Pianist Jason Moran, die Harfenistin Brandee Younger oder etliche Gaststimmen. So bunt die Musikerschar, so vielschichtig die Musik, die die GRAMMY-prämierte Multiinstrumentalistin, Sängerin und Songwriterin hier auf ihre Platte gepackt hat. Jazzig-soulige, funkige Tracks mit coolen Grooves, zarte Balladen und viele Laid-Back-Momente zeichnen dieses durchgehend spannende Werk aus.
Hebräischer Jazz und globale Grooves – die in London lebende Singer/Songwriterin Noga Ritter bekommt diesen Mix auf ihrem Debütalbum Ima prima hin. Auch mit Hilfe von Cracks der Londoner Jazzszene wie Saxofonist Toni Kofi oder Trompeter Byron Wallen präsentiert sie sich als aufregende Neuentdeckung mit einem transglobalen muskalischen Statement. Ima bedeutet „Mutter“ auf Hebräisch und die Stücke von Noga Ritter sind ein Tribut an die starken Frauen in ihrem Leben. Storytelling vom Feinsten, dazu immer wieder afrikanische Beats und Sounds machen dieses Album zu einer echten Entdeckungsreise.
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FAST TRACKS Volume 35
Neue CDs, kurz vorgestelltEinen Mix aus Jazz und diversen anderen Einflüssen präsentiert hier die Baritonsaxofonistin Kira Linn mit ihrem Lintett, einer Band bestehend aus fünf weiteren Musikern. In den letzten beiden Jahren habe sie gar nicht mehr so viel Jazz gehört, sondern Pop, Indie, Neo-Soul, Electronics oder R&B mehr für sich entdeckt, verrät die Wiesbadenerin im Presseinfo zu Illusion, einer Platte, die mit vielen ruhigen und nachdenklichen Tönen betört, Themen wie Klimaschutz oder Gleichstellung in sanfte Lyrics verpackt und insgesamt sehr interessant und erfrischend anders klingt.
Eine stimmgewaltige Sängerin trifft auf ein vorzügliches Orchester. Genau das passiert bei den Symphonic Stories, die die holländische Sängerin Fay Claassen, das Residentie Orkest The Hague und ein Jazzquartett hier gemeinsam erzählen. In einem Programm, das sich Songs bei Burt Bacharach, Ennio Morricone, Paul Simon oder den Beatles leiht, aber auch mit Stücken von Fay Claasen selbst, ihrem Lebenspartner, dem Kölner Saxofonisten Paul Heller, oder dem holländischen Pianisten Karel Boehlee, der an dieser Einspielung auch mitwirkt. Fein arrangiert und nie überladen rüberkommend, entfalten sich der mitreißende Gesang und die Wucht und dabei doch immer wieder vielschichtigen Klangbilder des Orchesters zu einem Hörvergnügen, das auch in den ruhigen Momenten nicht abnimmt.
Der belgische Trompeter Rémy Labbé und sein mit dem Posaunisten Phil Abraham als zweite Bläserstimme besetztes Quintett liefern mit Careless Territories ein schönes, oft munter swingendes Jazzalbum ab. Mit Nummern, in denen der Bandleader, der hier ausschließlich auf dem Flügelhorn zu hören ist, und sein Kollege an der Posaune herrlich solistisch auftrumpfen können. Aber auch der Gesamtklang des Quintetts, das hier einen hörenswerten Straight Ahead Jazz im Angebot hat, steht hier hoch im Kurs.
Midnight Alvorada ist das Debütalbum des brasilianischen Komponisten, Gitarristen und Sängers Pedro Rosa. Geboren in São Paulo, lebt Rosa seit mehr als 15 Jahren in Spanien, ist musikalisch aber seinem Heimatland treu geblieben, finden hier doch verschiedene brasilianische Musikstile wie Samba, Bossa Nova, Baião oder Ijexá den Weg in die Gehörgänge der Zuhörer. Sparsam und rein akustisch instrumentiert singt und spielt der Brasilianer mit der sanften Stimme seine selbstgeschriebenen, gefühlvollen Songs. Mit Leidenschaft, Luftigkeit und viel Seele. Schade nur dass dieses großartige Erstlingswerk nach gut 34 Minuten schon ausklingt.
Das Sextett Artemis ist eine reine Frauencombo, In Real Time ist das zweite Album der Band um die kanadische Pianistin Renee Rosnes, ihrer Landsfrau, der Trompeterin Ingrid Jensen, US-Schlagzeugerin Allison Miller und der japanischen Bassistin Noriko Ueda. Mit Saxofonistin Nicole Grover und Flötistin Alexa Tarantino sind zwei Neue mit an Bord auf einer Reise durch überwiegend eigenes Songmaterial. Das bewegt sich stilsicher im Fahrwasser des Modern Jazz, swingt fein und bietet den Jazzdamen auch viele Räume um nicht nur im Gruppenverband, sondern auch solistisch und improvisatorisch zu glänzen.
Für die altehrwürdige BBC ist er ein aufsteigender Stern des britischen Jazz. Und hört man sein neues Album Narrations kann man verstehen warum der britische Saxofonist Duncan Eagles so gelobt wird. Denn im Quartett mit Tastenmann Tomasz Bura, Bassist Max Luthert und Drummer Zoe Pascal erzählt Eagles hier seine vielseitigen musikalischen Geschichten. Zart im Balladentempo, zupackend in polyrhythmisch funkig-treibenden Momenten, aber auch soulful und entspannt in swingenden Augenblicken. Spannendes Songwriting und eine starke Saxofonstimme machen dieses Album zu einem durchgehenden Hörvergnügen.
METEORS – Message To Outer Space (rent a dog)
Bassist Sebastian Gramss ist der Mann der ungewöhnlichen Klanglandschaften. Das trifft auch auf seine Band State Of Play zu, einem Sextett, zu dem unter anderem Posaunistin Shannon Barnett und Saxofonist Hayden Chrisholm gehören. METEORS entführt den Zuhörer in kosmische Klangwelten, die Platte ist ein Sound-Angebot an den Weltraum. Die Musik klingt mit ihren eingestreuten Synthie-Klängen und Soundscapes leicht spacig, auch wenn die Basis deutlich auf der Erde verwurzelt ist. Die 17 Stücke, teils nur kleine Miniaturen, bieten entdeckungsreiche, expressive, schwerelose Jazzklänge abseits des Mainstreams. Herrlich.
Ein eleganter Gitarrero ist er, der Dan Wilson. Der Mann aus Ohio hat in der Band des im letzten Jahr viel zu früh verstorben Joey DeFrancesco gespielt. Wilson lässt ihn noch einmal kurz aufleben, startet er doch sein vorzügliches neues Album Things Eternal mit einer aufgezeichneten Sprachnachricht des bekannten Jazzorganisten. Und serviert anschließend eine schöne Mischung aus eigenen Songs und Nummern von Herbie Hancock, Stevie Wonder, Michael Brecker oder Sting. Zwischen R&B, rasantem Bop oder einem herrlich swingenden „Eleanor Rigby“ von den Beatles weiß der Gitarrist, dessen Vorbilder wie Wes Montgomery oder George Benson schon durchscheinen, mit seinem feinen, emotionalen Single Note-Spiel sehr zu gefallen.
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FAST TRACKS Volume 34
Neue CDs, kurz vorgestelltRaffaele Casarano: Anì (Tǔk Music)
Fresu – Rubino – Di Bonaventura – Bardoscia: Ferlinghetti (Tǔk Music)
Gleich drei neue Alben gibt es auf Paolo Fresus Label Tǔk Music zu entdecken. Sängerin und Komponistin Francesa Gaza und ihre siebenköpfige Band Lilac For People zelebrieren auf Sfiorire einen interessanten Art-Pop, der mit geschickt eingewebten Versatzstücken aus Jazz, Rock, Folk oder Electronics arbeitet und so für ungewöhnliche Hörerlebnisse sorgt. Saxofonist Raffaele Casarano, seine Band und Freunde wie der tunesische Oud-Spieler und Sänger Dhafer Youssef spielen auf Anì grenzüberschreitende Musik mit spirituellem Charakter ebenso wie hiphop-getränkten Groove Jazz oder verträumte Stücke. Ferlinghetti ist dagegen der Soundtrack zu einem Dokumentarfilm, der die Geschichte des 2021 verstorbenen US-Schriftstellers und Dichters der Beat-Generation Lawrence Ferlinghetti erzählt. Trompeter Paolo Fresu, Pianist Dino Rubino, Bandeonist Daniele Di Bonaventura und Bassist Marco Bardoscia komponierten und spielen hier eine mal melancholische Musik mit viel Tiefe und Gefühl, aber auch forschere Klänge, die das Lebensgefühl dieser Generation nachzeichnen.
Mit seinem neuesten Album huldigt John Pizzarelli den klassischen Songs der Broadway-Musicals und Hollywood-Filmen. Seine hier ausgewählten Songs umspannen fast neun Dekaden. Genau vier Jahrzehnte ist es jetzt her dass der US-Gitarrist und Sänger sein Debütalbum veröffentlicht hat. Hier lässt er es im Trio mit Bassist Michael Karn und Pianist Isaiah J. Thompson zumeist locker swingen und verwöhnt dabei mit seinem sanften Gesang. Stage & Screen erinnert an unvergessliche Melodien, die hier vom Pizzarelli-Trio alle sehr elegant vorgetragen werden.
Reif klingt das Debütalbum des jungen Pforzheimer Trompeters Jakob Bänsch, zumal er das im Alter von erst 19 Jahren aufgenommen hat. Hier ist definitiv eine neue, spannende Stimme in Sachen Jazztrompete auf der Szene angekommen. Virtuos, mit feiner Tonkontrolle spielen sich Bänsch und seine Mitstreiter Niklas Roever am Klavier, Jakob Obleser am Bass, Drummer Leo Asal und Gäste wie Sängerin Alma Naidu oder zwei Streicherinnen durch Up Tempo-Stücke, Hymnisches oder balladesk-verträumtes. Immer klingt die Musik frisch und interessant. Von diesem Talent wird man sicher noch mehr Gutes hören.
Wie man Progrock und melodischen Jazz perfekt zusammenbringt, das weiß der schwedische Drummer Magnus Öström. Und zeigt es auch auf dem neuen Album seiner Band. Gemeinsam mit Tastenmann Daniel Karlsson, Gitarrist Andreas Hourdakis und Bassist Thobias Gabrielson gibt es auf A Room For Travellers sechs dichte Stücke Musik zwischen Prog, Jazz und Pop zu hören, mit Raum für prägnante Gitarrensoli. Aber auch Bassist und Tastenmann steuern solistisch spannende Klangfarben hinzu. Und der Bandlader selbst hält die Musik mit seinem wunderbaren, nie aufdringlichen Schlagzeugspiel immer auf Kurs und gut zusammen.
Dieses Mal haben sich die beiden Musiker und Produzenten Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad den legendären Pianisten und Keyboarder Lonnie Liston Smith als Gast für die 17. Ausgabe ihrer Album-Reihe Jazz Is Dead eingeladen. Wie immer wurde gemeinsam Musik geschrieben und aufgenommen. Und wie immer groovt es entspannt, der Sound klingt entspannt funky und warm und nach längst vergangenen Jahrzehnten. Einfach zeitlos gut, wie jede neue Veröffentlichung von Jazz Is Dead.
Sie denken Jazz als Pop, steht im Presseinfo zu Vertigo. Und das trifft es ganz gut. Denn diese Schweizer Band um den Saxofonisten Florian Egli sieht sich erst einmal schon als echtes Kollektiv, das eingefahrene Jazz-Routinen hinterfragt. Ja, es wird auch mal soliert, aber hier ist kein Solist mit Rhythmustruppe unterwegs. Es geht dem Quintett vielmehr um einen Gesamtsound, der meist in ruhigem Fahrwasser sich eben bei Jazz, Pop, aber auch Rock und Electronica bedient. Sehr interessant dieses Konzept. Reinhören lohnt sich!
Der belgisch-japanische Pianist Alex Koo ist derzeit in aller Munde. Und wer sich sein Solowerk Etudes For Piano anhört, ahnt warum das so ist. Denn hier ist ein Künstler am Werk dessen Karriere als klassischer Konzertpianist vorbestimmt schien, der dann aber als Teenager den Jazz für sich entdeckte. Wie sich beide Musikwelten perfekt in Einklang bringen lassen, das zeigt Koo in acht seiner Kompositionen eindrucksvoll. Dabei gehen Abenteuerlust und Senstivität Hand in Hand. Vor allem aber ist Alex Koo ein großartiger musikalischer Geschichtenerzähler. Kein Wunder, dass Jazzgrößen wie Kurt Elling oder Brad Mehldau auf den Tastenzauberer stehen.
Als Backgroundstimme hat sie schon für die ganz Großen gearbeitet, für Quincy Jones etwa, oder für Dee Dee Bridgewater. Und selbstbewusst ist die Stuttgarter Sängerin Laura Kipp, steht auf dem Cover ihres Albums doch lediglich ihr Vorname, Laura. Und was gibt es zu hören? Fein produzierten Pop-Jazz, mit gelegentlichen Anleihen bei HipHop, Funk, Blues oder Chanson. Sunset Balcony ist ein leichtes, luftiges Album einer guten, allerdings auch nicht wahnsinnig aufregenden Sängerin.
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FAST TRACKS Volume 33
Neue CDs, kurz vorgestellt
Diese Frau zählt sicher zu den interessantesten Stimmen Brasiliens. Eigentlich braucht Adriana Calcanhotto nur ihre Stimme und eine Gitarre um den Zuhörer zu fesseln und zu verzaubern. Wie sie das vor vielen Jahren mal bei einem Soloauftritt beim Duisburger Traumzeit-Festival tat. Auf ihrem neuen Album Errante hat die Latin Grammy-Gewinnerin aber ein paar feine Musiker um sich geschart, um ihre ganz eigenwillige Mischung aus Samba, Bossa Nova, Tropicalismo, Pop und ihrer wunderbaren Poesie zusammenzubringen. In leichtfüßigen, akustisch gehaltenen, kleinen Songperlen über das Leben und die Liebe.
Hinter diesem Vierer stecken vier Münchner Musiker, die neugierig machen. Pianist Luca Zambito, Saxofonist Moritz Stahl, Bassist Nils Kugelmann und Schlagzeuger Valentin Renner zeigen auf Ancestry in den geschmackvollen Kompositionen des Bandleaders ihre Gestaltungskraft und Fantasie. In einem musikalischen Feld zwischen Post Bop, zeitgenössischem Jazz und freien Improvisationen, aber auch in lyrischen Momenten. Interaktives Spiel, breitgefächerte Klangfarben, frische Sounds – diesem Quartett zuzuhören macht Freude.
Die Idee dieser zwölfteiligen Reihe war und ist es mit zwölf unterschiedlichen Ensembles zu spielen. Mit alten Freunden als auch Helden der Kindheit. Mittlerweile ist der Schweizer Schlagzeuger Florian Arbenz bei Nummer 9 in seiner Reihe angelangt - und dem Zusammentreffen mit dem holländischen Organisten Arno Krijger und dem US-Saxofonisten Greg Osby. Es ist ein Jazz-Treffen voller Biss und Energie geworden. Kein Wunder bei Osby. Aber auch ruhige und entspannende Momente gibt es auf diesem Album. Drei Originialkompositionen und drei Jazzstandards bilden das Programm von Targeted. Und man wünscht sich nach dem Durchhören, dass aus diesem Trio vielleicht mal eine feste Band werden könnte.
Die Besetzung dieses Trios um Barbara Barth ist schon außergewöhnlich. Denn die Sängerin trifft hier auf den Tenorsaxofonisten und Bassklarinettisten Sebastian Büscher sowie den Cellisten Veit Steinmann, der auch mit elektronischen Sounds hantiert. Ein Line-Up ohne Harmonieinstrument, sehr reduziert und mit einer Sängerin, deren Stimme klangkombiniert mit den Instrumenten ihrer beiden Kollegen agiert. Diese Besetzung bietet so auch Möglichkeiten, die das Trio nutzt: Ungewöhnliche Klangfarben gestalten, Begegnungen außerhalb des Konventionellen suchen. Spannend.
1979 war mit etlichen Aufnahmen ein gutes und produktives Jahr für Chet Baker. Okay, er tauchte ab und an mal einfach nicht zu einem Gig auf. Und er war auch bei diesen Aufnahmen, vor allem denen im November, nicht pünktlich im VARA-Tonstudio im holländischen Hilversum erschienen und hatte auch keine Noten dabei. Die meisten unveröffentlichten Aufnahmen dieses fantastischen Doppelalbums aber entstanden schon im April, mit anderer Besetzung als im November. Pianist Phil Markowitz, Bassist Jean-Louis Rassinfosse und Drummer Charles Rice spielen an der Seite des großen US-Trompeters und Sängers. Und der brilliert mit seinem Timing und seinem so lyrischen Trompeten-Ton. Baker, der Meister der Melodie, at his best. Und das üppige Booklet und die darin enthaltenden kleinen Geschichten seiner Mitstreiter und weiterer Wegbegleiter sind zudem interessant zu lesen. Denn sie zeugen von der Liebe zu einem der ganz großen Jazzkünstler.
Zucker ist Energie und er versüßt das Leben. So ist auch der Albumtitel von FATCAT gemeint. Denn in tristen Zeiten kann ein wenig mehr von dem süßen Zeug ja nicht schade. Gute Laune macht aber auch die Musik des Freiburger Kollektivs um Sänger Kenny Joyner. Die achtköpfige Truppe serviert auf More Sugar funkige Musik, die sich bei Pop, Jazz, Disco, Soul und R&B bedient und einfach Spaß macht. Die Songs gehen mit ihren süffigen Melodien ins Ohr, haben vielfach Radiopotential, Wohlfühlfaktor, locken aber auch auf die Tanzfläche.
SMUK heißt schön auf Dänisch. So hat der deutsche Schlagzeuger Micha Jesske seine Band sowie das gleichnamige Projekt und Debütalbum genannt. Mit Saxofon, Trompete, Klavier, Gitarre, Bass und natürlich Schlagzeug ist seine Band besetzt, die sich geschickt im modernen Jazz tummelt. Die Kompositionen Jesskes klingen ausgereift, Improvisationen fügen sich in farbenreiche Harmonien und verbinden sich mit schönen Melodien. Und der Bandleader selbst? Spielt sensibel, koloriert und schiebt gefühlvoll an. Jesske ist hier kein Haudrauf, sondern Teamplayer in einer überzeugenden Mannschaft.
Yelena Eckemoff: Lonely Man And His Fish (L&H Production)
Live aufzutreten ist gar nicht mehr so ihr Ding. Sie hat auch einfach zu viel zu komponieren. Und dabei muss sie sich nicht einmal groß anstrengen. „Die Melodien kommen zu mir“, sagt Yelena Eckemoff. Und so ist die in Russland geborene und in den USA lebende Pianistin und Komponistin eine ungemein produktive Künstlerin geworden. Ihr neuestes Doppelalbum ist mal wieder ein Konzeptalbum geworden. Auf dem die Geschichte eines kürzlich pensionierten Orchestermusikers erzählt wird, der sich gegen seine Einsamkeit einen Fisch kauft. Zusammen mit Kornettist Kirk Knuffke, Masaru Koga an japanischen Flöten, Bassist Ben Street und Drummer Eric Harland wird diese Geschichte in vielen Kapiteln musikalisch erzählt. Der Plot lässt sich im Booklet nachlesen und anhand der farbenreichen Jazzmusik auch gut nachvollziehen. Ein audio-literarisches Vergnügen.________________________________________________________________________________________
FAST TRACKS Volume 32
Neue CDs, kurz vorgestelltRepetitive, aber sehr eingängige Melodien sind ihr Markenzeichen. Damit haben sie sich einen ganz eigenen Sound geschaffen. Und an dem feilt das britische Trio Mammal Hands auch auf dem fünften Album Gift From The Trees. Drummer Jesse Barrett, Saxofonist und Klarinettist Jordan Smart und Pianist Nick Smart changieren wieder geschickt zwischen Trance, Ambient, Cinematischem und Jazz. Und dabei schaffen sie ganz sensible Klangbilder voller Schönheit. Am 7. Juni ist das Trio übrigens live im Dortmunder „domicil“ zu erleben.
Schon zum zweiten Mal trifft sich der südafrikanisch-israelische Bassist Yosef Gutman Levitt mit dem israelischen Gitarristen Tal Yahalom zu Aufnahmen in der intimen Duo-Konstellation. Auf Tsuf Harim nehmen sie Nigunim, traditionelle textlose jüdische Melodien, und setzen sie in ein neues, kammermuskalisches Duolicht. Auf der fünfsaitigen akustischen Bassgitarre und dem Kontrabass lässt Gutman die Melodien herrlich singen, während Yahalom seine gefühlvollen Gitarrenklänge, mit Nylon- und Stahlsaiten erzeugt, darumlegt. Warm, ruhig, manchmal fast flüsternd sorgt diese Musik für viel Wohlgefühl beim Hören.
Achim Seifert Project: Dünyalar (Double Moon Records)
Einen fein gewobenen Modern Jazz hat Markus Harm im Angebot auf Foresight. Der Nürnberger Saxofonist und sein und sein mit Gitarre, Bass und Schlagzeug besetztes Quartett strotzen hier vor Ideenkraft und setzen ihre Musik auch mal mit einem Olivier Messiaen in Beziehung. Swing und Hardbop, die Spaß machen.
Labelkollege und E-Bassist Achim Seifert bringt dagegen auf Dünyalar zwei musikalische Welten zusammen, den Jazz mit türkischer Musik. Der Sohn eines türkischen Vaters, arrangiert hier traditionelle Lieder aus der Türkei, steuert aber auch Originalmaterial zu diesem Album bei. Und schafft mit seiner exzellenten Band einen poetischen Crossover, der in jedem Moment völlig organisch und natürlich rüberkommt.
So einige Künstler haben sich schon an die Musik der großen Joni Mitchell herangemacht, sie neu interpretiert. Hier sind es die deutsche Pianistin Monika Herzig und US-Sängerin Janiece Jaffa. Herzig hat neun Stücke der Kanadierin arrangiert, Jaffa singt sie, begleitet von einer feinen Band mit Herzig. Dass die Sängerin kurz nach der Fertigstellung dieses Projektes nach einer Herzoperation Ende 2022 starb, ist tragisch. Umso schöner, dass Both Sides Of Joni nun erscheint und Mitchells Kompositionen wunderbar zum Funkeln bringt.
Die Harfe im Jazz ist noch immer alles andere als Standard. Schön wenn eine Musikerin dieses wunderschöne Instrument so in den Jazzkontext zu setzen versteht wie Brandee Younger. Auf Brand New Life interpretiert die Amerikanerin vor allem Stücke einer Ikone der Jazz-Harfe, Dorothy Ashby. Younger aber klingt hier erfrischend hip und modern, was auch an ihren coolen Mitstreitern wie Drummer Makaya McCraven, Vibrafonist Joel Ross, Rapper und DJ Pete Rock oder Sängerin Mesehell Ndegeocello liegt.
Modernen Mainstream-Jazz mit einer schönen Stimme auf dem Tenorsaxofon bietet US-Saxer Walter Smith III auf seinem ersten Album für das legendäre Blue Note-Label. Bis auf eine Kate Bush-Nummer stammen alle Stücke vom Bandleader selbst, der auf Return To Casual ein breites Spektrum an Stimmungen abdeckt. Und eine Band mit Cracks wie Pianist Taylor Eigsti, Drummer Kendrick Scott oder Trompeter Ambrose Akinmusire immer an seiner Seite weiß. Die Tradition im Blick, die eigene Stimme im Angebot – dieses Album macht durchaus Freude.
Ein echter Saxofon-Gigant war der im letzten Jahr verstorbene Pharoah Sanders, der 1980 in der Hamburger Fabrik vorbeischaute. Zusmammen mit den formidablen John Hicks am Piano, Curtis Lundy am Bass und Idris Muhammad am Schlagzeug. Bis auf eine Standard-Ballade stammen alle Stücke dieses Konzertmitschnitts aus der Feder von Sanders, darunter auch sein berühmtestes, The Creator Has A Masterplan. Spirituell und intensiv bläst der Saxofonist hier wie immer seine Linien, das Feuer lodert, die band agiert dicht und inspiriert. Eine echte Perle, diese Aufnahmen.
Christopher Hale: Ritual Diamonds (Earshift Music)
Eine zufällige Backstage-Bekanntschaft bei einem koreanischen Festival wurde zum Beginn einer großen musikalischen Freundschaft zwischen dem australischen Bassisten und Komponisten Christopher Hale und der koreanischen Schlagzeugerin Minyoung Woo. Auf Ritual Diamonds bringen die beiden Freunde, mit Unterstützung einer Riege von Top-Jazzern Australiens, koreanisches rituelles Trommeln und zeitgenössischen Jazz ziemlich gut zusammen. Komplizierte Rhythmen treffen auf starke Melodien und Improvisationen. Und trotz der kulturell unterschiedlichen Welten klingt das Ergebnis nie nach erzwungener Ethno-Fusion, sondern viel mehr nach zeitlos schöner, organischer Jazzmusik, die lediglich ganz am Ende in die pure Faszination koreanischer Trommelkunst entführt.
Eine zufällige Backstage-Bekanntschaft bei einem koreanischen Festival wurde zum Beginn einer großen musikalischen Freundschaft zwischen dem australischen Bassisten und Komponisten Christopher Hale und der koreanischen Schlagzeugerin Minyoung Woo. Auf Ritual Diamonds bringen die beiden Freunde, mit Unterstützung einer Riege von Top-Jazzern Australiens, koreanisches rituelles Trommeln und zeitgenössischen Jazz ziemlich gut zusammen. Komplizierte Rhythmen treffen auf starke Melodien und Improvisationen. Und trotz der kulturell unterschiedlichen Welten klingt das Ergebnis nie nach erzwungener Ethno-Fusion, sondern viel mehr nach zeitlos schöner, organischer Jazzmusik, die lediglich ganz am Ende in die pure Faszination koreanischer Trommelkunst entführt.
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FAST TRACKS Volume 31
Neue CDs, kurz vorgestellt
Warum sich Schauspielerin und Autorin Alexandra Helmig als Sängerin Ada Morghe nennt, wer weiß. Ist eigentlich auch egal, was aber keinesfalls auf ihr Konzeptalbum Lost zutrifft. Das dreht sich um die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft. Und präsentiert die gebürtige Düsseldorferin als eindringliche, charismatische Sängerin zwischen Jazz, Soul, Funk und gehaltvollem Pop. Mit einer Spitzenband im Rücken lässt es die Sängerin oft ultralässig angehen beim Singen. Und genau das macht den Reiz ihrer Kunst aus.
Die senegalesische Sängerin Julia Sarr verzaubert auf Njaboot gleich vom ersten Stück an mit ihrer so eindringlichen, emotionalen, seidenen Stimme. Die in Dakar geborene und nun in Paris lebende Mezzosopranistin kombiniert auf ihrem dritten Album westafrikanische Melodien und Rhythmen und Gesang in ihrer Muttersprache Wolof mit den Piano- und Fender Rhodes-Jazzklängen von Fred Soul und weiteren, dezent hinzugefügten Instrumenten zu einer gefühlvollen, ungewöhnlichen Melange. Ein ruhiges und beruhigendes Album, das einen beim Hören sofort in den Bann zieht.
Zwischen Americana und Jazz fühlt sich nicht nur der Gitarrist Julian Lage wohl. Auch Gitarren-Kollege Bill Frisell tummelt sich gerne an diesen Schnittstellen. So treffen beide Saitenvirtuosen schon zum zweiten Mal unter Lages Namen zusammen. Die sechs hier auf The Layers zu hörenden Stücke stammen sogar aus der derselben Session des Vorgängeralbums View With A Room. Zusammen mit Bassist Jorge Roeder und Drummer Dave King unterhalten sich die beiden Saitenzauberer durchaus ein wenig experimentierfreudig in den melancholischen Stücken aus der Feder von Julian Lage. Sehr schön. Einziger Kritikpunkt: Die Albumlänge mit knapp 25 Minuten erinnert eher an ein EP-Format.
Eine echte Traumtruppe hat Billy Childs für dieses Album um sich geschart. Mit Trompeter Ambrose Akinmusire, Bassist Scott Colley und Schlagzeuger Brian Blade zeigt der US-Pianist und Komponist der meisten Songs, wie man modernen Jazz mit Sinn für Dramaturgie und Klangfarben aufbauen kann. Die langen Stücke schillern elegant, betonen die Interaktion der Band, sind vom Film Noir inspiriert und bieten einfach zeitlose Jazzmusik auf allerhöchstem Niveau.
Elegant geht auch das Mátyás Bartha Trio zu Werke. Der ungarische Jazzpianist und seine beiden Mitstreiter Danny Ziemann am Bass und Christian Salfellner am Schlagzeug interpretieren hier vier Jazzstandards und vier eigenen Kompositionen. Das Trio bleibt dabei brav im Fahrwasser des Mainstream Jazz, große Überraschungen gibt es nicht. Aber dieser Dreier swingt, kann es bei rasantem Tempo wie auch mit aller Lässigkeit oder mit viel Gefühl. So ist From This Moment On ein Album das man sich zu jeder Gelegenheit anhören kann.
Als Inder in der Schweiz betrachtet zu werden und andersherum als Schweizer, wenn er in Indien war – als Teenager war das Leben des in Lausanne aufgewachsenen Sohns einer Schweizer Lehrerin und eines Sitar-Meisters aus Rajasthan nicht immer easy. Mit seiner Musik und seiner Band Red Sun aber kann der Violinist Baiju Bhatt alle Grenzen und Unterschiede überschreiten. Seine Kenntnisse als Jazzmusiker und die indische Kultur und Musik. Wie sich das anhört, lässt sich auf der eindrucksvollen Produktion People Of Tomorrow verfolgen, wo auch mal ein Nguyên Lê, auch so ein musikalischer Weltenbummler, ein paar Gitarrenklänge beisteuert. Aber auch ohne den prominenten Gast können Baiju Bhatt & Red Sun hier mit ihrem Amalgam überzeugen, mit ihren klischeefreien, Kulturen verbindenden Jazzklängen.
Diese Dame probiert sich gerne aus. Dieses Mal sind es Lieder vor allem auf Französisch. Kein Problem für die in Miami geborene Sängerin mit französisch-haitianischen Wurzeln. Auf Mélusine singt Cécile McLorin Salvant eigene Songs, aber auch Lieder, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Mit Elementen aus der französischen Mythologie und haitianischem Voodoo erzählt sie singend Geschichten um die mythische Sagengestalt Mélusine. Und das macht sie einmal mehr ungewöhnlich und zauberhaft.
Er hat eine Riesenstimme und jetzt sein allererstes Livealbum aufgenommen, zusammen mit seiner Band und dem Luxembourg Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Gast Waltzing. Ein Unterfangen, das sich vollends gelohnt hat. Myles Sanko, britisch-französischer Soul- und Jazzsänger ghanaischer Herkunft, brilliert hier als charismatische Stimme, dem die üppigen Ochester-Arrangements genau den richtigen, reichhaltigen Background liefern, um mit seinem warmen Timbre und seinem souligem Gesang nicht nur das Luxemburger Publikum um den Finger zu wickeln.
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FAST TRACKS Volume 30
Neue CDs, kurz vorgestellt
Wenn man seine eigene Musik schon als „Poetic Jazz from the North“ bezeichnet, dann kann man schon Klänge erwarten wie sie Emil Brandqvist hier mit seinen beide Partnern am Klavier, Tuomas A. Turunen, und Bass, Max Thornberg, sowie einigen Gästen, darunter das Sjöströmska String Quartet, hier abliefert. Die Stücke des schwedischen Schlagzeugers sind zumeist ruhig, verträumt und leicht melancholisch, getragen von griffigen Melodien. Traumwandlerisch ist zudem das Zusammenspiel des Trios. Wenn man die satten 70 Minuten dieses Albums gehört hat, versteht man sofort, warum sich dieses Trio so großer Beliebtheit erfreut.
Noch ein wunderbares Jazztrio in der Besetzung Klavier, Bass und Schlagzeug. Der israelische Tastendrücker Omer Klein, Bassist Haggai Cohen-Milo und Schlagzeuger Amir Bresler zählen zu den spannendsten Jazzbands Israels. Seit zehn Jahren spielt man nun schon zusammen. Für die Aufnahmen für dieses Jubiläumsalbum hat Klein neue, einfach gehaltene Stücke Musik geschrieben sowie neue Versionen alter Trio-Stücke eingespielt. Stücke, die alle drei bestens kennen und deshalb völlig frei damit umgehen können. In den Emil Berliner Studios spielten die drei vor 30-40 Freunden in einer Live-Atmosphäre alles ein. Herausgekommen ist ein hochklassiges, fantastisches Album eines eingespielten Kollektivs.
Vor ein paar Wochen erst war sie noch in Dortmund und gab ein umjubeltes, intensives Konzert, bei dem sie gar nicht von der Bühne wollte. Und das Publikum hörte ihr nur zu gerne immer weiter zu, hat sich Carminho doch längst in die allererste Riege der spannenden Fado-Interpretinnen gesungen. Weil die Portugiesen den Fado nicht nur singt, sie ist Fado. Mit Vibrato in der starken, prägnanten Stimme trifft sie immer das Gefühlszentrum des Zuhörers. Und ja, es wird dabei oft dramatisch in den Liedern auf Portuguesa, an denen sie bei einigen Musik und/oder Text beisteuert. Aber auch die fröhlichen, tänzelnden Fados sind packend. Und mit elektrischer Gitarre, einer Lap Steel oder auch mal einem Rhodes E-Piano lässt Carminho ihren Fado auch modern funkeln.
Schon die Instrumentierung dieses Trios ist ungewöhnlich. Beate Wein (Piano, Keyboards und Effekte), Matyas Wolter (Sitar, Surbahar und Effekte) und Aaron Christ (Schlagzeug, Perkussion und Effekte) musizieren damit zwischen instrumentaler Ekstase und zurückgenommener Intimität, orientieren sich an klassischem Raga-Repertoire ebenso wie an kammermusikalischem Jazz, Pop oder Minimal Music. Das neue Album We Smell In Stereo bietet viel, Musik mit Entdeckungspotenzial.
Noch so ein spannendes Trio ist das Ingen Navn Trio der Saxofonistin Inga Rothammel. Was der Bandname überhaupt bedeutet? Keine Ahnung! Zusammen mit Gitarrist Rocco Romano und Schlagzeuger Hendrik Eichler spielt Inga Rothammel auf Elewha jedenfalls wilden, experimentellen Jazz. Aber auch sehr melodische Momente sind zu erleben. Rothammel selbst betrachtet das Album als große Improvisation, die in verschiedene Abschnitte unterteilt ist. Jeder dieser Abschnitte bietet Raum für freies Spiel, für spontanen Austausch, für Soundscapes Auch deshalb klingt diese Aufnahme so erfrischend.
Zwischen Indie-Folk und atmosphärischem Jazz bewegt sich die Schweizer Band Luumu auf ihrem dritten Album Elephant Love Song. Sängerin und Pianistin Adina Luumu, Bassist Simon Iten und Drummer Andy Schelker setzen in ihren Liedern aber auch auf zusätzliche Bläsersätze und Streicher. Thematisch geht es von gesellschaftlicher Realität und Kritik bis zu biografisch gefärbten, fragilen und melancholischen Liedern. Getragen werden die Songs durch die helle, hohe Stimme von Adina Friis, die aber immer Raum lässt um all die anderen Feinheiten der einzelnen Songs entdecken zu können.
Auch 8 Octopi kommen aus der Schweiz. Das Quartett um Flötist Ben Zahler, der auch alle Stücke und Texte auf Errors In Disguise geschrieben hat, verzichtet bewusst auf ein Schlagzeug und setzt mit Flöte, Klavier und Bass auf eine kammerjazzmusikalische Besetzung. Und die passt auch gut zu den sarkastischen, lustigen und poetischen Liedern. Die sind anspruchsvoll und kommen vor allem durch die so markante und wandelbare Stimme der Sängerin Isabelle Ritter sehr intensiv rüber. 8 Octopi sind ohnehin eine Band bei der sich genaues Zuhören lohnt.
Diese reine Frauenband hat die kanadische Sopransaxofonistin Jane Bunnett zunächst mit jungen Absolventinnen des kubanischen Musikkonservatoriums gegründet. Längst ist daraus eine angesagte Band in Nordamerika geworden, zu der inzwischen eine Sängerin aus Simbabwe und Musikerinnen aus weiteren Ländern Lateinamerikas, Spanien oder sogar dem Libanon gehören. Gemeinsam spielt man auf Playing With Fire eine spannende, afro-kubanisch geprägte Jazzfusion, die Klischees mühelos umschifft, stattdessen frisch klingt und nach neuen Sounds sucht.
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FAST TRACKS Volume 29
Neue CDs, kurz vorgestelltDieses Supertrio steht nie still und sucht stattdessen immer nach neuen Wegen und Klängen. Und so haben sich Tastenmann Bugge Wesseltoft, Bassist Dan Berglund und Drummer Magnus Öström alias Rymden nun mit dem norwegischen Rundfunkorchester Kork unter der Leitung von Lars Erik Gudim zusammengetan. Wer nun aber Streicherkitsch erwarten würde, liegt bei Wesseltoft und Co. natürlich völlig falsch. Der kraftvolle Prog-Jazz des Norwegers und seiner beiden schwedischen Mitstreiter bekommt durch das 50-köpfige Orchester einfach mehr Wucht und aufregende neue Klangfärbungen. Live in Oslo aufgenommen zeigt diese Platte eine mehr als gelungene Kooperation.
Bassist Tom Bauer alias Tomba hat einen Schwung bekannter Musiker der Münchner Jazzszene um sich geschart um mit Recollections ein ziemlich lässiges Album mit funkigem Jazz aufzunehmen. Im Mittelpunkt steht natürlich das groovende E-Bass-Spiel des Bandleaders, bei dem man Vorbilder mehr als erahnt. Marcus Miller lässt schön grüßen! Aber diese Platte macht beim Hören so viel Spaß, das würde dem US-Starbassisten sicher auch gefallen. Man höre sich nur mal Henry Mancinis Pink Panther-Thema an. Funky und groovy und dabei fluffig wie Zuckerwatte. Nur überhaupt nicht so klebrig.
Eine frische Stimme der Música Popular Brasileira (MPB) ist die Sängerin und Songschreiberin Anna Setton aus São Paulo. Ihr neues, drittes Album O Futuro É Mais Bonito hat sie in Recife im Nordosten Brasiliens aufgenommen, mit einer Reihe junger Talente von dort. Herausgekommen ist ein leichtfüßiges, verspieltes, gefühlvolles und modernes MPB-Album, getragen von der hellen und transparenten Stimme der wunderbaren Anna Setton.
Hinter der Smokers Lounge stecken die drei dänischen Musiker und Multiinstrumentalisten Jens Haack (Saxofon und Trompete), Ben Besiakov (Keyboard & Bass) und Mikkel Nordsø (Gitarren, Bass, Synthesizer, Perkussion und Drum Programming). Mit Hilfe von einigen gelegentlichen Gastmusikern zaubern die Dänen coole, groovige laid-back Klänge zwischen Soul und Smooth Jazz, zu denen man herrlich entspannen kann. Chillige Musik für einen genussvollen Nachmittag oder Abend, zu der man sich ganz gemütlich eine anstecken kann. Oder sich auch nur ein leckeres Getränk mit oder ohne Alkohol gönnt.
Melodisch und gesanglich ist sein Gitarrenspiel. Und vielschichtig, greift Daniel Stelter hier doch zur elektrischen wie auch zur akustischen Gitarre. Um einen Schwung an musikalischen Geschichten zu erzählen. Da kann es dann auch schon mal Richtung Pop drehen, wie beim Vokaltrack „Mama Said“, mit den Stimmen von John Jagger und Thabilé. Oder knackig-rhythmischen Jazz auf die Ohren geben. Stelter und seine Mitstreiter servieren von gefühlvoller Ballade bis Neoklassik und Groove-Jazz eine bunte Palette an Klängen. Nicht zu vergessen die kammermusikalisch gehaltene, im Duo mit Schlagwerker Tommy Baldu gespielte, vierteilige „Full Of Tales Suite“.
Der stilvolle Vintage-Sound fällt sofort auf. Und diese Stimme! Die Sängerin Lina Jacobs ist erst Anfang 20, klingt aber schon wahnsinnig reif, rau und nach viel gelebtem Leben. Die Hannoveranerin beglückt uns jetzt mit ihrem Debütalbum. Einem Werk, das ganz organisch die 1960er und 1970er musikalisch wieder zum Leben erweckt. In einem Spannungsfeld aus Retro-Soul, Blues, Rock, Pop oder Reggae. Gespeist von warmen Bläsern, groovigen Rhythmen, schwingenden Gitarren oder einer betörenden Langsamkeit. Großes Ohrenkino.
Bedächtig geht dieses Album los. Mir gefühlvoll gespielten Noten auf der E-Gitarre. Langsam setzt der Kontrabass ein, dann das Schlagzeug. Aber alles verhalten und in einem ruhigen Fluss. Das nächste Stück ist dann schon wesentlich griffiger und rockiger, mit Spielraum für Improvisiertes, bevor das Trio sich wieder auf ein lässiges Zusammenspiel besinnt. Der estnische Gitarrist Jaak Sooäär, der aus Armenien stammende Bassist Ara Yaralyan und der finnische Schlagwerker Markku Ounaskari bieten auf ihrer dritten gemeinsamen Platte Zula eine schöne Vielfarbigkeit an Stimmungen und Klängen und damit einen jederzeit klischeefreien Gitarrenjazz.
Frischen Jazz aus Spanien gibt es von der in Barcelona geborenen Trompeterin und Sängerin Alba Careta und ihrer mit Klavier, Tenorsaxofon, Bass und Schlagzeug besetzten Band. Sechs eigene Kompositionen und zwei katalanische Stücke finden sich auf dem neuen Album Teia, einer Platte, die mal energiegeladen, dann aber auch wieder mit viel Gefühl moderne und zeitlose Jazzgeschichten erzählt. Und auch wenn hier der strahlende Trompetenton und der markante Gesang der Bandleaderin prägnant sind, darf auch die Band immer wieder zeigen was sie so kann.
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FAST TRACKS Volume 28
Neue CDs, kurz vorgestellt
Großartige Platten macht er schon lange. Die neue ist da keine Ausnahme. Zusammen mit vier Cracks der US-Szene hat Jim Snidero Far Far Away eingespielt. Ein Album das natürlich geprägt ist vom Spiel des Bandleaders auf dem Altsaxofon und seinem Counterpart als Solisten, Gitarrist Kurt Rosenwinkel. Die Rhythmusgruppe um Pianist Orrin Evans macht zudem einen erstklassigen Job, so dass alle acht Stücke, sieben davon aus der Feder Snideros, einen rundum gelungenen, auch mal swingenden Jazz zwischen Tradition und Trend bieten.
Auch Johannes Enders ist so ein Wahnsinnssaxofonist. Der Weilheimer zollt auf seinem neuen Album dem großen Sonny Rollins Tribut, mit einer Mischung aus Kompositionen des Saxofon-Kolosses und eigenem Material. Im Trio mit Bassist Henning Sieverts und Drummer Jorge Rossy wird dabei auch schon mal die Taktart einer Rollins-Nummer geändert. Überhaupt spielt das Trio mit einer packenden Temposchärfe, mit ausgefuchstem Interplay und immer mit einem Blick nach vorne.
Songs der Beatles hat Brad Mehldau seit Jahren im Programm. Doch kein Stück von diesem Album spielte er bislang ein. Auch das macht die Soloeinspielung des begnadeten US-Pianisten interessant. Und natürlich wie er Stücke wie I Am The Walrus oder I Saw Her Standing There interpretiert - letzteren etwa als witzigen Boogie-Woogie. Live in der Pariser Philharmonie aufgenommen, zeigt dieses Werk die ganze Kreativität Mehldaus. Baby´s In Black zu einem Gospel zu machen, darauf muss man erst einmal kommen. Und auch wenn er mal nahe bei den Originalen bleibt, bieten die Interpretationen immer Raum für Entdeckungen.
Ein improvisiertes Intro. Und dann wird es erst einmal zurückgenommen. Ein sonorer Kontrabass erklingt, ein Beckenschlag, dann ein wenig mehr Drums, bis der Pianist ein paar Töne hintupft. Wunderbar. Das dänische Klaviertrio Little North weiß wie man besondere Stimmungen erzeugt und zeigt diese Kunst auch wieder auf Wide Open. Pianist Benjamin Nørholm Jacobsen, Bassist Martin Brunbjerg Rasmussen und Schlagwerker Lasse Jacobsen haben längst ihre ganz eigene Formel von atmosphärischer, dichter Jazzmusik gefunden. Die mal intim klingt, meditativ und melancholisch, aber auch klangforschend.
Live at the Berlin Jazzbühne Festival 1982 (The Lost Recordings)
Zwei Männer, zwei Gitarren -und ein Bass- und zwei Konzerte an einem Tag. Es war das Jahr 1982, und die beiden Belgier spielten abends in einem Westberliner Club. Am Nachmittag ging es zuvor aber in ein strenges Theater in Ost-Berlin, in die Volksbühne. Und dort liefen die Aufnahmebänder mit. Und zu hören ist der damals erst siebzehnjährige Nicolas Fiszman, der mit seinem über 20 Jahre älteren Landsmann Philip Catherine ein kongeniales Duo abgibt. Vor allem weil es hier um die Kommunikation untereinander geht, trotz der enormen Virtuosität beider Gitarreros. Das Ergebnis ist eine wunderbar leichtfüßige, mehrstimmige Musik.
Ein Lied vom gerade verstorbenen Burt Bacharach ist auch dabei, gleich zu Beginn. Und Songs von Hank Williams, Jazzstandards oder Musik von den Bee Gees. Simone Kopmajer bietet auf With Love einen bunten Strauß an Songs, die man kennt, die berühren. Evergreens aus verschiedenen Genres, denen die Sängerin aus der Steiermark mit ihrer volltönenden Stimme viel Gefühl einverleibt. Ob sie dabei lässig swingt oder in Balladen schmachtet, egal. Kopmajer trifft immer den richtigen Ton. Zeitlos, elegant, schön.
Sie kommt aus dem Norden Norwegens, lebt inzwischen aber in Berlin. Die Singer/Songschreiberin Inger Nordvik ist für Hibernation kurz vor dem ersten Lockdon in ihre nordnorwegische Heimat und zog sich dort in eine Hütte am Meer zurück. Frühmorgens ging es zum Eisbaden und dann in der Hütte ans Komponieren. Herausgekommen ist ein wunderschönes, warm-organisches Album voller beseelter Songs. Ausdrucksstark, mal zart, mal kraftvoll, singt die Norwegerin ihre poetischen Lieder, die stilistisch ungebunden und geschickt orchestriert auch musikalisch viele Facetten bereithalten.
Mareille Merck LARUS: Stille Wasser (Eigenproduktion)
In der Züricher Szene hat sich die gebürtige Norddeutsche Mareille Merck schon etabliert. Und in den renommierten Powerplay Studios nahe Zürich, in denen schon Keith Jarrett, Prince oder Lady Gaga aufgenommen haben, hat die Gitarristin ihr zweites Album eingespielt. Das heißt zwar Stile Wasser, aber der Albumtitel ist eher so gemeint dass in einem tiefen See viele Ideen und Konzepte unter der Oberfläche warten. Zusammen mit Bassist Florian Bolliger und Schlagzeuger Janic Haller gibt es sieben vielfarbige, dichte, eingängig wie komplexe, auch mal rockige Jazzstücke zu hören, auf denen die Fender Stratocaster der Bandleaderin herrlich vielseitig schillert. ___________________________________________________________________________________________
FAST TRACKS Volume 27
Lucas Santtana: O Paraíso (Nø Førmat!)
Seidenweicher Gesang und zartes Gitarrenspiel in einem Umfeld zwischen brasilianischen Klängen, Jazz und Electronica, das ist Lucas Santtana. Der Brasilianer aus Salvador de Bahia beleuchtet zusammen mit weiteren Musikern auf O Paraíso das Paradies Erde mit all seiner Schönheit und seinen Problemen, mit seinen Warnungen, die der Mensch endlich auch ernst nehmen muss. Dass er dabei tiefgründige Botschaften klanglich in luftige Leichtigkeit verpackt, ist sein Markenzeichen auch hier.
Seidenweicher Gesang und zartes Gitarrenspiel in einem Umfeld zwischen brasilianischen Klängen, Jazz und Electronica, das ist Lucas Santtana. Der Brasilianer aus Salvador de Bahia beleuchtet zusammen mit weiteren Musikern auf O Paraíso das Paradies Erde mit all seiner Schönheit und seinen Problemen, mit seinen Warnungen, die der Mensch endlich auch ernst nehmen muss. Dass er dabei tiefgründige Botschaften klanglich in luftige Leichtigkeit verpackt, ist sein Markenzeichen auch hier.
Ian Lasserre: Meu Único Medo É Primavera (ajabu!)
Auch Santtanas Landsmann Ian Lasserre stammt aus Bahia, ist Sänger und Songschreiber, spielt Gitarre und singt mit einer sehr wohltuenden, sanften Stimme. Zwischen zeitgenössischem Jazz und der MPB (Música Popular Brasileira) schreibt Lasserre ebenfalls luftig-leichte, wunderschöne Songs mit textlichem Tiefgang. Durch einige Gastmusiker an Piano, Bass, Schlagwerk oder Flügelhorn bekommen diese Songs viele Klangfarben.
Luigi Viva & Luigi Masciari: Viva De André (Millesuoni)
Viva De André ist dem 1999 gestorbenen, italienischen Liedermacher Fabrizio De André gewidmet. Dieses Album ist die Geschichte des gleichnamigen Konzertes, das auf wichtigen italienischen Jazzfestivals zu hören war. Fabrizio De André hatte ein große Leidenschaft für den Jazz. An allen zehn Kompositionen dieser Einspielung hat er zumindest mitgeschrieben, wenn er sie nicht sogar alleine komponiert hat. Herausgekommen ist eine sehr schöne und gefühlvolle, durchaus italienisch gefärbte Jazzplatte, gespielt von bis zu acht Musikern unter der Leitung von Gitarrist Luigi Masciari, und Autor Luigi Viva.
Auch Santtanas Landsmann Ian Lasserre stammt aus Bahia, ist Sänger und Songschreiber, spielt Gitarre und singt mit einer sehr wohltuenden, sanften Stimme. Zwischen zeitgenössischem Jazz und der MPB (Música Popular Brasileira) schreibt Lasserre ebenfalls luftig-leichte, wunderschöne Songs mit textlichem Tiefgang. Durch einige Gastmusiker an Piano, Bass, Schlagwerk oder Flügelhorn bekommen diese Songs viele Klangfarben.
Viva De André ist dem 1999 gestorbenen, italienischen Liedermacher Fabrizio De André gewidmet. Dieses Album ist die Geschichte des gleichnamigen Konzertes, das auf wichtigen italienischen Jazzfestivals zu hören war. Fabrizio De André hatte ein große Leidenschaft für den Jazz. An allen zehn Kompositionen dieser Einspielung hat er zumindest mitgeschrieben, wenn er sie nicht sogar alleine komponiert hat. Herausgekommen ist eine sehr schöne und gefühlvolle, durchaus italienisch gefärbte Jazzplatte, gespielt von bis zu acht Musikern unter der Leitung von Gitarrist Luigi Masciari, und Autor Luigi Viva.
Die Drahtzieher: Out Of Silence (ohne Label, Vertrieb: die-drahtzieher.com)
Feinsten Gypsy-Jazz gibt es von dem Trio Die Drahtzieher auf ihrem zweiten Album Out Of Silence zu hören. Sämtliche Stücke stammen wieder vom Gitarristen David Klüttig, der mit dem zweiten Gitarristen Bobby Guttenberger und dem Kontrabassisten Kolja Legde kongeniale Partner an seiner Seite weiß. Dazu kommen noch gelegentliche Gäste an Akkordeon, Saxofon oder Streichern. Und fertig ist ein beruhigendes, aber doch auch beschwingendes und elegant swingendes Album.
Frederik Köster / Die Verwandlung: Stufen (Traumton)
Zehn Jahre schon gibt es die Band Die Verwandlung von Frederik Köster. Die Stücke auf dem neuen Album Stufen hat der Trompeter während des ersten Corona-Lockdowns geschrieben, als er oft in der Natur und im Wald unterwegs war. Pianist Sebastian Sternal, Bassist Joscha Oetz und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel zeigen sich zusammen mit Köster bei den zwei live im Kölner Loft aufgezeichneten sieben Stücken einmal mehr als kreative Musiker, die sich stilistisch aus ganz unterschiedlichen musikalischen Quellen inspirieren lassen, daraus aber ihren ganz eigenen, jederzeit spannenden modernen Jazz stricken.
Phil Ranelin & Wendell Harrison - Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad: Jazz Is Dead 16 (Jazz Is Dead)
Mit dem Posaunisten Phil Ranelin und dem Saxofonisten und Klarinettisten Wendell Harrison haben sich die beiden Musiker und Produzenten Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad gleich zwei Gäste mit langer Musikgeschichte für die bereits 16. Ausgabe ihrer Album-Reihe Jazz Is Dead eingeladen und gemeinsam mit ihnen hippe, zeitlose Jazzmusik geschrieben und zusammen mit Drummer Greg Paul aufgenommen. Wie immer bei dieser Reihe hört man groovende Musik mit echtem Vintage-Faktor in Sachen Sound.
Claus Raible Trio: Fugitive Figures (Alessa)
Seine Vorbilder hört man schon heraus. Ein Thelonious Monk etwa. Oder ein Bud Powell. Sich von Idolen zu lösen und sich dabei seine eigene Stimme zu schleifen, das ist dem in Karlsruhe geborenen Pianisten Claus Raible vorzüglich gelungen. Erstmals stellt er auf Fugitive Figures ausschließlich eigene Kompositionen auf einem Album vor. Es sind Bebop-Stücke, mit Ausflügen in den Hardbop, die wunderbar geschmeidig swingen, harmonisch findungsreich sind und im Verbund mit seinen kongenialen Triopartnern Giorgos Antoniou am Bass und Xaver Hellmeier am Schlagzeug allesamt herrlich funkeln.
August Canino: All In (uniSono)
Leicht funkigen Smooth Jazz serviert der Frankfurter Gitarrist August Canino auf seinem Album All Inn, das mit einer Länge von nur 24 Minuten eher den Status einer EP aufweist. Nun gut, lässt sich eben nur kurz relaxen beim Hören der sechs alle von Canino komponierten Stücke. Mit einer ganzen Riege internationaler Musiker eingespielt, gefeatured wird besonders US-Saxofonist Chase Baird, bietet All Inn leichtverdauliche, nette Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger.
Mikkel Ploug Group feat. Mark Turner: Nocturnes (Stunt)
Noch ein Gitarrist, der auf das Saxofon als weitere prägende Klangfarbe seiner Band setzt. Der dänische Saitenvirtuose Mikkel Ploug und US-Saxer Mark Turner spielen schon mehr als anderthalb Dekaden zusammen. Auf dem neuen gemeinsamen Album, eingespielt wieder zusammen mir dem dänischen Bassisten Jeppe Skovbakke und dem irischen Drummer Sean Carpio, gibt es neben neuen Komposition des Bandleaders auch Material der beiden dänischen Klassik-Komponisten Bent Sørensen und Carl Nielsen zu hören. Nocturnes sei ein Album der Nacht und für die Nacht, wie es Mikkel Ploug selbst beschreibt. Es ist auf jeden Fall ein beruhigendes, entspanntes, atmosphärisches, wunderschönes, zeitloses Jazzalbum geworden.
Text: Christoph Giese
Feinsten Gypsy-Jazz gibt es von dem Trio Die Drahtzieher auf ihrem zweiten Album Out Of Silence zu hören. Sämtliche Stücke stammen wieder vom Gitarristen David Klüttig, der mit dem zweiten Gitarristen Bobby Guttenberger und dem Kontrabassisten Kolja Legde kongeniale Partner an seiner Seite weiß. Dazu kommen noch gelegentliche Gäste an Akkordeon, Saxofon oder Streichern. Und fertig ist ein beruhigendes, aber doch auch beschwingendes und elegant swingendes Album.
Zehn Jahre schon gibt es die Band Die Verwandlung von Frederik Köster. Die Stücke auf dem neuen Album Stufen hat der Trompeter während des ersten Corona-Lockdowns geschrieben, als er oft in der Natur und im Wald unterwegs war. Pianist Sebastian Sternal, Bassist Joscha Oetz und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel zeigen sich zusammen mit Köster bei den zwei live im Kölner Loft aufgezeichneten sieben Stücken einmal mehr als kreative Musiker, die sich stilistisch aus ganz unterschiedlichen musikalischen Quellen inspirieren lassen, daraus aber ihren ganz eigenen, jederzeit spannenden modernen Jazz stricken.
Mit dem Posaunisten Phil Ranelin und dem Saxofonisten und Klarinettisten Wendell Harrison haben sich die beiden Musiker und Produzenten Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad gleich zwei Gäste mit langer Musikgeschichte für die bereits 16. Ausgabe ihrer Album-Reihe Jazz Is Dead eingeladen und gemeinsam mit ihnen hippe, zeitlose Jazzmusik geschrieben und zusammen mit Drummer Greg Paul aufgenommen. Wie immer bei dieser Reihe hört man groovende Musik mit echtem Vintage-Faktor in Sachen Sound.
Seine Vorbilder hört man schon heraus. Ein Thelonious Monk etwa. Oder ein Bud Powell. Sich von Idolen zu lösen und sich dabei seine eigene Stimme zu schleifen, das ist dem in Karlsruhe geborenen Pianisten Claus Raible vorzüglich gelungen. Erstmals stellt er auf Fugitive Figures ausschließlich eigene Kompositionen auf einem Album vor. Es sind Bebop-Stücke, mit Ausflügen in den Hardbop, die wunderbar geschmeidig swingen, harmonisch findungsreich sind und im Verbund mit seinen kongenialen Triopartnern Giorgos Antoniou am Bass und Xaver Hellmeier am Schlagzeug allesamt herrlich funkeln.
Leicht funkigen Smooth Jazz serviert der Frankfurter Gitarrist August Canino auf seinem Album All Inn, das mit einer Länge von nur 24 Minuten eher den Status einer EP aufweist. Nun gut, lässt sich eben nur kurz relaxen beim Hören der sechs alle von Canino komponierten Stücke. Mit einer ganzen Riege internationaler Musiker eingespielt, gefeatured wird besonders US-Saxofonist Chase Baird, bietet All Inn leichtverdauliche, nette Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger.
Noch ein Gitarrist, der auf das Saxofon als weitere prägende Klangfarbe seiner Band setzt. Der dänische Saitenvirtuose Mikkel Ploug und US-Saxer Mark Turner spielen schon mehr als anderthalb Dekaden zusammen. Auf dem neuen gemeinsamen Album, eingespielt wieder zusammen mir dem dänischen Bassisten Jeppe Skovbakke und dem irischen Drummer Sean Carpio, gibt es neben neuen Komposition des Bandleaders auch Material der beiden dänischen Klassik-Komponisten Bent Sørensen und Carl Nielsen zu hören. Nocturnes sei ein Album der Nacht und für die Nacht, wie es Mikkel Ploug selbst beschreibt. Es ist auf jeden Fall ein beruhigendes, entspanntes, atmosphärisches, wunderschönes, zeitloses Jazzalbum geworden.
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FAST TRACKS Volume 26
Junge Jazzer sind wieder auf der Suche nach kosmischen Klängen, wie sie einst der unsterbliche John Coltrane in die Luft blies. Bassist Dezron Douglas spielt in der Band von dessen Sohn Ravi Coltrane, arbeitete aber auch mit Legenden wie Pharoah Sanders oder Hipstern wie dem Drummer Makaya McCraven zusammen. Mit Atalaya begibt sich der 41-jährige US-Amerikaner gemeinsam mit seinem Quartett mit Saxofonist Emilio Modeste auf spirituelle Pfade. Die allerdings münden nicht in ekstatischen Eskalationen wie beim großen Coltrane, sondern treiben mit kontrollierten Kräften energievoll durch den musikalischen Weltraum.
Als Spross einer Sinti-Familie in Niederbayern geboren und lange schon in Nürnberg lebend hat Jermaine Landsberger nicht die Gitarre zu seinem Instrument erkoren, sondern die Orgel und das Klavier, auf dem er hier ausschließlich zu hören ist. Trotz seines Interesses am modernen Jazzpiano hat er sich immer etwas vo seinem Gypsy-.Background in seinem Spiel bewahrt. US-Trompeter Randy Brecker hat hier die Liner Notes verfasst und hört in Landsbergers Spiel eine „harmonische Sensibilität, die einem eine Träne ins Auge drückt, aber gleichzeitig wie verrückt swngt“. Wie wahr. With Heart and Soul klingt genau so und klingt durchweg elegant und spannend, was auch an den Mitstreitern wie Trompeter Axel Schlosser, Saxofonist Tony Lakatos oder Akkordeonist Marcel Loeffler liegt.
Zwei Bläser, Rhythmusduo, Musiker aus drei Ländern – das ist die Band Free Swing. Der Bandname ist dabei Programm, denn auf Tuuri swingt das internationale Quartett mit freiem Geiste. Der deutsche Trompeter Axel Schlosser, die beiden Schweden Karl-Martin Almqvist am Tenorsaxofon und Matthias Welin am Bass sowie der Finne Jaska Lukkarinen am Schlagzeug lassen ein Harmonieinstrument dabei völlig vergessen, so intensiv und dicht klingen sie in ihren bis auf eine Ausnahme ausschließlich eigenen Kompositionen. Moderner, zeitloser Jazz, der seine traditionellen Wurzeln nicht verleugnet und mit spannenden Dialogen und solistischen Ausflügen verwöhnt.
Schon das fünfte Album in zehn Jahren Bandgeschichte bringen Kansas Smitty´s nun heraus. Das Oktett rund um den in London beheimateten, italo-amerikanischen Saxofonisten und Klarinettisten Giacomo Smith vereint verschiedene musikalische Strömungen zu einem homogenen Bandsound. Sie spielen Swing für eine neue Ära. Elemente des modernen Jazz treffen auf Westafrikanisches sowie Pop und Blues. Emotionen möchte Smith mit seiner Truppe und seiner Musik dabei erzeugen. Das funktioniert bestens mit dieser eigenständigen und überraschenden Neubelebung von altem Swing-Jazz.
Auf seinem eigenen, wie er selbst in Amsterdam beheimatetem Plattenlabel bringt der bulgarische Pianist Dimitar Boduvov mit Senkya Padna das sechste Album mit seinem Trio heraus. Zu dem gehören noch Bassist Mihail Ivanov und der in der Domstadt lebende deutsche Schlagzeuger Jens Düppe. Und schon das Titelstück zum Auftakt, mit dem Sample einer singenden Frau, die einen archaischen traditionellen Folksong intoniert, nimmt beim Zuhören mit seiner Intensität gefangen. Alle von Bodurov komponierten acht Lieder basieren auf traditionellen Liedern und Motiven Bulgariens. Im Verbund mit zeitgenössischem Jazz und klassischen Elementen entstehen spannende Stücke Musik, die bis zum letzten Ton fesseln.
Feinen melodischen Jazz ohne jegliches Imponiergehabe gibt es auf dem zweiten Album des Quartetts des Pianisten Andreas Feith zu hören. Aber wer Partner wie den Saxofonisten Lutz Häfner, den Bassisten Martin Gjakonovski und den Schlagzeuger Silvio Morger an seiner Seite weiß, kann sich ganz der Gestaltungskraft von starken Stücken Musik hingeben. Dass Feith auf drei der acht Nummern zum Synthesizer greift, sorgt zudem für Klangvielfalt einer wunderschönen, relaxten, zeitlosen Modern Jazz-Platte.
Sie schreibt ihre Songs in gleich drei Sprachen: Finnisch, Schwedisch und Englisch. Kein Problem für Laura Hagnäs, die an der finnischen Westküste zweisprachig aufwuchs. In einem einsam gelegenen Häuschen in den finnischen Wäldern zog sich die Wahlberlinerin über Silvester 2019 zurück, nur mit ihrer Gitarre und einem Mikrofon, um ihr nun vorliegendes Debütalbum anzugehen. Entstanden ist ein beruhigendes, sehr minimalistisches Werk zwischen Folk, Blues und Jazz, das nicht nur, aber doch auch sehr gut zur besinnlichen Weihnachtszeit passt.
Die iranische Sängerin Mahsa Vahdut wartet einmal mehr mit einem sehr eindringlichen Werk auf. Die Zöpfe der Unschuld, wie der Albumtitel auf Deutsch übersetzt heißt, ist natürlich ein politisches Statement auf die aktuelle Situation im Iran, hat aber schon eine Geschichte aus Vahdats Kindheit als Hintergrund, als sie ihren Onkel im Teheraner Gefängnis besuchte, wo er wegen politischen Aktivitäten einsaß, und ihn auf ihre Zöpfe blicken ließ, die eigentlich komplett hätten verborgen werden müssen. Das mit dem norwegischen Chor SKRUK und der norwegischen Soloharfenistin Ellen Bødtker in einer Kirche eingespielte Album berührt durch seine Schlichtheit aus Gesang, in Farsi und Englisch, und Harfe umso mehr. Starke Musik einer starken Frau.
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FAST TRACKS Volume 25
Neue CDs, kurz vorgestelltGitarre, ein wenig Stimme sowie Drums – daraus entstehen bei Lionel Loueke und Ziv Ravitz fein gesponnene, intime Dialoge, die stimmungsmäßig vielfarbig schillern. Der aus dem westafrikanischen Benin stammende Gitarrist und Sänger, dessen Mentor niemand Geringres als Jazzikone Herbie Hancock war und ist, und der israelische Schlagzeuger, den die Jüdische Allgemeine mal als „Taktgeber der jungen israelischen Jazzszene“ beschrieb, trafen sich Ende 2021 zu einem Duo-Konzert in einem Schweizer Club. Die Aufnahmebänder liefen mit und so lässt sich dieses Konzert jetzt auf Tonträger nachhören. Mit Musik, die mal bedächtig daherkommt, dann vertrackt groovt, sogar leicht rockige Momente hat, sich in improvisatorische Felder begibt, um dann wieder sehr soulful zu klingen.
Jazz und Harfe – beim Quartett der Schweizer Harfenistin und Komponistin Julie Campiche steht dieses Instrument in ihrer eigenen Band natürlich im Fokus. Und klingt in den allesamt von ihr oder Mitgliedern ihrer Band komponierten Stücke des zweiten Albums des Quartetts völlig natürlich in einem für dieses Instruemnt normalerweise eher unüblichen Jazzkontext. Campiche, Saxofonist Leo Fumagalli, Bassist Manu Hagmann und Schlagwerker Clemens Kuratle warten auf You Matter mit weitestgehend akustischer Musik auf, die aber mit elektronischen Effekten verfremdet wird und den Zuhörer auf vielschichtige, modern jazzige Klangreisen mitnimmt. Die Songs haben vielfach sozialkritische Botschaften, was vor allem beim Stück „Fridays Of Hope“ unüberhörbar ist, sind hier doch gesampelte Auszüge einer Rede von Klimaaktivistin Greta Thunberg in die Musik eingewoben.
Ahmad Jamal: Emerald City Nights:
Live at the Penthouse (1963-1964) und (1965-1966) (Jazz Detective)Der US-Musikproduzent Zev Feldman hat eine Spürnase für alte Aufnahmen großer Jazzmusiker. Und so entdeckte er auch bislang unveröffentlichtes Material von Ahmad Jamal. Die Pianolegende aus Pittsburgh, inzwischen schon stolze 92 Jahre alt, musste dann erst mal überredet werden, diese Aufnahmen freizugeben. Es hat geklappt und so kommt man nun in den Genuss von zwei Doppel-CDs, die Mitte der 1960er Jahre im Penthouse Jazzclub in Seattle mitgeschnitten wurden und Ahmad Jamal in verschiedenen Trio-Settings zeigen. Dieser Club existierte nur sieben Jahre, aber Größen wie John Coltrane, Stan Getz, Little Richard oder Aretha Franklin raten dort auf. Und Ahmad Jamal. Er spielt Jazzstandards und ein paar eigene Stücke. Und man hört vor allem seine frappierende Eigenständigkeit, seinen Sinn für Rhythmik, seine Eleganz beim Klavierspiel. Miles Davis hat ihn mal seinen Lieblingspianisten genannt. Beim Abspielen dieser großartigen Aufnahmen ahnt man warum.
Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad – Garrett Saracho: Jazz Is Dead 15 (Jazz Is Dead)
In der Runde 15 der Reihe Jazz Is Dead präsentieren die beiden HipHop-Produzenten und Musiker Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad den Pianisten Garrett Saracho, der schon in den 1970er Jahren fürs Impulse-Label aufnahm oder Musik für Blockbuster-Filme beisteuerte. Nun hat er seine erste neue Musik seit Jahrzehnten eingespielt, mit einer ganzen Menge an Musikern. Und wie in dieser CD-Reihe üblich klingt das Ergebnis hip und retro zugleich. Und voller Wärme. Die Songs grooven oder kommen lässig um die Ecke, klingen spacig, dann wieder orchestral. Klasse!Ein Besuch des Mata Atlântica, dem Küstenregenwald Brasiliens, hat bei Mathias Derer nachgewirkt. Über 90% dieses Tropenwaldes sind inzwischen vernichtet. Ein Gespräch mit seinem Freund, dem Musiker Markus Reuter, haben dann zu diesem musikalischen Projekt geführt, für das Reuter Musiker wie Gary Husband, Brian Krock, Raphael Preuschl, Luca Calabrese, Andi Pupato und Gaststimmen gewinnen konnte. Auf der Basis von Feldaufnahmen der Klanglandschaft des Waldes sind Rhythmen und Melodien entstanden und übereinandergeschichtet worden zu einer Fusion/Art-Rock/Jazz-Mischung, die in langen Stücken vielschichtige, bunte Klangbilder erstrahlen lässt. Die Lebendigkeit und Schönheit dieser Musik wünscht man sich auch für die Zukunft des Atlantischen Regenwaldes. Auch wenn das fast 23-minütige letzte Stück O Fim Do Mundo mit seinen schwebenden, ruhig fließenden Sounds schon recht melancholisch geprägt ist.
Entstanden sind diese Aufnahmen zum Abschluss einer Trilogie von drei CDs im März 2020, kurz vor dem ersten Lockdown. Entsprechend hoffnungsvoll klingt die Musik des norwegischen Pianisten Oddgeir Berg und seinen zwei Partnern Karl-Joakim Wisløff am Kontrabass und Lars Berntsen am Schlagzeug. Wenn dann noch ein Gast am Altsaxofon für eine Nummer dazustößt, wird der Sound richtig hell. Ansonsten wandelt der nordische Dreier zwischen melancholischen Klängen mit Popappeal, locker Groovigem bin hin zu virtuos gespieltem, knackigen Jazzrock.
Noch ein Trio, hier aber bestehend aus E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug. Gitarrist Marcus Klossek, Bassist Carsten Hein und Schlagzeuger Derek Scherzer präsentieren sich hier als kompakte Einheit und kurzweilige Geschichtenerzähler. Groovender Jazz ohen Schnörkel und Abwege. Dabei wird aber auch mal am Gitarrensound, etwa mit Delay-Effekt, ein wenig herumexperimentiert. Und auch der Herr am Bass mag es schon mal mal spacig. Ansonsten: ein sehr solides, auch mal rockiges, spaßmachendes Jazzgitarrentrio.
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FAST TRACKS Volume 24
Neue CDs, kurz vorgestelltEr spielt mit einem melancholischen Sound, die Musik ist ideal für einen entspannten
Sonntagnachmittag. Trompeter Franco Ambrosetti verwöhnt auf Nora mit elegantem Jazz. Butterweich sein Spiel auf dem Flügelhorn in einem feinen Programm von Jazzstandards und zwei eigenen Nummern. Neben einem Allstar-Quartett mit Gitarrist John Scofield, Pianist Uri Caine, Bassist Scott Colley und Drummer Peter Erskine hat der 81-jährige Grandseigneur des Schweizer Jazz ein 22-köpfiges Streichorchester unter der Leitung von Alan Broadbent an seiner Seite. Ein Traum, den sich Ambrosetti hier nun zum ersten zweiten Mal überhaupt in seiner langen Karriere erfüllt – mit einem wunderschönen Balladen-Album voller seelenvoller Klänge.
Die Pianistin Britta Virves bringt mit Juniper ein modernes Klaviertrio-Album auf Kurt Rosenwinkel´s Label Heartcore Records heraus. Auf einem Interlude ist der Labelboss auf der Gitarre einmal als Gast dabei. Dabei hat die junge Estin namhafte Unterstützung keinesfalls nötig, so überzeugend klingt ihr Debüt. Starke Melodien und ein starkes Zusammenspiel mit Bassist Jon Henriksson und Schlagzeuger Jonas Bäckman prägen diese Aufnahme. Aber auch der schöne Sound ihres Klavierspiels betört ebenso wie die Art und Weise wie das Trio musikalisch seine kleinen, vielfarbigen Geschichten erzählt. Sensibel und hochdynamisch, das schließt sich bei diesem spannenden Dreier dabei nie aus.
Gregor Hübner – Richie Beirach – Veit Hübner: Testaments (o-tone music)
75 Jahre alt wurde Pianist Richie Beirach in diesem Mai. Die beiden Brüder Gregor Hübner (Geige) und Veit Hübner (Bass) arbeiten schon seit einem Vierteljahrhundert mit dem amerikanischen Meisterpianisten zusammen. Das 3er CD-Set Testaments ist eine wunderbare Chronik dieser Begegnungen. Zumeist im Duo (Beirach und Gregor Hübner), aber auch im Trio wird musiziert, improvisiert, werden Jazzstandards und kurze klassische Stücke beleuchtet und Eigenkompositionen gespielt. Immer mit viel Seele und inspiriert zelebrieren diese drei Musiker ihre Verbundenheit mit zeitlos schönen Klängen.Das in Amsterdam beheimatete Quartett von Bassist Omar Govreen und Vibrafonist Aleksander Sever veröffentlicht mit Maya ein feines Debütalbum mit ausschließlich eigenen Stücken der beiden Bandleader. Rein analog aufgenommen, erweist die Band, zu der noch Pianist Floris Kappeyne und Schlagzeger Wouter Kühne gehören, klanglich zwar der Vergangenheit die Ehre, doch ihre Musik ist dennoch zeitgemäß. Starke Melodien und rhythmisch spannende Wege beschreiten die four twenty-something Europeans, wie das Label die Band nennt. Mancher Song startet in eher ruhigem Fahrwasser, nimmt dann aber rhythmisch und voller Energie Fahrt auf. Ziemlich hörenswert.
„Hüpfburgjazz, Globalkitsch & Five-to-the-Floor“ steht als Beschreibung direkt unter dem Bandnamen auf der Homepage des Quintetts Evelyn Kryger. „World-Fusion-Dysko“ findet man noch an anderer Stelle. Man ahnt es vielleicht schon, die Musik der Band aus Köln, Hannover und Berlin genau zu beschreiben ist nicht so einfach. Aber diese Liveaufnahme vom letztjährigen JazzBaltica-Festival zeigt alles was die Truppe um Saxofonist Cito Kaling, Geigerin Rebecca Czech, Keyboarder Arne Dreske, Bassist Jonas Holland-Moritz und Drummer Hannes Dunker ausmacht. Die Musik ist wild, tanzbar, Fusion im besten Sinne, mal lyrisch, dann voller Spielwut und Energie, voller Grooves und kraftvoller Melodien. Ein Crossover, das jede Menge Spaß macht.
Eigentlich sollte diese
Der Vater Niederländer, die Mutter Engländerin, er selbst in Spanien aufgewachsen und in Holland gelebt. Bernhard van Rossum, kurz BvR, hat den Flamenco hautnah kennengelernt. Und bringt ihn mit seiner Bigband mit Jazz zusammen. Und das hört sich auf Del Rio A La Mar richtig gut und schlüssig an. Was auch an den geschmeidigen Arrangements der von Bernhard van Rossum komponierten Stücke liegt. Aber auch an den Beteiligten, zumeist aus der niederländischen Jazzszene, wie der spanische Pianist Xavi Torres oder die eindringliche spanische Sängerin Maria Marín. Auch Spaniens Mundharmonika-Star Antonio Serrana oder Bassist Carles Benavent wirken hier mit. Große Namen, starke Künstler. Und BvR schafft es, dass sich alle Zutaten bestens verbinden und alle Musiker auf diesem gelungenen Album auf ganz natürliche Weise zusammenfinden zu einem feinen Flamenco-Jazz-Menü.
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FAST TRACKS Volume 23
Neue CDs, kurz vorgestellt
Neue CDs, kurz vorgestellt
Fictions ist die bereits 47. Ausgabe der von Crammed Discs-Gründer Marc Hollander kuratierten Kompilationen-Reihe Made To Measure. Acht neue Kompositionen und Aufnahmen gibt es auf Fictions zu hören. Darunter die Zusammenarbeit des Belgiers Pascal Gabriel alias Stubbleman mit dem norwegischen Trompetenvirtuosen Nils Petter Molvær, die hier in eine magische, sehr atmosphärische Nummer mündet. Neoklassische Ambientklänge prägen ansonsten vielfach dieses Album. Dafür steht auch Christina Vantzou, Amerikanerin mit griechischen Wurzeln, die hier traumverhangene Klanglandschaften kreiert. Künstler wie die amerikanische Harfenistin und Komponistin Mary Lattimore oder die französische Klanggestalterin und Künstlerin Félicia Atkinson nehmen den Zuhörer mit auf ungewöhnliche Klangreisen.
Jazzrock zwischen Parodie und Ernsthaftigkeit verspricht das international besetzte Ensemble Kuhn Fu des in Berlin lebenden Kölner Gitarristen Christian Kühn. Und hört man sich das Doppelalbum Jazz Is Expensive an, dessen zweiter Silberling live im österreichischen Saalfelden mitgeschnitten wurde, kann man sagen: Versprechen erfüllt! Die sechs bzw. sieben Musiker lassen es krachen um dann mit verrücktem Gequatsche das Geschehen zu unterlegen. Das muss man mögen. Aber musikalisch hat die Truppe einiges drauf. Vor allem werden hier gnadenlos musikalische Grenzen eingerissen. Dabei macht diese humorgetränkte Band schon Spaß.
Jeremy Rose & The Earshift Orchestra:
Disruption! The Voice Of Drums (Earshift Music)
Australisches Label, australische Sängerin, großartige Musik. Das trifft auf The Light & The Dark von Kristin Berardi voll zu. Die lebt inzwischen in Luzern, hat dieses Album mit überwiegend eigenen Kompositionen aber in New York aufgenommen. Mit einer ganzen Reihe von Topmusikern wie der Trompeterin Ingrid Jensen, Pianist Miro Sprague, Bassist Marty Jaffe oder Drummer Jerome Jennings. Und alle bekommen hier auch Raum ihr Können zu zeigen. In Songs, die gefühlvoll und frisch und erfrischend anders als viele Jazzvokal-Platten klingen. Entdeckenswert!
Das gilt auch für Disruption! The Voice Of Drums vom Saxofonisten Jeremy Rose und dem mit zwei Drummern besetzten, achtköpfigen Earshift Orchestra. Rose leitet das Label und bringt jetzt eine mitreißende Hommage an die Trommel und deren auch spirituellen Kraft heraus. Dementsprechend rücken die hier von Simon Barker und Chloe Kim gespielten Trommeln oft in den Vordergrund. Es entspinnen sich spannende Dialoge. Und diese ungewöhnliche Produktion hält für den Zuhörer eine Menge interessanter Klanggeschichten bereit.
Erwärmende Musik für Herz und Seele, dafür steht der Akkordeon-Virtuose Richard Galliano wie kaum ein anderer. In diesem Frühjahr kam er mit seinem neuesten Projekt, dem New York Tango Trio, in die Schweiz um dort beim Cully Jazz Festival zu spielen. Das RTS, das Radio Télévision Suisse, hat das Konzert glücklicherweise aufgezeichnet, das jetzt hier zu hören ist. Mit seinen beiden Landsleuten, dem Gypsy-Jazz-Gitarristen und Cellisten Sébastien Giniaux sowie dem Bassisten Diego Imbert, spielt Galliano jazzige Tangos und Walzer aus eigener Feder oder auch Stücke des Tango-Erneuerers Astor Piazzolla. Voller Eleganz, Virtuosität, Gefühl, Melancholie. Und bei Serge Gainsbourgs La Javanaise am Schluss dieser einfach nur zauberhaften CD singt dann sogar der ganze Konzertsaal mit.
Finnland und amerikanischer Jazz treffen auf arabischen Maqam und Rhythmen aus Afrika und Indien – so lässt sich die fünfteilige Suite auf seiner neuen CD von Jussi Reijonen einigermaßen beschreiben. Der Gitarrist und Oud-Spieler ist aufgewachsen in Finnisch-Lappland, Jordanien, Tansania, Oman und dem Libanon und hat einen Großteil seines Erwachsenenlebens in den USA verbracht. Mit diesem persönlichen Hintergrund und mit einem neunköpfigen, sehr internationalen Ensemble ist mit Three Seconds l Kolme Toista eine absolut faszinierende Melange aus Klängen und Rhythmen zwischen Westen und Osten zu hören. Schwer in Worte zu fassen, aber in jedem Augenblick packend, schillernd, exotisch.
Ja, das junge dänische Kosmos Trio ist ein weiteres Pianotrio im Jazz. Aber Pianist Frede Holger Thorsen, Bassist Harald Hagelskjær und Schlagzeuger Gustav Hagelskjær zeigen sich auf ihrem Debütalbum Brev Til En Ven (Brief an einen Freund) als ideenreicher Dreier mit eigenen Soundvorstellungen. Die können mal rhythmisch komplexer sein, dann wiederum fließen die allesamt selbst geschriebenen Stücke Musik leicht melancholisch und sanft. Nordische Melancholie gepaart mit hymnischen oder auch dramatischen Momenten, zwischen diesen Polen agiert das Trio mit schon erstaunlicher Reife und starken Klängen. Eine echte Bereicherung des Klaviertrio-Genres.
Finding The Right Notes ist der Titel einer zweistündigen Dokumentation über die noch lebende Basslegende Ron Carter, die jetzt im Oktober in den USA landesweit ausgestrahlt wird. Die nun erscheinende, gleichnamige CD (im November wird es auch noch ein Doppelalbum mit Bonus Track auf Vinyl geben) ist der offizielle Soundtrack dieser Dokumentation und präsentieren den Kontrabassisten in unterschiedlichen Line-Ups. Großorchestral mit der WDR Big Band, dann viel intimer in Duos (mit Gitarrist Bill Frisell, Bassist Christian McBride oder Pianist Jon Batiste), aber auch in Trio- oder Quartett-Besetzungen. Die Aufnahmen aus den Jahren 2014 bis 2021 zeigen den inzwischen schon 85-jährigen US-Amerikaner als großen Ästheten auf seinem Instrument, als kreativen Meister des Swings und der Improvisation mit einem tollen Sound auf dem Tieftöner.
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FAST TRACKS Volume 22
Neue CDs, kurz vorgestelltA New Gold Standard for Jazz Vocalists, das steht oben auf dem Pruduktinfo zur neuen, zur zweiten CD von Samara Joy, ihrem Debüt für das renommierte Majorlabel Verve Records. Kann man so unterschreiben, denn hört man die New Yorkerin singen, dann glänzt es! Was für eine samtene Stimme, welch ein Ausdruck, welch Eleganz. Die 24-jährige klingt jetzt schon wie eine reife Jazzdiva. Und singt schon jetzt in der gleichen Kategorie wie die ganz Großen ihres Genres. Es ist einfach zeitlos gut, wie sie auf Linger Awhile zehn Standards lang die ganze Gefühlspalette des klassischen Jazzgesangs bedient.
Man muss sich nur die Version des alten Gassenhausers My Baby Just Cares For Me auf diesem Album anhören, dann bekommt man schon ein Gefühl dafür was Carmen Souza ausmacht. Die Portugiesin mit kapverdischen Wurzeln und ihr enger, langjähriger musikalischer Partner Theo Pascal, der hier natürlich wieder mit von der Partie ist, beschäftigen sich einmal mehr mit ihrer Interconnectedness, ihrer Verbundenheit zur kreolischen Musikkultur verschiedener Länder. Und darin wird dann auch schon mal ein alter Jazzstandard, Miriam Makeba´s Hymne Pata Pata oder ein französisches Chanson eingebunden in die sonst vielfach selbstkomponierte, ganz eigenwillige Klang- und Rhythmenwelt.
Ihre Musik genau zu beschreiben, ist alles andere als einfach. Zu vieles schwingt mit in den immer packenden, berührenden Klangwelten die das polnische Trio Kroke seit inzwischen vielen Jahren schon zu Gehör bringt und sie zu einer einzigartigen, sehr individuell tönenden Band hat werden lassen. Wurden sie zu Beginn ihrer Karriere meist mit Klezmer in Verbindung gebracht, ist ihre Musik doch längst viel mehr. Orientalischer Tango oder keltischer Rembetiko, zauberhafte Melodielinien, schwingende Geigenklänge sind auf dem neuen Alben Loud Silence zu hören. Geiger und Bratschist Tomasz Kukurba, Akkordeonist Jerzy Bawol und Kontrabassist Tomasz Lato kreieren zu dritt magische, weit auslandende Klangwelten, in die man nur zu gerne eintaucht.
Die Klarinette als führendes Instrument einer Band, beim New Shapes Quartet der Klarinettistin und Komponistin Rebecca Trescher ist genau das der Fall. Zweites melodieführendes Instrument auf Silent Landscapes ist die Stromgitarre von Philipp Schiepek. Auch er ein wunderbarer Klangmaler wie Trescher. Zusammen mit Bassist Lukas Keller und Schlagzeuger Jan Brill entsteht ein sensibler, mitunter herrlich melancholisch angehauchter, eigenständiger Jazz, der in fast schon sinfonischen Texturen eingebettet nicht nur sanft fließt sondern auch mal schön groovt und sich durch krumme Rhythmen schlängelt.
Mit einem knackigen Combo-Album wartet Andreas Schickentanz hier auf. Nach einigen Projekten, die er solo oder im Duo bestritt, hat der Kölner Posaunist jetzt fünf Jungs aus der Kölner Jazzszene wie Pianist Lars Duppler, Bassist Volker Heinze oder Drummer Silvio Morger um sich geschart um Episodes einzuspielen. Eine Platte, die akustisch geprägten Jazz mit elektronischen Sounds und Verfremdungen anreichert, schlüssig Komponiertes mit Improvisiertem verbindet, und dabei verschiedene Stimmungen zeichnet. Immer wieder schlägt die Musik auf ihrer Spurensuche Haken, um dann auch mal gleichmäßig zu fließen und mit schönen Melodien zu verwöhnen. Ein Album zum Entdecken.
Der Düsseldorfer Gitarrist Jonas Hemmersbach setzt auf Stillsturm auf ein neues Quintett. Neben einem Klaviertrio um den fantastischen Pianisten Ludwig Hornung ist mit Altsaxofonist Felix Fritsche ein weiterer erstklassiger Solist im Fokus. Dennoch ist Hemmersbach vor allem die Kommunikation untereinander wichtig. Und das hört man hier in seinen neun Eigenkompostionen, die mal Rock-orientiert daher kommen, als sanfte Ballade verwöhnen, oder Improvisationen in melodische Strukturen einbetten. Frischer Jazz einer Klasse-Band.
Den Fado in den Jazz zu überführen – die seit vielen Jahren schon in den Niederlanden lebende portugiesische Sängerin Maria Mendes hat das vor ein Jahren begonnen, zusammen mit dem US-Jazzpianisten, Komponisten und Arrangeur John Beasley, ihrem Jazzquartett und den vielen Streichern vom Metropole Orkest aus Holland. Nun kommt mit Saudade, Colour Of Love nach einer Studioplatte ein live in Amsterdam und Heerlen aufgenommenes Album dieses Projektes heraus. Eine Melange, die faszinierend ist, transportiert sie doch die im Original meist von Fado-Queen Amália Rodrigues gesungenen Fados in das Jetzt und Heute, nimmt ihnen die ganz große Dramatik, aber nicht die Emotionen, und transformiert sie in swingende, aber auch vorwärtsdrängende und improvisierte Momente, in gefühlvoll, aber auch mal ein wenig bissig orchestrierte Jazzstücke. Sie sei keine Fadosängerin, betonte Maria Mendes bei einem Livekonzert mit den Songs dieser Platte vor ein paar Wochen in der wunderschönen Schouburg in Tilburg. Stimmt! Aber die Grammy und Latin-Grammy nominierte Portugiesin singt, scattet und phrasiert klasse. Und macht schon dadurch diese ungewöhnliche Idee mit dem Fado und dem Jazz zu einer rundum gelungenen Sache.
Zum Schluss noch ein Tipp nicht nur für Sammler: Das bahnbrechende Album Blue Train von Jazzlegende John Coltrane erscheint nun gleich mehrfach neu: Als 1-LP-Mono Edition in 180g Pressung, als 2-LP-Stereo Edition und als 2 CD-Set. Die beiden letztgenannten Versionen enthalten auf dem jeweils zweiten Tonträger bisher unveröffentlichte Alternate Takes und ein Booklet mit einem Essay von Coltrane-Experte Ashley Khan sowie sehenswerte Fotos von Blue Note-Mitbegründer Francis Wolff.
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FAST TRACKS Volume 21
Neue CDs, kurz vorgestellt
Seit 2005 findet im norwegischen Kristiansand das grenzüberschreitende Live-Remix-Festival PUNKT statt. Viele memorable Auftritte hat es seitdem dort gegeben. Nur konsequent, dass die beiden PUNKT-Masterminds Jan Bang und Erik Honoré mit Punkt Editions ein eigenes Unterlabel bei Bugge Wesseltoft´s Label Jazzland gegründet haben. Live- und Studioaufnahmen aus dem Festivalarchiv werden dort künftig veröffentlicht, aber auch neue Aufnahmen. Den Auftakt macht The Bow Maker, eine Zusammenarbeit von Sample- und Programmierspezialist Jan Bang mit dem britisch-japanischen Komponisten und Keyboarder Dai Fujikura. Mit den drei Cracks der norwegischen Jazz- und Elektronikszene Eivind Aarset, Arve Henriksen und Nils-Petter Molvær ist ein Album voller geheimnisvoller Klänge zwischen Ambient, Jazz, Experiment und Neuer Musik entstanden, die den Hörer auf abenteuerliche Klangreisen einlädt.
Sie kommen wieder zusammen. Norwegens Jazzpianist Bugge Wesseltoft und der deutsche DJ und Techno-Produzent Henrik Schwarz haben auf Duo II ihr Instrumentarium erweitert und Gäste wie die Berliner Sängerin Kid Be Kid, Trompeter Sebastian Studnitzky oder die Streicher vom Solistenensemble Kaleidoskop zu den Aufnahmen in der Emmauskirche in Berlin eingeladen. Herausgekommen ist ein Werk zwischen Pop, Electronica, Jazz und Kammermusik, das verschiedene Stimmungen und überraschende Sounds bereithält, wie die einer Marimba im Eröffnungsstück des Albums.
Ein interdisziplinäres Werk hat das österreichische Klaviertrio Owls mit Wendolins Monocle geschaffen. Pianist Simon Oberleitner, Bassist David Ambrosch und Schlagzeuger Konstantin Kräutler-Horváth fügen ihrem frisch und europäisch klingenden, akustischen Jazz nicht nur durch Sound- und Effekt-Processing sowie gesampelten Sounds aus der Natur weitere Klänge hinzu, sie erweitern die Stücke auch noch durch Textrezitationen, ein Kornett eine gedämpft gespielte Trompete. So entstehen weitgefasste cineastische Momente.
Eine akustische Bassgitarre als Leadstimme, im Trio von Yosef Gutman Levitt funktioniert das wunderbar. Zusammen mit dem Pianisten Omri Mor und dem Schlagzeuger Ofri Nehemya spielt der in Südafrika geborene und in Jerusalem lebende Bassist einen lyrischen, melodieverliebten Jazz. Mit herrlich singenden Basslinien und einem feinen interaktiven Agieren aller drei Musiker. Zwischenzeitlich stieg Gutman komplett aus dem Musikgeschäft aus. Schön dass er seit ein paar Jahren wieder zurück ist.
Hilde Louise Asbjørnsen: Movies & Stories Like This (Sweet Morning Music)
Stimme und Klavier, mehr braucht es auf Movies & Stories Like This nicht um über all die Geheimnisse der Liebe in Tönen und poetischen Worten zu fabulieren. Genau das machen Hilde Louise Asbjørnsen und Anders Aarum auf diesem intimen Duo-Album neun eigene Stücke lang. Die norwegische Jazzsängerin und Songschreiberin und ihr Landsmann am Piano schwelgen dabei entspannt in Stimmungen, die stilistisch von Walzer bis Bolero, Tango oder Jazzballade reichen. Spannende Unregelmäßigten, nicht die typischen Abläufe eines Klaviertrios, kantige Strukturen in den Songs, Einflüsse von Spätromantik bis zur klassischen Moderne, ein Spannungsverhältnis von Schmerz und Euphorie, der Wechsel zwischen notierten und improvisierten Momenten – das Hornung Trio klingt so erfrischend anders als viele andere Dreiergespanne in dieser Besetzung. Pianist Ludwig Hornung, Bassist Phil Donkin und Schlagzeuger Bernd Oezsevim musizieren hier klangfarbenreich, rhythmisch verwegen und immer abenteuerlustig und voller Neugier. Das fesselt in jeder Minute beim Zuhören.
Für dieses Albumprojekt hat sie ihr Pseudonym Rosa Morena Russa, unter dem sie sonst veröffentlicht, abgelegt. Die im Süden Russlands in eine jüdische Musikerfamilie geborene, in Russland und der Ukraine aufgewachsene und mit 17 Jahren nach Deutschland gekommene Sängerin Kateryna Ostrovska hat mit Blondzhendike Lider (die wandernden Lieder) ein modernes jüdisches Musikalbum aufgenommen. Mit Gedichtvertonungen, die weltumspannend klingen, von Klezmer bis nach Buenos Aires oder dem Zuckerhut reichen, mit feinen Streicherarrangements ebenso verwöhnen wie mit quirligen südamerikanischen Rhythmen. Berührend schön
Peter Proschka: Organic Universe (Double Moon)
Piotr Schmidt: Komeda Unknown 1967 (o-tone music)Zum Abschluss dieses Schnelldurchlaufs hier noch hörenswerte neue Alben zweier Trompeter. Der eine, der Kölner Pustefix Peter Proschka, setzt auf Organic Universe auf ein Quartett mit einem zweiten Bläser, Schlagzeug und Orgel (ganz stark: Clemens Orth). Auf den bis auf eine Ausnahme ausschließlich bandeigenen Kompositionen reiten Proschka und seine Mitstreiter aber nicht auf dem Klischee der stets groovenden 60s-Orgeljazz-Combo herum, auch wenn der Vierer herrlich zu grooven versteht. Aber hier gibt es mehr zu hören, melodisch starken, zeitgenössischen Jazz in vielen Facetten. Der polnische Trompeter Piotr Schmidt interpretiert auf Komeda Unknown 1967 zusammen mit einem hochkarätigen, internationalen Ensemble kürzlich in der Nationalbibliothek in Warschau gefundene, bislang unbekannte Kompositionen des Projektes My Sweet European Homeland des berühmten, leider viel zu früh verstorbenen polnischen Pianisten und Komponisten Krzysztof Komeda. Gefühl- aber auch kraftvolle, poetische, ideenreiche Musik im Geiste von Komeda.
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FAST TRACKS Volume 20
Neue CDs, kurz vorgestelltJazzquartett & Streicher, das ist Soulcrane & Strings, der neue Wurf des Kölner Trompeters Matthias Schwengler. Eine Platte, die zur Entspannung am allerbesten gehört werden kann, ohne dass es dabei an spannenden Momenten fehlt. Aber der Grundton ist gedämpft, die Klangwelt warm, ruhig und herrlich dunkel gefärbt. Flügelhorn, Saxofon, Kontrabass, Gitarre auf der einen und die drei Celli und zwei Bratschen auf der anderen Seite liefern reiche harmonische und melodische Klangbilder, die sehr wohltuend wirken auf Körper und Geist.
Christian Muthspiel: Diary 1989 – 2022 Selected Recordings (Emarcy)
Seine Karriere als Instrumentalist hat Christian Muthspiel Ende 2019 beendet um sich fortan um sein im gleichen Jahr neu gegründetes, 18-köpfiges Jazzorchester Orjazztra Vienna zu kümmern. Das im Frühjahr 2021 im Wiener Jazzclub Porgy & Bess wegen Corona ohne Publikum aufgenommene Doppelalbum Homecoming zeigt den ehemaligen Posaunisten und Pianisten als talentierten Bigband-Leiter und –Komponisten, der seinem jungen Ensemble moderne und äußerst interessante ,spannende Jazzstücke auf den Leib geschneidert hat, in denen sie als voluminöser Klangkörper, aber auch solistisch brillieren können. Das Diary 1989 –2022 dagegen ist anlässlich des 60. Geburtstages von Christian Muthspiel in diesem September eine von ihm selbst zusammengestellte Kompilation aus Aufnahmen der letzten 33 Jahre. 32 Stücke zeigen auf diesem Doppelalbum die ganze Vielfalt, stilistische Bandbreite und Neugier des Österreichers, der hier in unterschiedlichen Formationen, etwa in Duos mit seinem Bruder Wolfgang Muthspiel oder dem Bassisten Steve Swallow oder dem eigenen Trio zu hören ist.
Der in Köln lebende Trompeter Maik Krahl zählt zu den vielversprechenden Namen des jungen deutschen Jazz, was er auf seinem dritten Album eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die acht von ihm selbst komponierten Stücke auf In-Between Flow klingen sicher nicht spektakulär, aber genau deshalb so wohltuend. Hier weiß einer wie man feinfühlige und dabei doch auch energievolle Jazzmusik mit starken Melodien und Geschichten schreibt und spielt - und den Hörer dabei auf unterschiedlichen Gefühls- und Stimmungsebenen abholt. Auf drei Stücken bekommt das exzellente Quartett Krahls noch Verstärkung von US-Gitarrist Kurt Rosenwinkel. Auch er ein Klangvisionär, dessen Zutaten hier ein gelungenes Werk abrunden.
Was für ein Talent! Jennifer Hartswick singt verführerisch, spielt Tromepte und weiß auch noch Klasse-Songs zu komponieren. All das lässt sich nachhören auf auf ihrem vierten Album als Leaderin. Die Vollblutmusikerin hat für Something In The Water ein süffiges Programm zusammengestellt. Mit souligen Nummern, Songs mit Popappeal, Funk-Feeling, Balladen, Bluesigem und fetten Grooves. Für letztere sorgt ihr Labelboss Christian McBride höchstpersönlich auf seinem Tieftöner. Ob diese Platte auch Jazzpuristen zufriedenstellt? Vielleicht nicht, aber Musikliebhaber ohen Scheuklappen dürften ihren Spaß an dieser zudem sehr gut produzierten Produktion haben.
Cédric Hanriot: Time Is Color (Morphosis Arts)
Diese Musik entzieht sich geschickt einer Kategorisierung. Der Franzose Cédric Hanriot ist Jazzpianist, aber ebenso Soundkünstler. Mit seinem Trio mit Bassist Bertrand Beruard und Schlagzeiger Elie Martin-Charrière spielt er auf Time Is Color einen frischen, akustischen, mit elektronischen Texturen angereicherten Trio-Jazz. Aber diese Musik bietet noch mehr. Von den drei hier beteiligten Gästen auf Saxofon, Trompete und Vocals ist es vor allem US-Rapper Samuel Nash, der den herrlich urbanen Jazzmix mit seinem Sprechgesang prägt und immer wieder in eine andere, ziemlich lässige und coole Richtung führt.
Filipe Raposo: Øbsidiana – Trilogia Das Cores, Volume 2 (Lugre)
Nach Øcre vor drei Jahren ist Øbsidiana nun der zweite Teil einer musikalischen Trilogie von Filipe Raposo, die sich auf insgesamt drei Farben bezieht – Rot, Schwarz und Weiß. Drei symbolische Farben, die die Menschheit schon seit der klassischen Antike begleiten. Er habe schon immer Farben in der Musik gespürt, erklärt der Protagonist zu diesem ungewöhnlichen Projekt. Dieses Mal ist es nach Rot die Farbe Schwarz. Klingt das Klaviersolo-Werk des portugiesischen Pianisten deshalb düster? Nein, seine Improvisationen und sein feinfühliges Klavierspiel nehmen den Zuhörer auf faszinierende, nicht nur dunkel tönende Klangreisen mit, die viele Interpretationen ermöglichen. Das als Buch-CD aufwendig gestaltete Werk ist etwas ganz Besonderes und ein schönes, hochwertig gestaltetes Geschenk obendrein.
Carlo Mombelli: Lullaby For Planet Earth (Clap Your Hands)
Der südafrikanische Bassist Carlo Mombelli trifft auf Lullaby For Planet Earth auf den österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel und den spanischen Drummer und Vibrafonisten Jorge Rossy. Zu dritt spielen sie zarte, warm tönende Wiegenlieder mit viel Raum für Ruhe, Atmosphärisches und ihr so wunderbares, melodiöses Zusammenspiel. Singende E-Bass-Linien treffen auf meist sanft schwingende Gitarrennoten. Das Schlagzeug schafft Verbindungen zwischen den Saiteninstrumenten, das Vibrafon setzt Kontrapunkte. Einfach traumhaft schön.
Text: Christoph Giese
Diese Musik entzieht sich geschickt einer Kategorisierung. Der Franzose Cédric Hanriot ist Jazzpianist, aber ebenso Soundkünstler. Mit seinem Trio mit Bassist Bertrand Beruard und Schlagzeiger Elie Martin-Charrière spielt er auf Time Is Color einen frischen, akustischen, mit elektronischen Texturen angereicherten Trio-Jazz. Aber diese Musik bietet noch mehr. Von den drei hier beteiligten Gästen auf Saxofon, Trompete und Vocals ist es vor allem US-Rapper Samuel Nash, der den herrlich urbanen Jazzmix mit seinem Sprechgesang prägt und immer wieder in eine andere, ziemlich lässige und coole Richtung führt.
Nach Øcre vor drei Jahren ist Øbsidiana nun der zweite Teil einer musikalischen Trilogie von Filipe Raposo, die sich auf insgesamt drei Farben bezieht – Rot, Schwarz und Weiß. Drei symbolische Farben, die die Menschheit schon seit der klassischen Antike begleiten. Er habe schon immer Farben in der Musik gespürt, erklärt der Protagonist zu diesem ungewöhnlichen Projekt. Dieses Mal ist es nach Rot die Farbe Schwarz. Klingt das Klaviersolo-Werk des portugiesischen Pianisten deshalb düster? Nein, seine Improvisationen und sein feinfühliges Klavierspiel nehmen den Zuhörer auf faszinierende, nicht nur dunkel tönende Klangreisen mit, die viele Interpretationen ermöglichen. Das als Buch-CD aufwendig gestaltete Werk ist etwas ganz Besonderes und ein schönes, hochwertig gestaltetes Geschenk obendrein.
Der südafrikanische Bassist Carlo Mombelli trifft auf Lullaby For Planet Earth auf den österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel und den spanischen Drummer und Vibrafonisten Jorge Rossy. Zu dritt spielen sie zarte, warm tönende Wiegenlieder mit viel Raum für Ruhe, Atmosphärisches und ihr so wunderbares, melodiöses Zusammenspiel. Singende E-Bass-Linien treffen auf meist sanft schwingende Gitarrennoten. Das Schlagzeug schafft Verbindungen zwischen den Saiteninstrumenten, das Vibrafon setzt Kontrapunkte. Einfach traumhaft schön.
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FAST TRACKS Volume 16
Der Albumtitel ist hier Programm. Fragmentarisch geht es hier oft zu. Minimalistisch auch. Die Saxofonistin Brigitta Flick, Pianist Andreas Schmidt, Bassist James Banner und Schlagzeuger Max Andrzejewski musizieren mit viel persönlicher Freiheit offen melodisch in Flicks Eigenkompositionen, einem schwedischen Choral und zwei Jazzstandards. Lässig und mit Altersweisheit erklingt Flicks Tenorsax und ihre Band übernimmt diese Gelassenheit.
Chai Masters nennt sich ein junges Instrumental-Quintett aus internationalen Musikern, das hier auf dem Debütalbum mit Ausnahme von Charlie Parkers „Segment“ ausschließlich mit durcharrangierten Eigenkompositionen und virtuoser, lyrischer, ziemlich zeitloser Jazzmusik bestens zu unterhalten weiß.
Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band (Laika)
Ein ikonisches Album neu aufnehmen ist schon ein Risiko. US-Drummer Rick Hollander und sein Quartett sind es eingegangen und haben den Beatles-Klassiker Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band auf ganz eigene Weise in ein hübsches Jazzkleid gesteckt. Hollander funktioniert dabei auch als Sänger und Präsentator. Das Ganze, gespielt auch mit Baritongitarre, Mandoline oder Steel Drums, hat Charme, Klasse und Humor. Entdeckenswert!
Intensiv kennengelernt hat sich dieses Trio erst vor ein paar Jahren. 2017 war man gemeinsam auf einer kurzen Tour unterwegs in Deutschland und der Schweiz. Danach lud der dänische Schlagzeuger Alex Riel seine beiden Trio-Kollegen, den rumänischen Pianisten Marian Petrescu und den Stuttgarter Bassisten Joel Locher, ein doch ins Jazzhus Montmartre nach Kopenhagen zu kommen, um zwei Doppelkonzerte zu spielen. Im September 2021 war es schließlich so weit. Entstanden ist aus diesen beiden Konzertabenden das nun vorliegende Livealbum. Eine Platte mit gleich mehreren Stücken von Oscar Peterson, mit Musik von George Gershwin, Bobby Timmons, Richard Rodgers oder Pat Metheny. Ein Album voller Standards, die aber herrlich erfrischend interpretiert werden.
Rusira Mixtett: Lecker Brass (Ajazz)
Sieben Bläser, dazu ein Schlagzeuger, das ist das Rusira Mixtett, Band der Berliner Saxofonistin, Klarinettistin und Flötistin Ruth Schepers. Eine Band, die die Learderin schon immer haben wollte. Gemeinsam durchstreift man angstfrei diverse musikalische Genres und kreiert daraus frische, fröhliche Musik, die mal beim Tango oder beim Pogo vorbeischaut, die groovt und schiebt, die aber auch mal verhalten klingen kann. Macht Spaß.
Ina Forsman: All There Is (Jazzhaus)
Sie selbst beschreibt ihre Musik als Cinematic Soul. Soulig ist sie auf jeden Fall. Und dass man beim Hören von All There Is unweigerlich an die Sechzigerjahre erinnert wird, auch das ist gewollt so. Mit der Stimme, die Ina Forsman ihre eigene nennt, kann man solchen 60s Soul auch bestens singen. Den schnellen und den langsamen, gefühlvollen. Zumal wenn die Songs die Klasse haben, die sie haben. Die in Berlin lebende Finnin hat hier alles richtig gemacht. Soul-Fans hingehört!
Lucibela: Amdjer (Lusafrica)
Längst ist Lucibela ein neuer Star am Himmel der kapverdischen Musik, was sie auf ihrem zweiten Album auch unter Beweis stellt. In Songs von unterschiedlichen kapverdischen Autoren widmet sich die Sängerin dem Thema Frau mit all ihren Facetten. Im Sound der Morna, der Coladeira, des Batuku oder Bolero verwöhnt Lucibela mit ihrer großartigen Stimme und ihrem berührenden Gesang und sorgt für Fernweh und sehnsüchtige Gefühle.
St. Beaufort: Those Windows (Blue Whale)
Folk und Bluegrass hat das deutsch-amerikanisch-chilenische, in Berlin beheimatete Trio St. Beaufort im Programm. Mehrstimmig interpretiert, gespielt auf Banjo, Gitarren, Akkordeon, Piano, Bass oder Mandoline, fordert der kreative Dreier die Hörgewohnheiten heraus. Denn plötzlich erklingen auch mal eine Trompete und ein Mellophon und lässt New Orleans-Feeling aufkommen. Nicht die einzige nette Überraschung.
Jochen Roß: Tides (Housemaster)
Mandolinenspieler (und Pianist) Jochen Roß zeigt auf Tides, dass die Mandoline in ganz unterschiedlichen Settings, Stilen und Stimmungen eingesetzt werden kann. In elektronisch bearbeiteten Jazzklanglandschaften etwa, schottischer Folklore, solo in einem virtuos gespielten Bach-Präludium, einem im Trio mit Kontrabass und Gitarre gespielten Walzer oder in meditativen Momenten, mit Sitar und Duduk. Ein Schwung an Gästen unterstützt den gebürtigen Nordhessen bei seinen so vielseitigen musikalischen Ausflügen.
Text: Christoph Giese
Sieben Bläser, dazu ein Schlagzeuger, das ist das Rusira Mixtett, Band der Berliner Saxofonistin, Klarinettistin und Flötistin Ruth Schepers. Eine Band, die die Learderin schon immer haben wollte. Gemeinsam durchstreift man angstfrei diverse musikalische Genres und kreiert daraus frische, fröhliche Musik, die mal beim Tango oder beim Pogo vorbeischaut, die groovt und schiebt, die aber auch mal verhalten klingen kann. Macht Spaß.
Sie selbst beschreibt ihre Musik als Cinematic Soul. Soulig ist sie auf jeden Fall. Und dass man beim Hören von All There Is unweigerlich an die Sechzigerjahre erinnert wird, auch das ist gewollt so. Mit der Stimme, die Ina Forsman ihre eigene nennt, kann man solchen 60s Soul auch bestens singen. Den schnellen und den langsamen, gefühlvollen. Zumal wenn die Songs die Klasse haben, die sie haben. Die in Berlin lebende Finnin hat hier alles richtig gemacht. Soul-Fans hingehört!
Längst ist Lucibela ein neuer Star am Himmel der kapverdischen Musik, was sie auf ihrem zweiten Album auch unter Beweis stellt. In Songs von unterschiedlichen kapverdischen Autoren widmet sich die Sängerin dem Thema Frau mit all ihren Facetten. Im Sound der Morna, der Coladeira, des Batuku oder Bolero verwöhnt Lucibela mit ihrer großartigen Stimme und ihrem berührenden Gesang und sorgt für Fernweh und sehnsüchtige Gefühle.
Folk und Bluegrass hat das deutsch-amerikanisch-chilenische, in Berlin beheimatete Trio St. Beaufort im Programm. Mehrstimmig interpretiert, gespielt auf Banjo, Gitarren, Akkordeon, Piano, Bass oder Mandoline, fordert der kreative Dreier die Hörgewohnheiten heraus. Denn plötzlich erklingen auch mal eine Trompete und ein Mellophon und lässt New Orleans-Feeling aufkommen. Nicht die einzige nette Überraschung.
Mandolinenspieler (und Pianist) Jochen Roß zeigt auf Tides, dass die Mandoline in ganz unterschiedlichen Settings, Stilen und Stimmungen eingesetzt werden kann. In elektronisch bearbeiteten Jazzklanglandschaften etwa, schottischer Folklore, solo in einem virtuos gespielten Bach-Präludium, einem im Trio mit Kontrabass und Gitarre gespielten Walzer oder in meditativen Momenten, mit Sitar und Duduk. Ein Schwung an Gästen unterstützt den gebürtigen Nordhessen bei seinen so vielseitigen musikalischen Ausflügen.
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FAST TRACKS Volume 15
Neue CDs, kurz vorgestellt
Tigran Hamasyan: StandArt (Nonesuch)
Als Interpret von Jazzstandards ist der armenische Pianist nicht gerade bekannt, aber hier hat Tigran Hamasyan neun davon neu eingespielt. Im Trio und mit namhaften Gästen, Trompeter Ambrose Akinmusire und den beiden Saxofonisten Joshua Redman und Mark Turner. Und StandArt zeigt eindrucksvoll: Hamasyan weiß auch klassisches Jazzrepertoire in schillernde, aufregende Musik zu verwandeln.
Phraim: Hysteria (QFTF)
Atmosphärische Musik, fragile Momente, lyrische Texte, aber auch zupackende Grooves zeichnet das schweiz-österreichische Quartett Phraim aus, das mit Hysteria das dritte gemeinsame Album veröffentlicht, welches ganz und gar nicht hysterisch klingt, sondern mit feinem, popgetränkten Songwriting und dem Gesang und Texten von Sängerin Nina Reiter verwöhnt.
Yelena Eckemoff: I Am A Stranger In This World (L&H)
Die ungemein produktive Pianistin Yelena Eckemoff präsentiert auf diesem Doppelalbum wieder Vertonungen biblischer Psalmen, die sie geschickt in den Jazz und dieses Mal auch in den Blues überführt. Und unterstützt von einer exquisiten Jazzband mit Cracks wie Trompeter Ralph Alessi, den Gitarristen Adam Rogers und Ben Monder oder den Drummern Joey Baron und Nasheet Waits gelingt ihr das auf interessante und berührende Weise.
Melody Gardot & Philippe Baden Powell: Entre Eux Deux (Decca)
Baden Powells Sohnemann Philippe Baden Powell am Klavier und die famose Melody Gardot am Mikrofon, mehr braucht es hier nicht um ein intimes Album mit überwiegend eigenen Liedern auf Englisch und Französisch aufzunehmen und mit großen Gefühlen die Seele beim Zuhören zu massieren. Übers Balladentempo geht es dabei nie hinaus. Aber warum auch. Wer so im gemäßigten Tempo spielen und singen kann wie diese beiden, der kann das auch zehn Stücke hintereinander ohne zu langweilen.
Theo Pascal: Quamundos 2 (Galileo MC)
Der portugiesische Bassist und Tausendsassa Theo Pascal präsentiert hier sein ganz eigenes lusophones Musikuniversum, wo sich kapverdische und andere Rhythmen auf Funkiges und Freies, Sprech- und Geräuschschnipsel und kurze Gesangspassagen treffen. Ein brodelnder Soundkosmos, der aber dennoch nie überbordet, sondern schön strukturiert zu spannenden Hörabenteuern einlädt.
Mísia: Animal Sentimental (Galileo MC)
Noch was Lusophones: Die etwas andere Fadista Mísia hat den Fado spürbar im Blut und in der Stimme. Viele Songs auf Animal Sentimental sind wunderbar melancholische, verträumte und berührende Fados, aber ihre zeitgenössischen Gedichtvertonungen gehen über dieses Genre auch hinaus. Produziert vom preisgekrönten deutschen Toningenieur Wolf-Dieter Karwatky ist ein absolutes Meisterwerk der 66-Jährigen Sängerin entstanden.
Raf Vilar: Clichê (Ajabu!)
Aus Brasilien kommt Raf Vilar. Der Sänger und Songwriter serviert hier einen süffigen Mix aus traditionellen brasilianischen Rhythmen und Folk-Pop, mit Einflüssen des Bossa Nova oder des Tropicalismo. Vilar´s sanfter Gesang, Gitarre, Bass und Perkussion sind die Basis der gefühlvollen Songs dieses Albums, das nur einen kleinen Makel hat: dass es nach gut 35 Minuten leider schon ausklingt.
Nduduzo Makhathini: In The Spirit Of Ntu (Blue Note Africa)
Die erste Veröffentlichung auf dem neuen Sublabel der berühmten US-Plattenfirma Blue Note ist In The Spirit Of Ntu von Nduduzo Makhathini. Mit einer Band aus aufregenden jungen Musikern Südafrikas liefert der südafrikanische Pianist ein kosmisches, spirituelles Album ab, auf dem er seinen Vorbildern wie John Coltrane, Bheki Mseleku oder McCoy Tyner, aber auch seinen südafrikanischen Wurzeln in zehn mitreißenden Tracks Tribut zollt.
Text: Christoph Giese
Als Interpret von Jazzstandards ist der armenische Pianist nicht gerade bekannt, aber hier hat Tigran Hamasyan neun davon neu eingespielt. Im Trio und mit namhaften Gästen, Trompeter Ambrose Akinmusire und den beiden Saxofonisten Joshua Redman und Mark Turner. Und StandArt zeigt eindrucksvoll: Hamasyan weiß auch klassisches Jazzrepertoire in schillernde, aufregende Musik zu verwandeln.
Atmosphärische Musik, fragile Momente, lyrische Texte, aber auch zupackende Grooves zeichnet das schweiz-österreichische Quartett Phraim aus, das mit Hysteria das dritte gemeinsame Album veröffentlicht, welches ganz und gar nicht hysterisch klingt, sondern mit feinem, popgetränkten Songwriting und dem Gesang und Texten von Sängerin Nina Reiter verwöhnt.
Die ungemein produktive Pianistin Yelena Eckemoff präsentiert auf diesem Doppelalbum wieder Vertonungen biblischer Psalmen, die sie geschickt in den Jazz und dieses Mal auch in den Blues überführt. Und unterstützt von einer exquisiten Jazzband mit Cracks wie Trompeter Ralph Alessi, den Gitarristen Adam Rogers und Ben Monder oder den Drummern Joey Baron und Nasheet Waits gelingt ihr das auf interessante und berührende Weise.
Baden Powells Sohnemann Philippe Baden Powell am Klavier und die famose Melody Gardot am Mikrofon, mehr braucht es hier nicht um ein intimes Album mit überwiegend eigenen Liedern auf Englisch und Französisch aufzunehmen und mit großen Gefühlen die Seele beim Zuhören zu massieren. Übers Balladentempo geht es dabei nie hinaus. Aber warum auch. Wer so im gemäßigten Tempo spielen und singen kann wie diese beiden, der kann das auch zehn Stücke hintereinander ohne zu langweilen.
Der portugiesische Bassist und Tausendsassa Theo Pascal präsentiert hier sein ganz eigenes lusophones Musikuniversum, wo sich kapverdische und andere Rhythmen auf Funkiges und Freies, Sprech- und Geräuschschnipsel und kurze Gesangspassagen treffen. Ein brodelnder Soundkosmos, der aber dennoch nie überbordet, sondern schön strukturiert zu spannenden Hörabenteuern einlädt.
Noch was Lusophones: Die etwas andere Fadista Mísia hat den Fado spürbar im Blut und in der Stimme. Viele Songs auf Animal Sentimental sind wunderbar melancholische, verträumte und berührende Fados, aber ihre zeitgenössischen Gedichtvertonungen gehen über dieses Genre auch hinaus. Produziert vom preisgekrönten deutschen Toningenieur Wolf-Dieter Karwatky ist ein absolutes Meisterwerk der 66-Jährigen Sängerin entstanden.
Aus Brasilien kommt Raf Vilar. Der Sänger und Songwriter serviert hier einen süffigen Mix aus traditionellen brasilianischen Rhythmen und Folk-Pop, mit Einflüssen des Bossa Nova oder des Tropicalismo. Vilar´s sanfter Gesang, Gitarre, Bass und Perkussion sind die Basis der gefühlvollen Songs dieses Albums, das nur einen kleinen Makel hat: dass es nach gut 35 Minuten leider schon ausklingt.
Olga Reznichenko Trio: Somnambule (Traumton)
Ihr Faible für russische Spätromantik ist hier zu spüren, aber auch die Lust am zeitgenössischen Jazz. Die in Russland geborene, aber 2012 nach Leipzig gezogene Pianistin Olga Reznichenko weiß diese beiden Vorlieben schlafwandlerisch zu verbinden mit ihrem Trio. Ein gewisser Schwermut zeichnet die Songs auf Somnambule aus, eine Schwermut, die aber wundervoll klingt. Weil das Trio hier viele Klangfelder auslotet, eine große Klangfarbigkeit bietet und virtuos gemeinsam als kompakte Einheit auftritt. Die erste Veröffentlichung auf dem neuen Sublabel der berühmten US-Plattenfirma Blue Note ist In The Spirit Of Ntu von Nduduzo Makhathini. Mit einer Band aus aufregenden jungen Musikern Südafrikas liefert der südafrikanische Pianist ein kosmisches, spirituelles Album ab, auf dem er seinen Vorbildern wie John Coltrane, Bheki Mseleku oder McCoy Tyner, aber auch seinen südafrikanischen Wurzeln in zehn mitreißenden Tracks Tribut zollt.
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FAST TRACKS Volume 14
Mehr News aus der Plattenwelt
Eine siebenteilige Suite hat Vibrafonist und Komponist Joel Ross für sein drittes Album beim Renommierlabel Blue Note geschrieben. Es ist ein Werk von großer lyrischer Ästhetik geworden. Der Opener „Prayer“ klingt wie ein in Töne gefasstes Gebet, andere Teile zeichnen sich durch große Emotionalität aus. Viele Songs sind aus improvisierten Sessions entstanden. Dabei zuzuhören, was der Wahl-New Yorker und sein vorzügliches, achtköpfiges Ensemble daraus machen, ist dank seiner Vielschichtigkeit jederzeit spannend. Auch weil die Beteiligten hier als Team kleine Teile zu einem großen Ganzen zusammenfügen.
Für den Berliner Tenorsaxofonisten Fabian WIllmann ist Balance das Debütalbum unter eigenem Namen, für das er neben Bassist Arne Huber gleich mal den bekannten US-Schlagzeuger Jeff Ballard gewinnen konnte, mit dem er seit seinem Studium in Basel verbunden ist. Außerdem ist Asger Nissen als zweite Saxofonstimme auf dem Alt bei drei der sieben Stücke zu hören. Poetisch und schlicht sind die Stücke, zumeist aus Willmanns Feder. Auf den Punkt gebracht und ohne jegliche Geschwätzigkeit, aber dafür mit beeindruckender Abgeklärtheit spielt er sein Tenorsaxofon. Herrlich sind seine Gespräche mit der Altsaxstimme von Asger Nissen wie auch die immer erlebbare Spontaneität auf diesem vorzüglichen Album.
Der Kölner Komponist und Saxofonist Heiner Schmitz hat sich für sein zweites Album mit dem Cologne Contemporary Jazz Orchestra (CCJO) zusätzlich noch die österreichische Sängerin Veronika Morscher in den Kammermusiksaal des Deutschlandfunk eingeladen um Tales From The Wooden Kingdom aufzunehmen. Entstanden ist eine große Klangwelt, die immer das Thema Wald in den Fokus rückt. Viele Assoziationen lassen sich da imaginär vorstellen. Die Stimme von Veronika Morscher und ihre gesungenen und gesprochenen poetischen Gedichte sind dabei ein wesentlicher Bestandteil. Wie bei einem Waldspaziergang gibt es hier beim Hören der Musik vieles zu entdecken.
Für ihr Debütalbum wurde sie in ihrer holländischen Heimat gleich mal für die Edison Jazz Award nominiert, dem niederländischen Grammy. So kann man mal eine Karriere starten. Mit Mind´s Eye bringt die junge Saxofonistin Kika Sprangers nun ihr zweites Album heraus. Aufgenommen im Osnabrücker Fattoria Musica-Tonstudio zeigt sich die Holländerin hier als sehr geschmackvolle, spirituelle, gefühlvolle Komponistin und Instrumentalistin. Von einer zeitlosen Schönheit sind ihre Stücke Musik. Wunderbar warm ertönt ihre Saxofonstimme, die sie immer wieder geschickt mit den wortlosen Gesangslinien von Anna Serierse verknüpft und so atmosphärische Momente noch verdichtet. Musik für Herz und Seele.
Majamisty Trio: Wind Rose (Mistyland)
Mit ihrem bereits vierten Studioalbum ziehen die serbische Pianistin Maja Alvanović und ihr mit Kontrabassist Ervin Malina und Schlagzeuger Lav Kovač besetztes Majamisty TriO den Hörer vom ersten Moment an in ihren Bann. Denn ihr Klavierspiel erzeugt durchweg große Emotionen, ihre mitunter romantischen Melodien berühren, und das Trio kommuniziert wunderbar organisch miteinander. Die mazedonische Sängerin Aneta George und der deutsche Holzbläser Ulrich Drechsler setzen hier weitere Akzente im lyrischen, manchmal leicht verträumten Jazz der Serben. Kleiner Tipp: Unbedingt auch in die ersten drei Alben Mistyland, Love und Organic dieses entdeckenswerten Trios reinhören.Rudi Berger Quintet: Longings (Gramola)
Ein Jazzquintett mit Geige und Flöte als führende Soloinstrumente ist eher ungewöhnlich. Nicht für den Wiener Geiger Rudi Berger. Der hat sein Instrument schon als Solist im Vienna Art Orchestra seit dessen Gründung gespielt, danach lange in New York gelebt und mit dortigen Cracks musiziert. In Brasilien unterrichtete der Österreicher danach ein paar Jahre lange an einer Universität. Diese ganze Vielfalt in seinem Leben spiegelt sich auch in der Musik von Longings wider. New Yorker Jazz trifft hier auf brasilianische Rhythmen und Melodien. Und die eine oder andere Zutat, auch aus Wien, wurde in den gefühlvollen Liedern über Sehnsüchte und Hoffnung ebenfalls noch eingerührt.Lukas Langguth Trio: Save Me From Myself (Unit)
Das noch junge Trio des jungen Pianisten Lukas Langguth sprüht förmlich vor Energie. Diesen Eindruck bekommt man gleich schon beim ersten Stück des Albums. Doch der gebürtig Augsburger kann es auch mit ein wenig reduzierter Power. Geschmeidig ist dann sein Spiel und fein die Zusammenarbeit mit Bassist Hannes Stegmeier und Schlagzeuger Jonas Sorgenfrei, die beide dem Pianisten im Gestalterischen in nichts nachstehen. Als „Cinematic Jazz“ lässt das Trio seine Musik beschreiben. Und sicher würde die eine oder andere Melodie und das eine oder andere erfrischende, virtuose Stück Musk gut zu einem Film passen.Musik von Frédéric Chopin umgeschrieben für ein Jazzquartett – der US-Gitarrist Kurt Rosenwinkel und der Schweizer Pianist Jean-Paul Brodbeck haben das mit zehn Kompositionen des polnisch-französischen klassischen Komponisten und Pianisten getan. Brodbeck hat Chopins zeitlos romantische Musik, Préludes, Etüden oder einen Walzer, neu gedacht und arrangiert und daraus Swing- und Postbopstücke oder einen Blues kreiert, mit Grooves und Schwung. Ideal für die teils ekstatischen Gitarrenlinien von Kurt Rosenwinkel, die der Amerikaner herrlich in den Jazzorbit fliegen lässt.
Sie ist Leadsängerin bei der Band Bokanté, hat mit Snarky Puppy zusammengearbeitet, ist aber als Solokünstlerin mindestens ebenso interessant. Geboren in Guadeloupe, als Teenager ins kanadische Montreal gekommen und dort geblieben, bietet Malika Tirolien auf ihrem neuesten Album Higher einen betörenden Mix aus Jazz, Funk, Neo-Soul, R&B und HipHop. Dabei überstrahlt ihre kraftvolle und souverän klingende Stimme, mit der sie auch als Rapperin eine gute Figur macht, alles in den energiegeladenen, lebendigen Arrangements der Songs.
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Einspielbesprechung:
Corinna Reich Quintett — „Constant Calibration“
Besetzung:
Corinna Reich – vocals,
Jörg Miegel – saxophone, alto flute
Thibault Falk – piano,
Horst Nonnenmacher – bass
Tom Dayan – drums
Corinna Reich – vocals,
Jörg Miegel – saxophone, alto flute
Thibault Falk – piano,
Horst Nonnenmacher – bass
Tom Dayan – drums
Vor einiger Zeit bekam ich eine CD-Einspielung vom Corinna Reich Quartett geschickt, die mir ihre Tochter Marie Reich, eine phantastische junge Geigerin, zukommen ließ.
Der Titel „Constant Calibration“ hört sich an wie eine Einspielung, die durch konstantes Kalibrieren auf einem immer hohen Niveau, Spannung und Spontanität verspricht.
Die erfahrene Sängerin verkörpert in ihren Kompositionen oder Arrangements auch einen Teil ihrer abwechslungsreichen Lebensgeschichte, die mit der Flucht ihrer Mutter aus Prag nach dem Kriege und einen Teil der verlorenen Heimat in sich selbst trägt. Die teils lyrischen Kompositionen beinhalten Melancholie, Sehnsüchte, Liebe, Trauer, Schmerz, aber auch den Aufbruch in neue verschlungene Wege.
Ihre Band ist international besetzt und prägt durch die Vielfalt der musikalischen Mentalitäten den wunderbaren Sound dieser Einspielung. Ihre Songs, so wie die armenischen Volkslieder werden hervorragend in einen Modern-Jazz-Sound eingegliedert.
Das Zusammenspiel ist äußerst sensibel und Gefühlvoll. Ein Beispiel ist die erste Komposition „kani vur jan im“ und „constant calibration“. Der Sound ist Voluminös und rund, Bass, Piano und Drums tragen Corinna Reich mit ihrer klaren und etwas tiefen Stimme zu einem Vokal-Erlebnis. Saxophon und Flöte bereichern durch ihre virtuosen Soli das Ganze und runden es ab. In der Komposition „I sleep tot he sound of rain“ kommt die Tiefe und der Ausdruck klar zum tragen, besser geht es nicht und ist ein tolles Hörerlebnis.
https://www.corinnareich.com/
Anfragen an: corinnareich@hotmail.com
Anfragen an: corinnareich@hotmail.com
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FAST TRACKS Volume 13
Svein Rikard Mathisen & John Derek Bishop: Calm Brutalism (Curling Legs)
Der norwegische Gitarrist Svein Rikard Mathisen und der norwegisch-amerikanische Elektronikmusiker und Produzent John Derek Bishop schaffen hier Soundscapes, die viel Raum für eigene Interpretationen lassen. Der architektonische Ansatz des Brutalismus ist Ausgangspunkt der Kompositionen, die zunächst dunkel und eher düster beginnen, später aber auch helle Lichtstrahlen zulassen. Sparsame Gitarrenfiguren, Knistergeräusche, Rauschen und Rückkopplungen – aus vielen kleinen Bausteinen bastelst sich dieses Duo seinen ganz eigenen Klangkosmos.The Gil Evans Orchestra: Live At Fabrik (Jazzline)
Die einen waren im Juni 1986 zu Gast im Hamburger Kulturzentrum Fabrik, die anderen ein paar Monate später im Oktober. Und jedes Mal liefen glücklicherweise die Aufnahmebänder mit bei den Auftritten. Trompeter Freddie Hubbard und das Trio des Pianisten McCoy Tyner brennen schon gleich im Opener dieses beim Hamburger Jazzfestival aufgenommenen Konzertes ein Feuerwerk an Energie und Spielfreude ab, das einem die Ohren wackeln. Hart swingend, mit Biss und spürbarer Leidenschaft geht es zur Sache. Und ob Blues oder Ballade, die vier Musiker reißen das Publikum bei ihrem Auftritt immer wieder völlig zurecht mit.
Knapp zwei Jahre vor seinem Tod schaute Gil Evans mit seinem Gil Evans Orchestra in Hamburg beim Jazzfestival vorbei. Die nun erscheinende Doppel-CD bzw. 3er-LP zeigt noch einmal die ganze Klasse dieser Bigband, in der klangvolle Namen des Jazz wie Gitarrist Hiram Bullock, Trompeter Lew Soloff, Saxofonist Bill Evans, Perkussionistin Marilyn Mazur oder Drummer Victor Lewis mitspielten. Viele Stücke von Jimi Hendrix sind hier vor allem zu hören. In langen, spannenden Versionen, die freies solistisches Spiel, virtuose Momente und wuchtige Bigbandsounds genial miteinander verbinden. Das hätte Gitarren-Hexer Jimi sicher gefallen.
Gerald Clayton zählt zu den spannenden Jazzpianisten einer neuen Generation. Für sein zweites Blue Note-Album hat der US-Amerikaner aber auch zwei alte Haudegen als Gäste mit an Bord: Vater John Clayton am Kontrabass und Saxofonist Charles Lloyd, in dessen Band er ja auch spielt. Dazu geselltt sich gelegentlich noch Drummer Justin Brown und die junge, aufregende Sängerin Maro aus Portugal, die bei zwei Stücken mit leicht rauchigem, betörendem Gesang verwöhnt. Kompositionen des Katalanen Federico Mompou, der Jazzstandard „My Ideal“ in gleich zwei Solo-Versionen und eigene Stücke bilden das Programm einer Aufnahme mit vielen Stimmungen. Clayton ist hier ein wunderbares, zumeist minimalistisch gehaltenes Werk gelungen.
Gute Laune verströmt die Freiburger Balkan Beats-Band Äl Jawala auf ihrem neuen Werk. Seit über zwei Jahrzehnten schon kommt diese animierende Musik aus dem Südwesten unserer Republik. Drei neue Stücke, bisher unveröffentlichtes Material sowie Klassiker und Publikumslieblinge haben den Weg auf den Jubiläumstonträger geschafft. Und so ist I Way To Äl ein bunter, zumeist tanzbarer Stilritt geworden, bei dem Balkan auf Afrobeat oder arabische Elemente trifft und sich dennoch eine hippe, westliche Urbanität bewahrt.
Hannes Zerbe Quintett: Live im A-Trane Berlin (JazzHausMusik)
Zwei Pianisten vom Kölner Label JazzHausMusik erfreuen den geneigten Jazzhörer mit neuen Platten. Das Quartett des jungen Kölner Pianisten Niklas Roever hat Hell´s The Hippest Way To Go live im Kölner Loft eingespielt. Und Roever hat seit einem Erasmus-Aufenthalt in Paris mehr gesangsbezogen komponiert. Deshalb erweitert Sängerin Lina Knörr auch seit zwei Jahren das eigentliche Trio und ist als echte vierte, gleichberechtigte Stimme hier mehr als nur Frontfrau in den ausgereiften, interessanten Modern Jazz-Kompositionen des Bandleaders.
Hannes Zerbe ist dagegen schon ein alter Hase, der schon zu DDR-Zeiten mit seiner Blech Band für Furore sorgte. Im letzten Jahr bekam er den Jazzpreis der Stadt Berlin, wo er lebt, verliehen. Das nur veröffentlichte Preisträgerkonzert mit seinem Quintett aus dem Jazzclub A-Trane zeigt Zerbe sowohl als Pianisten und Komponisten als originellen Musiker, der ganz klare Improvisationsvorstellungen für seine Musik hat und dabei gerne Verbindungslinien von Jazz zur E-Musik sucht.
Tuomas A. Turunen: Lifesparks (Skip)
Die meisten dürften Tuomas A. Turunen als Pianist im Emil Brandqvist Trio kennen. Auf Lifesparks präsentiert sich der in Südfrankreich lebende Finne solo am Konzertflügel. Aufgenommen im berühmten Arte Suono-Studio im italienischen Udine, betört Turunen mit gefühlvollen, zarten Klängen. Lyrisch und verträumt klingt seine von wunderschönen Melodien getragene Musik. In Töne gefasste Poesie trifft auf große Emotionen und eine sanfte VIrtuositöt, in einem Crossoverfeld aus Jazz und Klassik.
Text: Christoph Giese
Die meisten dürften Tuomas A. Turunen als Pianist im Emil Brandqvist Trio kennen. Auf Lifesparks präsentiert sich der in Südfrankreich lebende Finne solo am Konzertflügel. Aufgenommen im berühmten Arte Suono-Studio im italienischen Udine, betört Turunen mit gefühlvollen, zarten Klängen. Lyrisch und verträumt klingt seine von wunderschönen Melodien getragene Musik. In Töne gefasste Poesie trifft auf große Emotionen und eine sanfte VIrtuositöt, in einem Crossoverfeld aus Jazz und Klassik.
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FAST TRACKS Volume 12
Zusammen mit Saxofonist Denis Gäbel und Schlagzeuger Jens Düppe hat Tastenmann Lars Duppler, der hier ausschließlich ein altes Fender Rhodes und einen Moog Prodigy-Synthesizer bedient, ein neues Trio gegründet, das mit Unbound ein frisches Album eingespielt hat, das atmosphärisch und virtuos zugleich ist, das schön groovt, hip und aktuell klingt. Durch die Musik, die sich in offen gehaltenen Soundräumen schön frei entfalten kann.
Auch der israelische Pianist Yakir Arbib setzt hir auf ein Trioformat. Zusammen mit dem Bassisten Chris Jennings und dem Schlagzeuger Roberto Giaquinto gibt es neben zwei Fremdkompositionen ausschließlich Stücke des Pianisten zu hören, die so manches Mal seine Herkunft nicht verleugnen. Auch wenn sie sich im Jazzidiom bewegen, mit ausgefeilter Rhythmik und federleichtem Spiel beeindrucken. Herrlich auch welch verschachtelten Beat das Trio dem alten Standard „You Go To My Head“ gleich zu Beginn des Albums unterrührt. Diese Einspielung mit Three Colors zu betiteln ist eine glatte Untertreibung.
Die renommierte FAZ nennt ihn einen „echten Überflieger des zeitgenössischen Jazz“. Und das ist der 1995 geborene Saxofobist und Komponist Fabian Dudek sicher auch. Und ein explosiver Musiker ist er obendrein. Gleich im Auftaktstück seiner neuen Quartett-CD bläst er sich die Seele aus dem Leib, lässt sein Altsax hochemotional quietschen und kreischen. Und mit hoher Intensität geht es auf Isolated Flowers auch weiter. Mit seinen drei Bandmitgliedern musiziert Dudek auf Augenhöhe. Hier ist ein gleichberechtigter Vierer am Werk, der viele Freiräume auslotet, sich ekstatisch hochschwingt zu wilden Statements. Manchmal ist die geballte Energie des Bandleaders ein wenig anstrengend. Aber spannend ist dieses Quartett.
Ein feines Album hat der in Zürich lebende Max Frankl mit 72 Orchard Street aufgenommen. Was auch daran liegt dass der deutsche Gitarrist mit Posaunist Nils Wogram oder Saxofonist Reto Suhner Stimmen in seinem Quintett hat, die all die unterschiedlichen Stimmungen dieser Platte ebenso farbenreich wiedergeben können wie der Bandleader. Und vor allem musiziert hier ein echtes Kollektiv miteinander, das sich bei den Aufnahmen gemeinsam in einem Raum befand und nicht in einzelnen Aufnahmekabinen. Das hört man der Direktheit und Verbundenheit der Musik an, die in vielen Schattierungen mit modernem Jazz verwöhnt.
Das neueste Werk des panamesischen Pianisten Danilo Pérez ist in interdisziplinäres Projekt, bestehend aus zwei je vierteiligen Suiten. Zusammen mit einer multikulturellen Band und einer vor allem für den Jazz ungewöhnlichen Instrumentierung, den Global Messengers, sowie Gastmusikern, darunter auch Perez´ Ehefrau, ist inspiriert von Werken der panamesischen Malerin Olga Sinclair oder eines panamesischen Fotografen ein Projekt entstanden, das den Hörer animieren soll sich eine Welt mit eigenen Schaffensmöglichkeiten vorzustellen.
Das norwegische Trio Maridalen verwöhnt auf Bortenfor mit melancholischen, melodiösen, hymnischen und mitunter tanzbaren, luftigen Stücken Musik. Trompeter Jonas Kilmork Vemøy, Saxofonist Anders Hefre und Kontrabassist Andreas Rødland Haga spielen mit wahnsinnig viel Gefühl, so dass man schnell berührt wird von dieser Musik. Ein Klavier und eine Pedal Steel-Gitarre sorgen dann und wann für zusätzliche Klänge, aber auch n ur mit Trompete, Saxofon und Bass kreiert dieses Trio viele atmosphärische nordisch klingenden Momente.
Was für eine Stimme, was für Emotionen, was für zauberhafte Musik. Das vom Norweger Bugge Weseltoft produzierte und arrangierte neue, dritte Soloalbum der iranischen Sängerin Marjan Vahdat steckt voller Sehnsüchte, ob nach dem Liebsten oder dem Land Iran. Obwohl die Sängerin einen Großteil der Melodien und Texte selbst beigesteuert hat, beziehen sich die melodischen und lyrischen Elemente dieser Produktion auf traditionelle Wurzeln des Iran, auf Werke von zeitgenössischen iranischen Dichtern. Diese gesungene Poesie, im Verbund mit der berührenden Musik, wird durchweg zu einem sehr gefühlsintensiven Erlebnis.
Various Artists: Black Lives – From Generation To Generation (Jammin´colorS)
Ein Sampler als Statement gegen Rassismus und Unterdrückung, genau das ist Black Lives – From Generation To Generation. Der Impuls für dieses Projekt kam von der belgischen Produzentin Stefany Calembert, die als weiße Frau mit einem der beteiligten schwarzen Musiker (Bassist Reggie Washington) schon lange verheiratet ist und das Thema Rassismus aus eigener Erfahrung gut kennt. Und so hat sie 25 schwarzen Künstlern aus den USA, diversen afrikanischen Ländern und der Karibik hier einen Raum für ihre Lieder gegen des Rassismus gegeben. Herausgekommen sind 20 Songs schwarzer Musik mit einer großen Bandbreite, vom energiegeladenen Soul einer Stephanie McKay, über Jazz mit Rap der Brüder David und Marque Gilmour feat. Shariff Simmons, einer Hymne für ein besseres Morgen des Jazztrompeters Jeremy Pelt bis hin zur Polyrhythmik eines Cheick Tidiane Seck aus Mali._________________________________________________________________________________________________________
FAST TRACKS Volume 11
Der Frühling naht. Und mit ihm viele neue Platten. Hier ein bunter Querschnitt.
Eine akustische Gitarre und ein Kontrabass, mehr braucht es hier nicht um eine herrliche Fusion, eine Fusão, zweier Saiteninstrumente herzustellen. Die Wienerin Gina Schwarz und der gebürtige, mittlerweile in Österreich lebende Brasilianer Angelo da Silva sind hier als kongeniales und gleichberechtigtes Duo zu hören. Denn es ist keineswegs so dass die Gitarre von Angelo da Silva immer die Richtung vorgibt. Auch der Kontrabass darf führen und tut das auch in einem Programm aus ausschließlich eigenen Stücken, die poetisch, mediterran, lusophon, mal seelenvoll und melancholisch, dann wieder virtuos und quirlig erklingen.
Paolo Fresu – Daniele di Bonaventura – Pierpaolo Vacca:
Tango Macondo (Tŭk Music)
Tango Macondo ist der Titel eines Theaterstückes, für das Trompeter Paolo Fresu und seine beiden Mitstreiter Daniele di Bonaventura (Bandoneon, Klavier) und Pierpaolo Vacca (diatonisches Akkordeon) die Musik geschrieben bzw. arrangiert haben. Tangos, populäre Musik oder Traditionals interpretiert das Trio, auch mal mit Unterstützung dreier großartiger Stimmen der italienischen Popszene. Entstanden ist ein bislang unveröffentlichter Soundtrack, der nun auf CD, Vinyl und digital erscheint und einmal mehr die große Vielseitigkeit Fresus zeigt. Und hier zusammen mit seinen Mitstreitern lyrische, emotionale, traumhaft schöne Musik interpretiert und spielt.
Morello / Francel / Faller: Living Is Easy, Mostly (GLM Fine Music)
Drei Freunde, die sich immer wieder mal getroffen haben musikalisch, haben nun ein gemeinsames Trio. Gitarrist Paulo Morello, Saxofonist und Klarinettist Mulo Francel sowie Bassist Sven Faller begeben sich auf Living Is Easy, Mostly in vierzehn selbstkomponierten Stücken auf intime musikalische Gespräche voller Gefühl, Weltoffenheit, Liebe zum Jazz und den Klängen des Globus. Hier von grenzüberschreitender Musik zu sprechen trifft die Sache zu einhundert Prozent. Und mit ihrem feinen Gespür für schöne Melodien und Arrangements berühren oder beschwingen die drei Ausnahmemusiker beim Zuhören durchweg.
VEIN: Our Roots (Kartell)
Das Schweizer Trio VEIN beleuchtet mit Our Roots einmal mehr den Weg, die klassische Musik als Ausgangspunkt für einen ganz individuellen Jazz zu sehen und zu nutzen. Michael Arbenz (Piano), Florian Arbenz (Schlagzeug) und Bassist Thomas Lähns ließen sich für das neue Album von Kompositionen von Strawinsky, Bartók, Scriabin, Beethoven, Mussorgsky oder Mozart zu hoch spannenden eigenen Jazzstücken inspirieren. Die lassen den Bezug zu dem jeweils verwendeten Original spüren, bestechen auf der anderen Seite aber durch ihre interpretatorischen Freiräume. Der Klassik mit frischen Ansätzen zu begegnen, das gelingt den drei in Basel geborenen Musikern hier vorzüglich.
Bastian Jütte Quartet: The Cure (Laika)
Der Münchener Schlagzeuger Bastian Jütte verwöhnt auch mit dem zweiten Album seines famosen Jazz-Quartetts mit Pianist Rainer Böhm, Bassist Henning Sieverts und Saxofonist Florian Trübsbach. Hier musizieren vier Alleskönner als wunderbare Einheit miteinander, ohne dabei eigene kreative Freiräume zu vernachlässigen. Eine Woche vor dem ersten bundesweiten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 eingespielt, herrscht schon ein melancholischer und stimmungsvoller Grundton vor. Aber das Quartett sendet in den Kompositionen des Bandleaders, die hier eben auf verschiedene Arten berühren, zwischendurch auch immer wieder positive, kraftvolle Statements.
Brad Mehldau: Jacob´s Ladder (Nonesuch)
Inspiriert vom Prog-Rock, den er als Jugendlicher liebte, hat Brad Mehldau mit Jacob´s Ladder ein Konzeptalbum geschaffen, das ihn in seine Jazzfusion-Vergangenheit zurückführt. Denn durch Fusionkünstler wie Miles Davis, Weather Report oder das Mahavishnu Orchestra hatte der US-amerikanische Pianist einst seinen persönlichen Zugang zum Jazz gefunden. Und so geht es hier wild und heftig rockig oder jazzvirtuos zur Sache, dann ganz überraschend aber auch wieder zart und verträumt. Namhafte Kollegen wie Drummer Mark Giuliana, Saxofonist Joel Frahm oder Sängerin Becca Stevens unterstützen Mehldau auf diesem auch religiös angehauchtem Werk, das auch eine feine Reinterpretation des Songs „Tom Sawyer“ der kanadischen Rockband Rush bereithält.
Tango Macondo (Tŭk Music)
Tango Macondo ist der Titel eines Theaterstückes, für das Trompeter Paolo Fresu und seine beiden Mitstreiter Daniele di Bonaventura (Bandoneon, Klavier) und Pierpaolo Vacca (diatonisches Akkordeon) die Musik geschrieben bzw. arrangiert haben. Tangos, populäre Musik oder Traditionals interpretiert das Trio, auch mal mit Unterstützung dreier großartiger Stimmen der italienischen Popszene. Entstanden ist ein bislang unveröffentlichter Soundtrack, der nun auf CD, Vinyl und digital erscheint und einmal mehr die große Vielseitigkeit Fresus zeigt. Und hier zusammen mit seinen Mitstreitern lyrische, emotionale, traumhaft schöne Musik interpretiert und spielt.
Drei Freunde, die sich immer wieder mal getroffen haben musikalisch, haben nun ein gemeinsames Trio. Gitarrist Paulo Morello, Saxofonist und Klarinettist Mulo Francel sowie Bassist Sven Faller begeben sich auf Living Is Easy, Mostly in vierzehn selbstkomponierten Stücken auf intime musikalische Gespräche voller Gefühl, Weltoffenheit, Liebe zum Jazz und den Klängen des Globus. Hier von grenzüberschreitender Musik zu sprechen trifft die Sache zu einhundert Prozent. Und mit ihrem feinen Gespür für schöne Melodien und Arrangements berühren oder beschwingen die drei Ausnahmemusiker beim Zuhören durchweg.
Das Schweizer Trio VEIN beleuchtet mit Our Roots einmal mehr den Weg, die klassische Musik als Ausgangspunkt für einen ganz individuellen Jazz zu sehen und zu nutzen. Michael Arbenz (Piano), Florian Arbenz (Schlagzeug) und Bassist Thomas Lähns ließen sich für das neue Album von Kompositionen von Strawinsky, Bartók, Scriabin, Beethoven, Mussorgsky oder Mozart zu hoch spannenden eigenen Jazzstücken inspirieren. Die lassen den Bezug zu dem jeweils verwendeten Original spüren, bestechen auf der anderen Seite aber durch ihre interpretatorischen Freiräume. Der Klassik mit frischen Ansätzen zu begegnen, das gelingt den drei in Basel geborenen Musikern hier vorzüglich.
Der Münchener Schlagzeuger Bastian Jütte verwöhnt auch mit dem zweiten Album seines famosen Jazz-Quartetts mit Pianist Rainer Böhm, Bassist Henning Sieverts und Saxofonist Florian Trübsbach. Hier musizieren vier Alleskönner als wunderbare Einheit miteinander, ohne dabei eigene kreative Freiräume zu vernachlässigen. Eine Woche vor dem ersten bundesweiten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 eingespielt, herrscht schon ein melancholischer und stimmungsvoller Grundton vor. Aber das Quartett sendet in den Kompositionen des Bandleaders, die hier eben auf verschiedene Arten berühren, zwischendurch auch immer wieder positive, kraftvolle Statements.
Inspiriert vom Prog-Rock, den er als Jugendlicher liebte, hat Brad Mehldau mit Jacob´s Ladder ein Konzeptalbum geschaffen, das ihn in seine Jazzfusion-Vergangenheit zurückführt. Denn durch Fusionkünstler wie Miles Davis, Weather Report oder das Mahavishnu Orchestra hatte der US-amerikanische Pianist einst seinen persönlichen Zugang zum Jazz gefunden. Und so geht es hier wild und heftig rockig oder jazzvirtuos zur Sache, dann ganz überraschend aber auch wieder zart und verträumt. Namhafte Kollegen wie Drummer Mark Giuliana, Saxofonist Joel Frahm oder Sängerin Becca Stevens unterstützen Mehldau auf diesem auch religiös angehauchtem Werk, das auch eine feine Reinterpretation des Songs „Tom Sawyer“ der kanadischen Rockband Rush bereithält.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS Volume 10
Ein ganzes Album dem Überlebenselement Wasser zu widmen, Esther Kaiser hat mit Water genau das gemacht. Kritische Texte und dazu beseelte Musik ergeben eine poetische Sichtweise auf dieses wichtige Thema. Die Sängerin und Professorin an der Musikhochschule in Dresden hat mit ihren langjährigen musikalischen Partnern, dem Pianisten Tino Derado und dem Bassisten Marc Muellbauer, Stücke geschrieben und zusammen mit ihnen und ein paar Gästen eingespielt. Selbst eine wasserbetriebene Glasharfe, bedient von Esther Kaiser selbst, kommt hier zum Einsatz. Auf einem Album, das die Auseinandersetzungen mit dem Thema Wasser nie in zu bedeutungsschwere Momente abgleiten lässt, sondern sensibel thematisiert.
Der Albumtitel ist Programm. Und hat gleich mal drei Bedeutungen: Ein angolanisches Lied, eine angolanische Musik, eine angolanische Musikerin. Als solche in ihrem Heimatland als Frau voll akzeptiert zu werden, noch immer schwierig, hat Aline Frazão kürzlich erst ein einer Radiosendung erzählt. Ja, eine Frau kann schon Sängerin sein. Aber Musikerin, Songschreiberin, Produzentin? Aber all das ist die Angolanerin mit der so schmeichelnden, warmen Stimme, die auch auf ihrem neuen Album wieder die lusophone Musikwelt in all ihrer Vielfalt präsentiert - mit Rhythmen aus Angola, Brasilien oder den Kapverden. Schon alleine wie sie Angolas Hauptstadt Luanda in einer Nummer ganz lässig und romantisch besingt – einfach nur zauberhaft!
Sie ist eine, wenn nicht sogar die spannendste Stimme des aktuellen Jazz. Die US-amerikanische Sängerin mit karibischen Wurzeln Cécile McLorin Salvant kann mit ihrer Vieroktaven-Stimme einfach alles singen, und das absolut intonationssicher. Und sie liebt es zu überraschen. Was für ein Vielfalt gibt es auf dem neuen Werk der dreifachen Grammy-Preisträgerin zu hören! Einen unbegleiteten, also a-cappella gesungenen Traditional etwa, der unter die Haut geht als Rausschmeißer des Albums. Oder ein traditioneller irischer Kantus zu Beginn, unbegleitet gesungen in einer Kirche, mit dem Hall der Kirchenwände, der dann überraschend in Kate Bushs „Wuthering Heights“ einbiegt. Dazu kommen eigene Stücke, Musik aus der Dreigroschenoper oder was von Sting. Aber alles klingt immer nach ihr. Sehr spannend.
Die aus Chile stammende und in Brooklyn, New York lebende Saxofonistin und Komponistin Melissa Aldana gibt mit 12 Stars ihr Solodebüt als Blue Note-Künstlerin. Mit ihrem feinen Quintett um Gitarrist Lage Lund und Pianist Sullivan Fortner spielt sie einen unaufgeregten, melodischen Modern Jazz mit vielen Farbschattierungen. Ihr Ton auf dem Tenorsaxofon ist warm, emotional und geschmeidig, ihre Band kommuniziert gefühl- und geschmackvoll. Das Artwork des CD-Covers stammt übrigens von – Cécile McLorin Salvant.
Gleich vier Kontrabässe gibt es hier zu hören. Denn das New York Bass Quartet des aus Flensburg stammenden, seit mehr als einem Vierteljahrhundert aber schon im Big Apple lebenden Kontrabassisten Martin Wind vereint drei weitere Instrumentenkollegen in einer Band. Dazu kommen hier noch als Gäste die beiden Schlagzeuger Matt Wilson und Lenny White sowie Pianist und Organist Gary Versace. Im Zentrum eines bunten Programms mit eigener Musik, einem Beatles-Medley, Bach-Chorälen oder Stücken von Joe Zawinul oder Pat Metheny aber stehen die sehr interessanten, mehrstimmigen Klänge der vier Tieftöner.
Helge Lien Trio: Revisited (Ozella)
Jacob Karlzon: Wanderlust (Warner)
The Spam: Between (www.spamjazztrio.com)
Zum Schluss noch drei Piano-Trios, die mit neuen Scheiben aufwarten. Im Falle des Helge Lien Trio aber gibt es auf Revisited ausschließlich schon veröffentlichtes, bekanntes Material zu hören, dass der norwegische Bassist mit seinem neuformierten Trio allerdings noch einmal eingespielt hat, in einer Kirche und live auf einem Festival in seiner Heimatstadt Hamar. Hörenswert!
Auch das Ruhrgebiets-Jazztrio The Spam um den Bochumer Pianisten Oliver Schroer hat sich Gäste eingeladen, darunter den Kölner Trompeter Matthias Bergmann. Und spielt auf Between einen erfrischenden, groovigen, modernen Jazz, der durch starke Melodien und feines Zusammenspiel besticht.
Text: Christoph Giese
Jacob Karlzon: Wanderlust (Warner)
The Spam: Between (www.spamjazztrio.com)
Zum Schluss noch drei Piano-Trios, die mit neuen Scheiben aufwarten. Im Falle des Helge Lien Trio aber gibt es auf Revisited ausschließlich schon veröffentlichtes, bekanntes Material zu hören, dass der norwegische Bassist mit seinem neuformierten Trio allerdings noch einmal eingespielt hat, in einer Kirche und live auf einem Festival in seiner Heimatstadt Hamar. Hörenswert!
Der schwedische Tastendrücker Jacob Karlzon spielt sich auf Wanderlust durch Rockgrooves, erweitert seinen akustischen Klavierklang gerne auch mal mit dem Synthesizer, musiziert zurückgenommen mit zwei hochkarätigen Gästen, dem Gitarristen Dominic Miller und dem Trompeter Matthias Eick, oder verwöhnt mit perlendem Wohlfühl-Jazz.
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FAST TRACKS Volume 9
Eine bunte Palette von Klängen erwartet den Leser dieser FAST TRACKS. Los geht es mit einer atemberaubenden Stimme.
Ja, was für eine Stimme hat diese Frau nur, die sich Lady Blackbird nennt, nach dem ersten Song ihrem fantastischen Debütalbum. Das beginnt nämlich mit Nina Simone Protestsong Blackbird, den Marley Munroe alias Lady Blackbird hier ziemlich ergreifend singt. Und so geht ihr Album auch weiter. Bisweilen verhangene Jazzballaden und weitere Songs, vielfach aus den 1960er Jahren, bilden den Rahmen für diesen sofort unter die Haut gehenden Gesang der Ausnahmekünstlerin aus Los Angeles, die hier R&B, Jazz, Blues und Soul eine neue, herzzerreißende Stimme gibt.
Die junge niederländische Sängerin Jessica de Boer hat dagegen alle Songs ihres Debüts selbst geschrieben. Und überzeugt mit ihrer klaren Stimme und ihrer lockeren Verspieltheit beim Singen. Ihr farbenfroher, positiver Jazz mit Anklängen von Weltmusik klingt frisch und luftig. Zwei Backgroundstimmen liefern ihr vokale Unterstützung und erweitern hübsch immer wieder die gesanglichen Klangbilder, die ihre Band leichtfüßig zu umspielen weiß.
Zwei Musiker, zwei Stimmen, zwei Länder im Herzen. Die beiden Halb-Isländer Stefan Karl Schmid (Tenor- & Sopransaxofon, Klarinette) und Lars Duppler (Klavier) haben im Kölner Loft als Co-Produktion mit dem Deutschlandfunk dieses Album in nur drei Stunden komplett eingespielt. Bearbeitungen traditioneller isländischer Reimgedichte verschmelzen auf diesem intimen Werk mit eigenen Stücken. In bildgewaltigen Bögen ist Raum für ergreifende Melodien, aber auch freie Improvisationen. Das kongeniale Duo bietet hier beseelte Dialoge auf höchstem Niveau, denen man nur zu gerne lauscht.
Ganz minimalistisch ist Bugge Wesseltoft auf Be Am unterwegs. Minimalistisch wie wohl noch nie zuvor. Der norwegische Tastenmann und Klangtüftler hat sich hier ganz auf die Essenz der Songs konzentriert, alles zugelassen, nichts ausgeschlossen. Etwa den Einsatz von Effekten, Fender Rhodes, einer Kalimba oder sogar Vogelzwitschern, auch wenn das Spiel auf dem akustischen Konzertflügel im Vordergrund steht. Für zwei Stücke hat Wesseltoft seinen Landsmann Håkon Kornstad mit seinem Saxofon in sein Studio geholt. Ansonsten spielt Wesseltoft solo geschickt zwischen den Genres. Gefühlvoll, berührend, verträumt, einfach zeitlos schön.
Anders Koppel: Mulberry Street Symphony (Unit Records)
Karl Ivar Refseth Trio: Devotion (Traumton)
Tomasz Dąbrowski & The Individual Beings:
Curtis Stigers: This Life (Emarcy)
Text: Christoph Giese
Bilder in Töne verpacken, das macht die Mulberry Street Symphony des dänischen Komponisten Anders Koppel. Der hat Fotos seines berühmten Landsmannes, dem Fotografen und Sozialreformer Jacob Riis, als Vorlagen für ein symphonisches Werk für Orchester und Jazztrio genommen. Riis fotografierte die schlechten Lebensbedingungen von Auswanderern in die USA Ende des 19. Jahrhunderts. Das Odense Symphony Orchestra unter der Leitung von Martin Yates und ein Jazztrio mit Koppel´s Sohn Benjamim Koppel auf dem sehr eindringlich gespielten Altsaxofon, Bassist Scott Colley und Drummer Brian Blade verwandelt die Fotografien in sieben Sätzen in ebenso dramatischen Tönen zu einer großartigen Hymne auf das Leben und die Träume der Auswanderer.
Ein sehr atmosphärisches Werk ist das neue Album des Trios des schon viele Jahre in Berlin lebenden norwegischen Vibrafonisten Karl Ivar Refseth geworden. Zusammen mit dem Altsaxofonisten Christian Weidner und dem Kontrabassisten Matthias Pichler spielt Refseth poetische Stücke Musik, die viele Klang- und Rhythmusfarben beinhalten. Er selbst bringt dabei die Metallplatten seines Instruments auch mal mit Geigenbögen zum Schwingen. Und ist ohnehin kein wilder Klöppler. Hier geht es um kammermusikalisches Zusammenspiel, improvisierte Miniaturen, um unaufgeregte schöne Musik.
Tomasz Dąbrowski & The Individual Beings (April Records) Er spielt das alte Horn seines verstorbenen Mentors Tomasz Stanko. Und irgendwie musiziert er auch im Geiste des großen polnischen Trompeters. Aber Trompeter und Komponist Tomasz Dąbrowski ist ein eigenständiger, interessanter Künstler, der hier sechs weitere Musiker, seine The Individual Beings, um sich geschart hat um einen originellen, zeitgenössischen Jazz zu spielen, der allen Beteiligten viel Raum zur Entfaltung lässt. Das Resultat klingt dann manchmal schon sperrig, aber doch immer auch ziemlich spannend.
Nicht nur für seine absoluten Fans ist das neue Album von Curtis Stigers sicher einen Kauf wert, denn hier hat der bekannte US-Sänger seine großen Hits noch einmal neu beleuchtet. Etwa seine Erfolgsnummer „You´re All That Matters To Me“, die hier als süffige Jazzballade um die Ecke kommt. Und auch seinem wohl größten Hit „I Wonder Why“ tut die Verwandlung zum akustischen Jazz sehr gut. Sowieso hat Curtis Stigers den Jazz längst für sich entdeckt. Und beweist auf dieser Platte auch beim Interpretieren von Jazzklassikern ein feines Händchen. Man höre sich nur mal seine Version von Gershwins „Summertime“ an, mit einem lässigen, von den Young Jazz Lions geborgten, reggaelastigen Arrangement.
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Einspielbesprechung:
Kaleidoskop „Sunflower“ Februar 2022
Besetzung:
Christian Hammer – Guitar
Dimitrij Markitantov – Saxophone
Alex Morsey – Bass
Fethi Ak – Percussion
Christian Hammer – Guitar
Dimitrij Markitantov – Saxophone
Alex Morsey – Bass
Fethi Ak – Percussion
Was bedeutet Kaleidoskop? Eigentlich ein Allerlei an Farben, Stimmungen und bunten Wechseln.
So kann man auch den Grundtenor der Einspielung „Sunflower“ bezeichnen. Es ist schon eine tolle Leistung den Jazz mit so vielen zur Verfügung stehenden musikalischen Vielfältigkeiten zu bestücken und daraus eine musikalische Synthese zu bilden.
Die Musiker sind allesamt hervorragende Interpreten und absolute Könner an ihren Instrumenten, die ihre Vielfalt auch dadurch bestärken, dass sie alle in vielen anderen Formationen tätig sind.
„Sunflower“ beinhaltet die Sonne auf die wir in der heutigen Zeit schon lange warten und die Sonne ist in allen Kompositionen fühlbar anwesend.
Der Beginn ist „Avellino“, eine Stadt die im Süden Italiens liegt und ein kleines aber wunderschönes Provinz-Städtchen ist. Gleich zu Beginn des Stückes quillt und lebt es wie man sich das Leben im Süden vorstellen kann. Der durchdringende und virtuose Bass von Alex Morsey, mit großer Dynamik gespielt und Fethi Ak, der an seinen Percussions-Instrumenten kräftig treibt, legen den Teppich für Christian Hammer und seinen sehr gefühlvollen und sensiblen Solis. Dimitrij Markitantov am Saxophone ist unglaublich vielseitig in seiner Spielweise. Verglichen mit in einer Straße hineinspielend geht es mit Jazz-Läufen los, in der Mitte ein Übergang in Orientalische Klänge und Tonkaskaden, am Ende wieder der Ausklang mit Jazz-Läufen und das alles so fließend, einfach ein Genuss.
„Sunflower“, eine Blume die der Sonne im weitgehendsten Sinne sehr ähnelt und in vielen Ländern der Erde heimisch ist. Aus diesen vielen Ländern, speist sich die Komposition von Christian Hammer. Es ist schon eine besondere Fähigkeit diese verschiedenen Klangformen in einem Klangraum zusammen zu fassen. Alex Morsey, sein Bass beginnt als Akkordinstrument und legt sich mit seinem Solo singend über die Komposition. Das Zusammenspiel von Gitarre und Saxophon, höchst sensibel, wie aus einem Guss bewegen sich beide in den Melodiebögen und zaubern eine Mischung aus Oxident und Orient.
„Diese Einspielung der Band Kaleidoskop, ist vom Anfang bis zum letzten Stück eine Reise in die Vielfalt der musikalischen Schätze der kulturellen Welten“.
Ein Hörerlebnis ist es Kaleidoskop live zu erleben:
http://kaleidoskop.band/termine/
http://kaleidoskop.band/termine/
Text: Kurt Rade Fotos: Kurt Rade
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FAST TRACKS
Volume 8Markus Stockhausen / Vangelis Katsoulis / Arild Andersen:
Across Mountains (o-tone music)
Die drei hier beteiligten Protagonisten sind sich schon 1996 bei einem Konzert in Athen begegnet. Dieses Album aber entstand nun, in einer Zeit, in der Reisen und Konzerte spielen nicht möglich war. Man schickte sich Tonspuren zwischen Deutschland, Athen und Oslo hin und her. Stücke entstanden. So ein Online-Aufnahmeprojekt birgt sicher Gefahren, aber eröffnet auch neue Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten. Der Trompeter, der Pianist und der Bassist haben auf Across Mountains unter der dezenten Hinzufügung von Loops und Elektronik jedenfalls ein wunderbar atmosphärisches und sinnliches Trio-Album eingespielt.
Sebastian Voltz: Voyages (Tough Tone Records) Markus Burger: The Vienna Sessions (Challenge Records)
Noch einmal Solopiano, noch einmal zeitlos schöner Klavierjazz fürs Herz. Der deutsche, in Los Angeles lebende Pianist und ehemalige Folkwang-Student Markus Burger verbrachte im August 2019 zwei Tage in Wien und hatte das Privileg im dortigen Bösendorfer Piano Showroom The Vienna Sessions aufzunehmen. Sechzehn selbst komponierte Stücke und Miniaturen sind es schließlich geworden, die es auf diesen Tonträger geschafft haben. Einige davon hat Burger leicht elektronisch angereichert, was der ohnehin atmosphärischen Stimmung dieser Produktion noch einen zusätzlichen, durchaus interessanten Anstrich gibt.
Mohammad Reza Mortazavi: Prisma (flowfish)
Ebenfall solo eingespielt ist Prima, das neue Album des lange schon in Deutschland lebenden, iranischen Meisterperkussionisten Mohammad Reza Mortazavi. Hier glaubt man mehr als nur einen Musiker zu hören. Faszinierend wie sich bei dem Iraner auf Rahmen- und Handtrommeln mehrere perkussive Ideen zu einem zirkulierenden Ganzen verbinden, angereichert durch das erstmalige Verwenden seiner Stimme auf einem eigenen Album. Hier wird Schlagwerkkunst zu einer allumfassenden, höchst virtuosen Klangsprache.
triosence: Giulia (Sony Masterworks)
Einmal mehr spielt das Trio um den Pianisten Bernhard Schüler zeitlose schöne Jazzmusik mit viel Gefühl und singbaren Melodien. In Italien aufgenommen verströmt Giulia eine herrliche mediterrane Leichtigkeit, sendet positive Vibes und vertreibt so mit seinen Klängen garantiert jeden Winterblues. Dass bei drei Stücken auch noch der namhafte italienische Trompeter Paolo Fresu mitwirkt, was das Trio als eine Art Ritterschlag empfindet, rundet dieses Werk ab.
Nina Simone: Feeling Good (Verve Records)
Diese Doppel-CD der 2003 schon verstorbenen Jazz- & Bluesdiva ist ein echtes Muss, auch für Fans der US-Amerikanerin aus North Carolina, die schon einiges von ihr im Plattenschrank stehen haben. Denn der Untertitel der neu erschienenen Rückschau heiß schließlich Her Greatest Hits & Remixes. Und so gibt es neben so wahnsinnig starken Songs aus dem Repertoire von Nina Simone wie natürlich „Strange Fruit“, „I Put A Spell On You“ oder „Don´t Explain“ ab der Hälfte von Silberling Nummer zwei einen Schwung hipper Remixe ihrer Nummern von einigen Top DJs und Produzenten zu entdecken. Die zeitlebens politisch so engagierte Künstlerin, modern aufbereitet für den Dancefloor? Warum nicht!
Die drei hier beteiligten Protagonisten sind sich schon 1996 bei einem Konzert in Athen begegnet. Dieses Album aber entstand nun, in einer Zeit, in der Reisen und Konzerte spielen nicht möglich war. Man schickte sich Tonspuren zwischen Deutschland, Athen und Oslo hin und her. Stücke entstanden. So ein Online-Aufnahmeprojekt birgt sicher Gefahren, aber eröffnet auch neue Freiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten. Der Trompeter, der Pianist und der Bassist haben auf Across Mountains unter der dezenten Hinzufügung von Loops und Elektronik jedenfalls ein wunderbar atmosphärisches und sinnliches Trio-Album eingespielt.
Er kommt von der Klassik und entdeckte während seines Studiums zum klassischen Konzertpianisten seine Liebe zur improvisierten Musik. Um dann mit einer Klezmerformation durch Israel zu touren oder mehr als 100 Konzerte mit dem Trio der Jazzgitarristin Susan Weinert zu spielen. Dann kam Corona, Susan Weinert starb und Sebastian Voltz setzte sich ans Klavier und komponierte eine Hommage für die verstorbene Kollegin – der Start für dieses Soloalbum. Weitere Stücke folgten und zeigen allesamt einen gefühlvollen Pianisten mit klassisch geschultem Anschlag und Blick auf den Jazz, der hier berührende Stücke Musik spielt.
Noch einmal Solopiano, noch einmal zeitlos schöner Klavierjazz fürs Herz. Der deutsche, in Los Angeles lebende Pianist und ehemalige Folkwang-Student Markus Burger verbrachte im August 2019 zwei Tage in Wien und hatte das Privileg im dortigen Bösendorfer Piano Showroom The Vienna Sessions aufzunehmen. Sechzehn selbst komponierte Stücke und Miniaturen sind es schließlich geworden, die es auf diesen Tonträger geschafft haben. Einige davon hat Burger leicht elektronisch angereichert, was der ohnehin atmosphärischen Stimmung dieser Produktion noch einen zusätzlichen, durchaus interessanten Anstrich gibt.
Ebenfall solo eingespielt ist Prima, das neue Album des lange schon in Deutschland lebenden, iranischen Meisterperkussionisten Mohammad Reza Mortazavi. Hier glaubt man mehr als nur einen Musiker zu hören. Faszinierend wie sich bei dem Iraner auf Rahmen- und Handtrommeln mehrere perkussive Ideen zu einem zirkulierenden Ganzen verbinden, angereichert durch das erstmalige Verwenden seiner Stimme auf einem eigenen Album. Hier wird Schlagwerkkunst zu einer allumfassenden, höchst virtuosen Klangsprache.
Einmal mehr spielt das Trio um den Pianisten Bernhard Schüler zeitlose schöne Jazzmusik mit viel Gefühl und singbaren Melodien. In Italien aufgenommen verströmt Giulia eine herrliche mediterrane Leichtigkeit, sendet positive Vibes und vertreibt so mit seinen Klängen garantiert jeden Winterblues. Dass bei drei Stücken auch noch der namhafte italienische Trompeter Paolo Fresu mitwirkt, was das Trio als eine Art Ritterschlag empfindet, rundet dieses Werk ab.
Diese Doppel-CD der 2003 schon verstorbenen Jazz- & Bluesdiva ist ein echtes Muss, auch für Fans der US-Amerikanerin aus North Carolina, die schon einiges von ihr im Plattenschrank stehen haben. Denn der Untertitel der neu erschienenen Rückschau heiß schließlich Her Greatest Hits & Remixes. Und so gibt es neben so wahnsinnig starken Songs aus dem Repertoire von Nina Simone wie natürlich „Strange Fruit“, „I Put A Spell On You“ oder „Don´t Explain“ ab der Hälfte von Silberling Nummer zwei einen Schwung hipper Remixe ihrer Nummern von einigen Top DJs und Produzenten zu entdecken. Die zeitlebens politisch so engagierte Künstlerin, modern aufbereitet für den Dancefloor? Warum nicht!
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS
Volume 7
Schnelldurchlauf Vol. 7 - auch im Januar gibt es schon wieder Spannendes zu hören.
Jim McNeely / Frankfurt Radio Big Band featuring Chris Potter:
Gábor Bolla Quartet: On the Move (Stunt)
Ein Ungar versammelt einen Landsmann (den Pianisten Robert Lakatos), einen Schweden (den Bassisten Daniel Franck) und den Top-Schlagzeuger Billy Drummond aus den USA um sich, um in Kopenhagen eine mal hart, mal elegant swingende, zwischendurch von wunderschönen Balladen durchsetzte CD einzuspielen. Saxofonist Gábor Bolla ist mit On the Move ein zeitloses, sehr hörenswertes Jazzalbum aus Eigenkompositionen und Jazzstandards gelungen, das an die goldenen 1960er Jahre erinnern lässt, als viele US-Jazzer den Weg in die dänische Hauptstadt fanden um dort aufzutreten und teilweise auch zu leben.
Andreas Hertel Trio: Blue Bop (Laika)
Swingen tut es auch beim Andreas Hertel Trio ordentlich. Boppen zudem. Und wo etliche Stücke des Pianisten aus Wiesbaden ihre Wurzeln haben, nämlich im Blues, das hört man auch. Zusammen mit Bassist Johannes Schaedlich und Drummer Jens Biehl serviert Andreas Hertel auf seinem bereits zehnten Album Blue Bop ein komplett von ihm selbst komponiertes Modern Jazz-Programm, das frisch, quicklebendig und sehr animierend klingt. Und beim Hören einfach die ganze Zeit für gute Laune sorgt.
Youn Sun Nah: Waking World (Warner)
Erstmals hat die Jazzsängerin Youn Sun Nah ganz alleine alle Songs für ein Album geschrieben. Corona sorgt auch für solche Neuheiten im Leben der Südkoreanerin. Es sind introspektive, mitunter melancholische Lieder zwischen Pop, Folk, Singing/Songwriting und Jazz geworden. Mal spärlich, dann wieder üppiger instrumentiert. Lieder zwischen luftiger Leichtigkeit und schmerzhaften Einsichten. Kleinode, die einen in den Bann ziehen. Was auch an den ausgetüftelten Instrumentierungen, etwa mit elektrischen Banjos, spannenden Trompeten-Arrangements oder programmierten Beats liegt.
Rituals (Double Moon)
Iinspiriert von der Ton- und Klangsprache von Igor Strawinskys Meisterwerk „Le Sacre du Printemps“ hat der amerikanische Arrangeur und Orchesterleiter Jim McNeely die sechsteilige Suite Rituals geschrieben, ein völlig neues, eigenständiges, mächtiges und anspruchsvolles Werk, das die hr Big Band, die hier als Frankfurt Radio Big Band firmiert, mit ihrem Gastsolisten, dem US-Saxofonisten Chris Potter, hier genial umsetzt. Man hört Musik mit viel Entdeckungspotenzial, ergänzt am Ende zudem durch vier von McNeely neu arrangierte Stücke aus dem Repertoire von Chris Potter.Ein Ungar versammelt einen Landsmann (den Pianisten Robert Lakatos), einen Schweden (den Bassisten Daniel Franck) und den Top-Schlagzeuger Billy Drummond aus den USA um sich, um in Kopenhagen eine mal hart, mal elegant swingende, zwischendurch von wunderschönen Balladen durchsetzte CD einzuspielen. Saxofonist Gábor Bolla ist mit On the Move ein zeitloses, sehr hörenswertes Jazzalbum aus Eigenkompositionen und Jazzstandards gelungen, das an die goldenen 1960er Jahre erinnern lässt, als viele US-Jazzer den Weg in die dänische Hauptstadt fanden um dort aufzutreten und teilweise auch zu leben.
Swingen tut es auch beim Andreas Hertel Trio ordentlich. Boppen zudem. Und wo etliche Stücke des Pianisten aus Wiesbaden ihre Wurzeln haben, nämlich im Blues, das hört man auch. Zusammen mit Bassist Johannes Schaedlich und Drummer Jens Biehl serviert Andreas Hertel auf seinem bereits zehnten Album Blue Bop ein komplett von ihm selbst komponiertes Modern Jazz-Programm, das frisch, quicklebendig und sehr animierend klingt. Und beim Hören einfach die ganze Zeit für gute Laune sorgt.
Erstmals hat die Jazzsängerin Youn Sun Nah ganz alleine alle Songs für ein Album geschrieben. Corona sorgt auch für solche Neuheiten im Leben der Südkoreanerin. Es sind introspektive, mitunter melancholische Lieder zwischen Pop, Folk, Singing/Songwriting und Jazz geworden. Mal spärlich, dann wieder üppiger instrumentiert. Lieder zwischen luftiger Leichtigkeit und schmerzhaften Einsichten. Kleinode, die einen in den Bann ziehen. Was auch an den ausgetüftelten Instrumentierungen, etwa mit elektrischen Banjos, spannenden Trompeten-Arrangements oder programmierten Beats liegt.
Gianluca Petrella & Pasquale Mirra: Correspondence (Tŭk Music)
Eigentlich hat dieses Projekt der beiden Italiener vor drei Jahren als ein weitgehend akustisches begonnen, also nur mit Posaune (Gianluca Petrella) und Vibrafon (Pasquale Mirra), dazu ein wenig Elektronik. Aber dieses Duo hat seinen Horizont längst erweitert und schließlich sind sechs Leute mehr im Studio bei den Aufnahmen zu Correspondence dabei gewesen. Man hört Rhodes, ein Balafon, Talking Drums, Congas, Midi Vibes und vieles mehr. Und die Bandbreite der Musik ist ebenfalls beachtlich. Afrobeat trifft auf Ethio- und spirituellen Jazz und elektronische Sounds. Ein echtes Kaleidoskop an Strömungen und Klängen. Spannende Musik zwischen Menschlichkeit und Technologie.
Text: Christoph Giese
Eigentlich hat dieses Projekt der beiden Italiener vor drei Jahren als ein weitgehend akustisches begonnen, also nur mit Posaune (Gianluca Petrella) und Vibrafon (Pasquale Mirra), dazu ein wenig Elektronik. Aber dieses Duo hat seinen Horizont längst erweitert und schließlich sind sechs Leute mehr im Studio bei den Aufnahmen zu Correspondence dabei gewesen. Man hört Rhodes, ein Balafon, Talking Drums, Congas, Midi Vibes und vieles mehr. Und die Bandbreite der Musik ist ebenfalls beachtlich. Afrobeat trifft auf Ethio- und spirituellen Jazz und elektronische Sounds. Ein echtes Kaleidoskop an Strömungen und Klängen. Spannende Musik zwischen Menschlichkeit und Technologie.
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FAST TRACKS
Volume 6Die galizische Sängerin und Cellistin Rosa Cedrón bietet auf ihrem dritten Album unter eigenem Namen eine zauberhafte und seelenvolle Reise durch Popmusik mit Versatzstücken galizischer Folkore. Eine betörende Mischung. Ihre einnehmende Stimme hat schon den Briten Mike Oldfield verzaubert, der sie Ende der 1990er Jahre einlud an „Tubular Bells III“ mitzuwirken und auch mit ihm auf Tour zu gehen. Mit Nómade (Karonte) kann Rosa Cedrón einmal mehr ihr ganz eigenes Gesicht und ihre ganze Klasse zeigen.
Das junge dänische Trio Little North verzückt auf Familiar Places (April Records) wieder mit seinem eigenen nordischen Jazzsound, der aber deutlich hörbar auch in der amerikanischen Jazztradition verhaftet ist. Pianist Benjamin Nørholm Jacobsen, Bassist Martin Brunbjerg Rasmussen und Drummer Lasse Jacobsen schaffen aus allen ihren Einflüssen eine Klangsprache mit großen Melodien und schwelgerischen Momenten. Und setzen dabei immer auf ihr traumwandlerisches Zusammenspiel. Das bekommt hier stellenweise Ergänzung durch zwei hörenswerte Gäste, Gitarrist Viktor Spasov und Trompeter Kasper Tranberg.
Solopiano gibt es von Florian Favre auf Idantitâ (Traumton) zu hören. Der Schweizer Tastendrücker hat sich in der Pandemie zurückgezogen, sich auf sich selbst und die eigene Geschichte und Identität konzentriert. So kam er neben selbstgeschriebenen Stücken auch zu welchen, die er früher in Chören gehört hatte. Etwa zu Kompositionen des Schweizer Pfarrers Joseph Bovet, die er hier wunderbar aufbereitet hat. Neben besinnlichen und sehr lyrischen Stücken Musik ist dabei auch Raum für kraftvollere Passagen, bei denen Favre auch mal mit dem präparierten Klavier arbeitet.
Text: Christoph Giese
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FAST TRACKS
Volume 5
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Christmas Songs
Bei Till Brönner gehen die Meinungen ja gerne mal auseinander. Sein neues Weihnachtsalbum aber sollte eigentlich über jede Kritik erhaben sein. Christmas (Sony) hat der Trompeter es schlicht genannt. Und so reduziert wie der Albumtitel klingt das Werk auch, gibt es neben Brönner auf Trompete und Flügelhorn nämlich nur noch Frank Chastenier am Klavier und Christian von Kaphengst am Bass zu hören. Stimmt nicht ganz, den Song „Christmas Time Is Here“ veredelt Sänger Max Mutzke mit seiner großartigen Stimme. Ansonsten ist hier eine dichte, kammermusikalische Intensität zu spüren. Kein Schmalz, kein Ton zu viel, dafür seelenvolle Klänge. Musik, die das Herz wärmt. Lieder, die man kennt, aber nicht so. Lässt sich übrigens wunderbar schon einige Wochen vor Weihnachten hören.
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Neuerscheinungen - FAST TRACKS Volume 4
Volume 4 der Fast Tracks mit frischen Klängen aus Jazz und der Welt.
Text: Christoph Giese
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Neuerscheinungen - FAST TRACKS Volume 3
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FAST TRACKS
Volume 1Das Frankfurter Quartett electrolyte besticht in der Besetzung Keyboards/Synthesizer-Bass, Saxofon, Gitarre und Schlagzeug auf seinem Debütalbum Virtual Game mit seiner Mischung aus funkigen Grooves und Elektrobeats, die für bisweilen tanzbare Musik sorgen.
The Beat nennt Schlagzeuger Jens Düppe sein neues, im Quartett (unter anderem mit Trompeter Frederik Köster) aufgenommenes Album, das raffinierte Beats zu Rhythmen und letztendlich spannende, auch mal vertrackte Songs anwachsen lässt.
Auch Schlagzeuger Jonas Sorgenfrei setzt auf seinem Debütalbum Elephants Marching On auf eine Quartettbesetzung. Mit dabei auf einer frisch klingenden Reise durch die gehaltvollen, modernen Kompositionen des Bandleaders sind Pianist Rainer Böhm, Saxofonist Wanja Slavin und Bassist Matthias Akeo Nowak, wobei vor allem die beiden Erstgenannten ihre Freiheiten für spannende solistische Akzente nutzen.
Kraftvoll singt sie mit warmer Stimme, die Finnin Elena Mȋndru, und entpuppt sich auf Hope auch als gekonnte Vokalimprovisatorin. Mit ihrer um den polnischen Geiger Adam Baldych erweiterten Band interpretiert die gebürtige Rumänin nonchalant schöne, melodische Jazzsongs mit Ethnoeinschlag.
Live at the Berlin Jazz Festival 1966 besteht aus Masterbändern eines Doppelkonzertes vom Stan Getz Quartet & Astrud Gilberto mit bislang unveröffentlichten Versionen, klanglich sehr gut neu aufbereitet. CD Nummer eins zeigen den US-Saxofonisten und sein Quartett mit Vibrafonist Gary Burton und Drummer Roy Haynes in Höchstform. Auf CD Nummer zwei veredelt die damals noch junge Brasilianerin Astrud Gilberto Brasil-Klassiker wie „Corcovado“ oder das berühmte „Girl from Ipanema“ und berühmte Jazzstandards mit ihrem sanften Gesang.
Die Markus Stockhausen Group bietet dem geneigten Hörer sogar gleich drei CDs mit ihrem neuen Werk. Tales bietet einen Silberling mit komponierter Musik und zwei weitere mit improvisierten Stücken. Aber eigentlich nehmen alle der insgesamt 25 von Markus Stockhausen (Trompete, Flügelhorn), Jörg Brinkmann (Cello), Jeroen van Vliet (Piano, Synthesizer) und Christian Thomé (Schlagzeug) gespielten Stücke den Zuhörer mit auf klanglich weit gefasste, ästhetisch schöne musikalische Reisen voller Entdeckungsmöglichkeiten zwischen kammermusikalischen Augenblicken und schwerelosen esoterischen Momenten.
Zum Abschluss noch ein Tipp für echte Energiemusik: Die rumänische Blechblaskapelle Fanfare Ciorcărlia feiert gerade ihr 25-Jähriges Bandjubiläum. Seit einem Vierteljahrhundert sorgen die zwölf Herren aus dem kleinen Roma-Dorf Zece Prăjini im Nordosten Rumäniens, unweit der Grenze zu Moldawien, für tanzende Beine und gute Laune mit ihrem Balkan-Brass-Sound. Das ist auf ihrer neuen CD nicht anders. Wer sich nach Sonne und Fröhlichkeit sehnt im bevorstehenden Herbst und Winter, wer schnelle Rhythmen, Balkanfolklore und tänzelnde Melodien mag, liegt mit It Wasn´t Hard To Love You“ genau richtig.
Text: Christoph Giese
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Frida „Freedom of Flight“ von Kurt Rade
Mascha Corman - Gesang
Sara Decker – Gesang
Julia Ehninger – Gesang
Conrad Noll – Kontrabass
Jeroen Truyen – Schlagzeug
Sara Decker – Gesang
Julia Ehninger – Gesang
Conrad Noll – Kontrabass
Jeroen Truyen – Schlagzeug
„Baby one more time“ könnte man sagen, meine aber, das ich mir die Einspielung gleich mehrmals hintereinander angehört habe. Erst dann erkennt, oder erhört man die Vielfalt und den Klang-Reichtum der Arrangements. Es muss eine enorme Arbeit und viel Herzensblut in dieser Einspielung stecken.
„Baby one more time“ berühmt geworden durch Britney Spears haut gleich richtig rein und zeigt auf Anhieb was noch zu erwarten ist. Kraftvoll und mit Druck umgesetzt, drei Stimmen die wie füreinander geschaffen zusammen einen wunderbaren Stimmensound ergeben. Conrad Noll am Bass lässt diesen Singen und gibt durch seine Spieltechnik dem Ton einen Raum. Jeroen Truyen an den Drums setzt seine Rhythmen gefühlvoll ein, nimmt sich zurück wo es sensibel wird und geht nach Vorne wenn Dynamik angebracht ist. Mascha Corman, Sara Decker und Julia Ehninger, drei außergewöhnliche Stimmen mit einer unglaublichen Klarheit und Klangvielfalt zeigen das sie nicht nur Singen sondern auch was Erschaffen wollen.
Alle drei Sängerinnen könnten die Arrangements großartig alleine durchziehen, aber durch Noll und Truyen gewinnt es hier eine seltene Lebendigkeit. Durch dieses Gesamtbild und der Interpretation, ist das Verstehen des Ganzen ein fließender Übergang. Trotzdem geben sich Sängerinnen wie Musiker Freiraum zu Improvisation und Ausdruck.
Alle Texte haben seelischen Tiefgang und ihre Lyrik verlangte nach Auseinandersetzung mit diesen um Arrangements umsetzten zu können.
„Kein Kinderlied“ und „Der schwere Traum“ sind zeitgemäße aber auch zeitlose Texte die vom nicht enden wollenden Schwierigkeiten mit sich selbst und den Menschen untereinander aufzeigt. Eine bedrückende Lyrik die wie zufällig in unsere heutige Zeit passt. Flucht, nie endende Kriege, Hunger, Leid, Schmerz und die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit sind ein Ruf dieser Einspielung.
Nach dem Anhören der Einspielung kann man nicht nur aufstehen und gehen, Nachdenklichkeit setzt ein, aber auch das Gefühl eine tolles Hörerlebnis gehabt zu haben.
Vielen Dank an Mascha Corman, Sara Decker, Julia Ehninger, Conrad Noll und Jeroen Truyen.
Text: Kurt Rade
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„Voyage West“ Neue Einspielung von Stefan Bauer
Tammy Scheffer – Voice
Stefan Bauer – Marimbaphon & Vibraphone
Chris Bacas – Sopran & Tenorsaxophone
Jim Vivian – Bass
Greg Ritchie – Drums
Stefan Bauer lebt schon lange in New York, aber auch Canada war viele Jahre seine Heimat. Natürlich hat ihn der dortige Jazz geprägt, denn die Uhren ticken ein wenig anders als in Europa. Seine Wurzeln hört man aber aus jeder seiner Kompositionen heraus und diese Mischung macht das Besondere an seinen Kompositionen aus.Stefan Bauer – Marimbaphon & Vibraphone
Chris Bacas – Sopran & Tenorsaxophone
Jim Vivian – Bass
Greg Ritchie – Drums
Mit Chris Bacas hat er einen Partner an seiner Seite die schon eine „Langjährige Musikalische Verbindung“ prägt.
Tammy Scheffer kommt aus Israel und ihre Stimme ist so klar wie ein Bach in den Bergen der Alpen.
Seine neue Einspielung ist inspiriert von den Eindrücken und Erlebnissen aus Canada, Amerika, Europa und vor allen Dingen aus den phantastisch schönen Land Island.
Stefan ist auch ein Kind des Ruhrpotts und seine Kindheit war geprägt durch die Steinkohle und das Leben mit Pütt und Zeche. Kohleberwerke gab es natürlich auch in Canada und eine Komposition „ In the Town of Springhill, Nova Scotia“ handelt von einem Bergbauunglück bei dem mehrere Bergleute ums Leben kamen. Interpretiert wird das Stück eindringlich von Tammy Scheffer und Stefan Bauer im Dialog. Es sind keine Melodiebögen sondern Melodiesprünge. Die klare Stimme von Tammy Scheffer und die tiefen und dumpfen Töne des Marimbaphon spiegeln dieses dramatische Erlebnis gefühlsvoll wieder.
Wunderbar die Komposition „Entre Nous“. Hier brilliert Jim Vivian mit einem toll singendem Bass-Solo im Übergang zu den klaren Tönen des Vibraphons und dem sensiblen Saxophon von Chris Bacas, dessen Töne träumen lassen.
„First Snow“ ein Dialog mit Stimme und Marimbaphon. Gerade läuft im Fernsehen ein Film über die Natur Canadas und die Musik passt dort hinein wie dafür komponiert. Wann gibt es mal so ein Duo, Marimba und Stimme mit stark meditativen Charakter und Melodiebögen.
Dann eine Überraschung, wer kennt nicht das Stück „Caravan“ von Juan Tizol & Duke Ellington. Hier geht die Post ab. Der treibende Drive von Greg Ritchie & Jim Vivian lässt niemanden auf dem Stuhl ruhig sitzen. Natürlich lassen sich Chris Bacas und Tammy Scheffer diese Gelegenheit nicht entgehen und setzen durch feurige Solos noch einen drauf.
“Some other time” ist wieder ein Duo zwischen Stimme und Vibraphon. Wie dafür geschaffen diese Stimmen. Es klingt auch leider wie ein Abschied von dieser tollen Einspielung, aber gibt auch die Hoffnung für ein anderes Mal. Es weckt melancholische Gefühle, Traurigkeit und Glück in sich. Hoffentlich werden wir in absehbarer Zeit mehr davon hören können.
Das Stefan Bauer Quintet „Voyage West“ kommt nach Deutschland zu einer kleinen Tournee und wer sich das nicht entgehen lassen möchte, hier die Daten:
06.03.2019 Bergkamen „Galerie Sole 1“ 19:30 Uhr
07.03.2019 Herne „Flottmann Hallen“ 20:00 Uhr
08.03.2019 Düsseldorf „Jazzschmiede“ 20:00 Uhr
09.03.2019 Sendenhorst „Haus Siekmann“ 20:00 Uhr
10.03.2019 Köln „Freiraum Galerie“ 19:00 Uhr
11.03.2019 Recklinghausen „Ruhrfestspielhaus“ 20:00 Uhr
07.03.2019 Herne „Flottmann Hallen“ 20:00 Uhr
08.03.2019 Düsseldorf „Jazzschmiede“ 20:00 Uhr
09.03.2019 Sendenhorst „Haus Siekmann“ 20:00 Uhr
10.03.2019 Köln „Freiraum Galerie“ 19:00 Uhr
11.03.2019 Recklinghausen „Ruhrfestspielhaus“ 20:00 Uhr
Text: Kurt Rade
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Sven Decker´s „JULI Quartett“ - Lost in Poll -
Sven Decker – Tenor Sax., Bass Clarinet, Clarinet
Heidi Bayer – Trumpet, Flügelhorn
Conrad Noll – Double Bass
Jo Beyer – Drums
Conrad Noll – Double Bass
Jo Beyer – Drums
Manchmal will das Schicksal es so (oder es soll so sein), das Menschen aufeinander treffen, Musik machen und auf einmal merken das ihr Zusammenspiel zu was Besonderem fähig ist.
Das Ergebnis ist die Einspielung „Lost in Poll“ die vor Lebendigkeit und Spielfreude nur so strotzt. Die Schuhgröße die Sven Decker vorher hatte wurde zu klein, denn hier sind einige Schuhgrößen dazu gekommen. Die Weiterentwicklung in den Kompositionen und auch in der Spielweise ist unüberhörbar.
In der Komposition „BIN“ die fast wie ein Trauermarsch beginnt ein Duett zwischen Trompete und Bass-Clarinette. Ein satter Trompetenton von Heidi Bayer mit den Melodieläufen einer Erzählung gleich und wunderbaren Phrasierungen beginnen dieses Stück. Darauf folgend ein tief sensibler Einstieg von Sven Decker der seinen Atem kaum hörbar ins Sax hauchte, es entwickelte sich aber dann eine Spirale der Emotionen die einem Höhenflug der Seele gleich kam. Die Töne wurden in den Raum geschmettert und zeugten von tiefer Verletzbarkeit aber auch von Hochgefühl. Es war einfach wunderbar anzuhören.
Conrad Noll am Bass spielt mit einem wuchtigen Ton und hoher Präzision. Er treibt alle vor sich her und macht Druck. „Fulton-Shoes“ beginnt mit einem Bass-Solo in dem die Seiten geschlagen werden und aufs Brett knallen. Tiefen, Höhen, Flachelet-Töne, ein Karussell in sich.
Mit Jo Beyer hat sich Sven Decker einen Drummer geholt der sehr modern und Kammermusikalisch auf hohem Niveau spielt. Er lässt keine Sekunde aus um jedem Stück rhythmisches Leben einzuhauchen.
„Lost in Poll“ ist was Besonderes, den Sven Decker macht es sich nie einfach. Immer zeugen seine Einspielungen von hoher Sensibilität, Melancholie, Wut, Schönheit, Ausbruch und einer wirklich eigenen „Art“ (Kunst) zu komponieren. Eine Einspielung nur zu empfehlen ist und Live ein Genuss sein muss.
Text: Kurt Rade
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Die Einspiel Besprechung:
Christina Schamei Quintett „Waves And White Horses“
Christina Schamei – Vocal
Benedikt Koch – Saxophone
Simon Seeberger – Piano
Caris Hermes – Bass
Niklas Walter – Drums
Benedikt Koch – Saxophone
Simon Seeberger – Piano
Caris Hermes – Bass
Niklas Walter – Drums
Christina Schamei, eine Jazzsängerin lebend in Köln, veröffentlicht ihre erste Einspielung. „Waves And White Horses“, das gleichnamige erste Stück auf der CD überrascht schon bei den ersten Tönen.
Die Komposition, strukturiert durch Moderne Klangfolgen, einer wunderbaren und klaren Melodie deren Wärme sich gleich einprägt und ausbreitet.
Christinas Stimme klingt ausgereift und klar, sie gibt allen Kompositionen eine unvergleichliche Wärme, klingt niemals aufdringlich oder aufgesetzt und hält die Spannung der Kompositionen immer auf den Höhepunkt.
Die Musiker die sie sich für ihr Quintett sorgfältig aussuchte, passen wie geschaffen zu ihren Kompositionen und spielen auf höchstem Niveau. Alle Musiker sind noch sehr jung, zeugen aber von einer großen Reife, Präzision und Können in ihrem Spiel.
Benedikt Koch und Christina Schamei bilden eine Synthese deren Klangfolgen sich immer wieder ergänzen und abwechseln. Beide würden auch ein erfolgreiches Duo präsentieren.
Simon Seeberger bildet mit seinem Spiel einen Klangteppich auf dem Benedikt und Schamei sicher wandeln können. Seeberger kann gleichzeitig mehr als sensibel, aber auch kräftig und dynamisch die Stücke zum kochen bringen.
Bleibt zuletzt das Rhythmus-Duo Caris Hermes und Niklas Walter. Beide sind für jede Gruppe eine sichere Bank. Sie sind schon seit einigen Jahren eingespielt und verstehen sich blind, ihr Einfühlungsvermögen in die Kompositionen fasziniert.
Die Komponisten Christina Schamei und Benedikt Koch liefern hier Stücke die eine persönliche Handschrift aufweisen, allein die Texte im Zusammenhang mit den Kompositionen haben einen hohen Anspruch. Riverman von Nick Drake und von Benedikt Koch arrangiert, einfach nur gut. Mit viel Sorgfalt und Mühe wurden die Kompositionen zu einem Großen-Ganzen zusammengefügt und man merkt das der Anspruch etwas sehr Gutes zu produzieren gelungen ist.
Wer einem Menschen ein schönes musikalisches Geschenk machen möchte, dem kann man diese Einspielung nur empfehlen.
Text: Kurt Rade
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Musik für eine ganz private Erinnerungsreise von:
Michael Kalthoff-Mahnke
Nicht ganz neu, aber zeitlos zauberhaft: Remembrance von Ketil Björnstad (Piano), Ture Brunborg (Tenorsaxofon) und Jon Christensen (Drums). Erschienen 2010 bei ECM.
Am Ende einer sommerlich heißen Woche bringt der ersehnte Regen am Samstagabend doch noch etwas Kühlung und Erfrischung. Es ist früher Sonntagmorgen, ich stehe in der Küche, fülle Wasser in den Wasserkocher und Tee in den Teebeutel. Während das Wasser im Kocher leise zu singen beginnt, schaue ich hinaus in den Garten. Ein leichter Neben hängt in den Bäumen. Der Regen hat die prächtigen Rosenblüten schwergemacht, sie lassen ein wenig die Köpfe hängen. Ich öffne die Terrassentür, ein angenehm kühler Wind strömt hinein, der Wohlgeruch nach frischer, feuchter Erde steigt mir in die Nase. Jetzt Musik. Ich gehe die CDs neben dem kleinen Kombispieler in der Küche durch. Nichts dabei, was meiner momentanen Stimmung entsprechen würde. Ich lasse mich bei der Musikauswahl gerne von Gefühlen, Eindrücken und Gemütslagen beeinflussen. Darin liegt (für mich) ihr eigentlicher Sinn. Ein Gang zum CD-Regal und irgendwie gibt es nur noch eine Möglichkeit, die in die Gesamtkomposition dieses frühen Sonntagmorgens passt: Remembrance von Ketil Björnstad (Piano), Ture Brunborg (Tenorsaxofon) und Jon Christensen (Drums). Schon bei den ersten Takten von Björnstadts Klavierspiel, der sanften, melodiösen Lyrik von Rundborgs Saxofon und Christensens zurückhaltenden Schlagwerk und Beckenspiel weiß ich, dass ich die richtige Wahl getroffen habe für diesen Start in den Tag.
Bereits 2010 haben die drei Nordlichter das Album eingespielt. Es umfasst elf Stücke, die unprätentiös „Remembrance I bis XI“ benannt sind. Es ist in der Tat eine Art Konzeptalbum, das den Zuhörer, der sich darauf einlässt, auf eine ganz persönliche Erinnerungsreise mitnimmt. Musik, die zeitlos, manchmal schwerlos ist. Wie Remembrance III: Eine sanfte Melodie von trägt durch einen lauen Sommerabend, Erinnerungen an einen glücklichen Tag werden wach, ein Spaziergang auf einer blumenübersäten Sommerwiese. Ähnlich, aber etwas verträumter das anschließende Remembrance IV, mit einem lyrischen Saxofon, das sich immer wieder auch zu eigenen Improvisationen aufmacht. In Remembrance V zeigt Björnstad, wo seine Wurzeln liegen: in der klassischen Musik. Mit choralähnlichem Spiel legt er einen zauberhaften Klangteppich für ein Solo-Saxofon, das unter die Haut geht. Das Album strahlt Ruhe aus, ist trotz mancher Moll-Passagen aber niemals düster. Manchmal verströmt es eine gewisse Wehmut, wie beim grandiosen Remembrance X, die aber nicht in Trauer umschlägt, sondern in Optimismus, dass das was kommt, gut wird. Aus Erinnerung wird Zukunft.
Text: Michael Kalthoff-Mahnke
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„Jeg roper til deg“ (Ich rufe dich) Ein Bericht von Kerstin Siemonsen
Unbeschreiblich schön – das Duo Torhild Ostad und Carsten Dahl
Ganze 21 Jahre ließ die norwegische Vokalistin Torhild Ostad verstreichen, bis sie ihr zweites Album veröffentlichte. Und es bedurfte des genialen dänischen Pianisten Carsten Dahl, um Ostad aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Was dabei herausgekommen ist so unglaublich schön, so beeindruckend und tiefgehend, dass ich tief gerührt bin.
Da spielen zwei geniale Musiker, die sich auf wunderbarste Weise ergänzen: Auf der einen Seite Carsten Dahl, der mich immer wieder mit seinem intensiven Spiel beeindruckt und das nicht nur wegen seiner Spielweise, sondern auch wegen der Art wie er spielt. Er versinkt quasi auch physisch in seiner Musik. So sitzt er mit geschlossen Augen, tief versunken vor dem Klavier so als würde er in seine eigene Musik eintauchen. Ich bin immer wieder fasziniert und nutze jede Gelegenheit ihn live zu hören. Und auf der anderen Seite Torhild Ostad eine Vokalistin, die mit glasklarer Stimme, die so wunderbar einen Kirchenraum füllt, das Herz berührt. 1996 veröffentlichte sie unter dem Titel «Blomar i moll» (Blumen in Moll) ihre erste und bisher einzige CD als Soloartistin mit traditioneller norwegischer Musik. Die CD wurde hoch gelobt, doch führte Ostads Lebensweg sie weg von der Musik.
Die CD „Jeg roper til deg“ umfasst sowohl Kirchenchorale als auch eigene Stücke von beiden Musikern. Sie drehen sich um das Thema Beziehung zwischen Frauen und Männern. Dass diese nicht immer glücklich verlaufen, wird in der Tonart aber auch in den Texten deutlich. Mein Favorit ist „Alt forandrer seg“ (Alles verändert sich) einem Stück von Ostad. Der Text weckt in mir Erinnerungen an einen guten Freund, den ich glaube verloren habe und berührt mich daher tief. Schade, dass es für die Texte keine englische Übersetzung gibt. So haben nur die, die norwegisch verstehen eine Chance die Tiefsinnigkeit und Schönheit zu erfassen. Aber auch ohne Textverständnis ist die CD absolut hörens- und empfehlenswert. Deshalb freue ich mich auch, das Duo beim Jazzfestival in Molde (Norwegen) im Juli 2017 live hören zu dürfen. Dort spielen sie in der Domkirche. Eine Spielstätte, ich die für diese Musik einfach nur genial finde. Ich werde hier darüber berichten.
Zur Gestaltung der CD haben beide Musiker beigetragen. Das Deckblatt und die Zeichnungen im Booklet stammen von Thorhild Ostad, während Carsten Dahl mit einem Bild auf der Innenseite zum Gelingen beigetragen hat. So erhält die CD eine ganz persönliche Note. Und wer sie nun bestellen möchte kann dies hier tun:
Text: Kerstin Siemonsen
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Weihnachten kann kommen:
Einspielbesprechung von Michael Kalthoff-Mahnke
Nils Landgren „Christmas With My Friends V“
Zum fünften Mal legt Nils Landgren eine Weihnachts-CD vor.
In diesem Jahr macht er damit eine besondere Freude. Nie waren der Schwedische
Jazz-Posaunist und seine filigranen Mit-Spieler besser als zu diesem Fest.
Ganz ehrlich: Das habe ich nicht erwartet. Aus guter
(Weihnachts-) Tradition habe ich „Christmas With My Friends V“ in den
CD-Spieler geschoben. „Ist ja nicht die erste Weihnachts-CD von Landgren“,
denke ich. Von der ersten, erschienen 2006 (!), war ich begeistert. Die
Nachfolger waren nett, konnten aber bei weitem nicht an Nummer eins
heranreichen. Und jetzt also: Die Fünfte! Schon bei den ersten Klängen des Bachschen Chorals „Morgenstern
und Morgenlicht“ wird mir ganz feierlich zumute und eine vorweihnachtliche
Gänsehaut läuft über meine Unterarme. Beim temperamentvollen „Joy Oft The
World“ habe ich Kerzenglanz in meinen Augen, der heiter-musikalische Dialog
„Baby Ist’s Cold Outside“ treibt mir ein mildes Schmunzeln ins Gesicht und beim
souligen Traditional „Go Tell Ist On The Mountain“ erwische ich mich, wie ich
mit dem Fuß im Takt wippe.
Und so geht es weiter: Nils Landgren und seine musikalischen
Freunde haben von traditioneller bis moderner Weihnachtsmusik einen bunten
Strauß zusammengesteckt – mal klassisch, mal jazzig, mal besinnlich, mal
fetzig. „It is a whole lot of fun to do the research together with my Christmas
friends“, schreibt Landgren im Innenteil des CD-Covers. Die Freude, mit der die
Musiker Landgrens Arrangements spielen, springt sogleich auf den Hörer über.
Und was sind das für Musiker, alles Meister ihres Fachs. Allein die stimmliche
Vielfalt besticht: Jeanette Köhn mit
zartem, klassischen Sopran, ebenso Jessica Pilnäs mit klarer Jazzstimmung, der
Blues von Sharon Dyall und immer wieder Ida Sand, die mit ihrem smoothigen Alt
als „Schwarzeste Stimme Skandinaviens“ gilt.
18 Mal große Freude. Landgren ist eine Riesenüberraschung gelungen. Die CD liegt spielbereit in meiner
Nähe und wird mich musikalisch durch den Advent und die Weihnachtszeit
begleiten. Im Haus oder im Auto, „Now The Time Is Here“.
P.S. Bugge Wesseltofts „It’s Snowing On My Piano“ wird
natürlich in dieser vorweihnachtlichen Zeit ebenfalls nicht fehlen.
Nils Landgren, Christmas With My Friends V. Erschienen 2016
bei ACT
Text: Michael Kalthoff-Mahnke
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Einspielbesprechung von Kurt Rade:
„JOULU & JUL“ von Tuija Komi Weihnachtslieder aus Finnland und Skandinavien
Tuija Komi – Gesang
Walter Lang – Piano
Peter Cudek – Bass
Martin Kolb – Drums
Peter Cudek – Bass
Martin Kolb – Drums
Eigentlich ist es nicht mein Ding Weihnachts-Cd´s zu besprechen aber diese von Tuija Komi ist mit viel Herz und Engagement eingespielt worden.
Tuija Komi ist gebürtige Finnin, lebt aber schon viele Jahre in München und ist dort in der Jazz-Szene beheimatet. Bekannt ist sie in Finnland und Skandinavien, wie natürlich auch in Deutschland durch Einspielungen von traditionellen bis modernen Jazz. Sie hat eine klare Stimme des Nordens der man natürlich auch die Melancholie anhört.
Das macht diese Einspielung auch so hörenswert, denn sie ist durch und durch Jazz, mit tollen Solos, jazzig arrangiert, hat einen Hauch der Weite des Lapplandes. Wenn man nicht wüsste dass es Weihnachtslieder sind, könnte man sie sich zu jeder Jahreszeit anhören.
Besonders gefallen hat mir „Hiutaleet maahan leijailee“ (Schneeflocken fallen leise) und „En etsi valtaa loistoa“ (Ich suche keine Macht, keinen Glanz) natürlich aus Finnland.
Beide Stücke werden mit einer unglaublichen Zärtlichkeit gesungen und wunderbar interpretiert und sind nicht für eine Sekunde schmalzig oder rührselig. So was hört man so nicht alle Tage. Das Pianosolo von Walter Lang auf „Schneeflocken fallen leise“ ist sensibel und feinfühlig gespielt.
Man hört klar heraus, dass alle Musiker von den Stücken überzeugt sind und es muss ihnen einen Riesenspaß gemacht haben diese Cd einzuspielen. Hier ist eine Jazz-Weihnachts-Cd gelungen und ein schönes Geschenk für die Lieben.
Text: Kurt Rade
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Die Einspiel Besprechung:
„Marie Mokati Break Loose“
Marie Daniels – Gesang / Komposition
Tim Bücher - Gitarre
Moritz Götzen – Kontrabass
Karl F. Degenhardt – Schlagzeug
Tim Bücher - Gitarre
Moritz Götzen – Kontrabass
Karl F. Degenhardt – Schlagzeug
Sitze gerade am Schreibtisch und höre mir zum x-ten Male die neue CD von Marie Daniels und ihrem Quartett an. Hier riskiert sie einen Sprung vom Jazz im herkömmlichen Sinne, zum Songwriter mit allen neuen Vielfältigkeiten die ihr zur Verfügung stehen.
Ihre so und so schon herrliche Stimme ist zu einer Kunstform gewachsen, wodurch sie den Kompositionen und durch die Veränderbarkeit ihrer Stimme verschiedene Leben einhaucht.
Marie integriert nun, was den Jazz bereichert. Ob Soul, Funk, Lyrik oder Folk, bildet Marie aus diesem eine spannende Synthese die voller Leben ist.
Auch ihre Texte stehen mitten im Leben und sind keine verträumten Illusionen. Hier bringt sie ihre junge Lebenserfahrung mit ein und spricht eine Sprache in der sie ihre Generation zum Nachdenken anregt.
Beeindruckend ist auch wie begeisternd ihre Band sich ihrer Veränderung anpasst. Als wenn es eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre, leben sie voll in den Kompositionen auf und man wundert sich welche Fähigkeiten in ihnen stecken. Mal sehr wuchtig oder mit großem Feingefühl, begeisternd und konzentriert, wird diese schon lange zusammenspielende Band zu einer großen Bereicherung der Jazzscene in Deutschland.
Es gibt einige Jazz-Sängerinnen die ihre Farben wechseln, vor allen Dingen die Nordischen Interpretinnen erfinden sich dadurch immer neu.
Auch Marie geht hier den richtigen Weg, denn Stillstand kennt sie nicht.
Aus ihren Kompositionen kann ich eigentlich keine besonders hervorheben, es sind wunderbare Melodien mit viel Einfühlungsvermögen, großer Intensität und mit unglaublich viel Liebe interpretiert.
Diese Einspielung zu besitzen lohnt sich.
http://mariedaniels.de/projekte/
Text & Fotos: Kurt Rade
Cover Fotos: Christian Hengst
Cover Fotos: Christian Hengst
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Einspiel-Besprechungen:
„QUESTIONS“
Rüdiger Scheipner – Tenor, Sopransaxophon, Bassklarinette
Tarik Dosdogru – Vibraphone
Tarik Dosdogru hörte ich zum ersten Mal im domicil in Dortmund bei dem Projekt „Dortmunder Jazzwerkstatt“ Auffällig war seine lockere Spielweise, ernsthaft bei der Sache und ein starkes Einfühlungsvermögen für seine Musiker.
Tarik Dosdogru – Vibraphone
Tarik Dosdogru hörte ich zum ersten Mal im domicil in Dortmund bei dem Projekt „Dortmunder Jazzwerkstatt“ Auffällig war seine lockere Spielweise, ernsthaft bei der Sache und ein starkes Einfühlungsvermögen für seine Musiker.
Leider hatte ich noch nicht die Möglichkeit Rüdiger Scheipner Live zu hören.
„Questions“ ist eine sehr vielseitige und zum genauen Hinhören geprägte Einspielung.
Das Stück „Good Bey“ transportiert alle Gefühle des Abschiednehmens und wird von beiden Musikern überzeigend gespielt. Es befällt einem eine gewisse Traurigkeit, das aber ein Zeichen für das umgesetzte Thema ist wie es auch sein soll. Rüdiger Scheipner glänzt hier mit einem Solo dem der Schmerz des Abschiedes anzuhören ist. Mal Schreiend oder ganz leise wird die Ballklarinette zum Werkzeug des Ausdrucks.
Mit „Paula“ wird die Lebenslust und Freude daran zum Ausdruck gebracht. Fast zum Tanzen angeregt macht es einen Riesen-Spaß hier zuzuhören.
„Hade“ ist auf der Einspielung die einzige Komposition von Tarik Dosdogru. Die Wurzeln sind unverkennbar. Orientalische Ton-Läufe, springende Tonbildung und ein explodierendes Thema verlangt beiden alles ab. Wie das Laufen auf einen Berg hinauf geht es höher und höher. Oben treffen sich beide und genießen das Verweilen um mit dem Thema das Stück abzuschließen.
„Spoon Moon“ eine wunderbare Ballade von Rüdiger Scheipner. Ein ruhiges Thema worauf Tarik Dosdogru herrlich improvisiert. Beeindruckend wie Tarik mit seinen Klöppeln und dem Vibrafon eine Klangwelt produziert die von äußerster Sensibilität ist.
Eigentlich sind alle Kompositionen ausgereifte Stücke und von hoher Qualität. Es ist ein Genuss der Einspielung vom Anfang bis zum Ende zuzuhören. Hier bleiben keine Fragen offen.
http://dosdogru.de/ http://www.monarecords.productions/last-release
Text: Kurt Rade